Es ist ein Thema, das ganz schnell auch noch Deutschland kommen könnte - das erst mal aber in der Schweiz die Stimmung aufheizt: In knapp zwei Wochen, am 4. März, wird abgestimmt. Es wird kein neuer Nationalrat gewählt, es geht um die Frage, ob es weiterhin einen öffentlich finanzierten Rundfunk geben soll.
"No Billag" heißt die Initiative gegen die Rundfunkgebühren. Deren Verantwortliche wollen ins Gesetz schreiben, dass der Bund keine Radio- und Fernsehstationen subventioniert. Und man wirbt damit, dass jeder Haushalt über 450 Franken pro Jahr zusätzlich für den Konsum zur Verfügung hätte.
Aber es gibt auch die Gegenposition. Musiker, Schauspieler, Theatermacher, Produzenten - viele Kulturschaffende haben ihre Statements auf einer Internetseite "No Billag - No Culture" zusammengefasst. "Die Initiative bedroht die öffentlich-rechtliche Kulturplattform." Oder: "Hier geht es um die geistige und kulturelle Substanz unseres Landes."
Auch der Schweizer Musiker Tobias Jundt, der mit seiner Band unter dem Namen Bonaparte auftritt, und der Singer-Songwriter Julian Pollina alias Faber sagen Nein zu "No Billag".
Bonaparte: "Wenn es um Profit geht, färbt es auch den Inhalt"
Sören Brinkmann: Warum engagieren Sie sich als Künstler bei so sehr bei einem medienpolitischen Thema?
Tobias Jundt: Grundsätzlich gibt es ja mal die Frage: Soll ein Künstler eine Meinung haben? Oder soll er einfach Musik machen und unterhalten? Und ich glaube, dass meine Haltung ja in meiner Musik auch sehr gut durchkommt, weil ich in meinen Texten auch sehr viele Dinge anspreche. Aber manchmal gibt es halt Situationen, wo man halt sagt: Okay, hier will ich jetzt ein bisschen ins Detail gehen. Und bei dieser Abstimmung - natürlich betrifft es die Schweiz -, aber am Ende geht es ja darum, über die Sachlage nachzudenken und was da genau abgeht. Und das kann man ja am Ende auf verschiedene Länder oder auch andere Sparten oder andere Prozesse dann überleiten. Und bei der Sache war es mir halt mal wichtig, dass viele Leute, auch in der Schweiz selber, haben gar nicht genau verstanden, um was es geht. Und dann finde ich es halt schon mal gut. Ich habe kein Problem wenn eine Abstimmung - das ist ja das Schöne an einer direkten Demokratie -, wenn die so ausfällt oder so ausfällt. Na gut, damit lebt man. Aber ich finde es schwierig, wenn man den Leuten etwas verkauft, aber in Wahrheit geht es eigentlich um etwas ganz anderes. Und deshalb habe ich da auch ein Statement geschrieben.
Brinkmann: Ja, Sie schreiben: "Ich will als Vater und Mensch eine Zukunft, in der möglichst frei und objektiv recherchiert und informiert, unterhalten und diskutiert werden kann". Ist das das, was die SRG leistet?
Jundt: Ich schreibe auch weiter oben, dass man sehr wohl über den Inhalt von öffentlich-rechtlichen Sendern diskutieren darf und soll, so wie alles eigentlich immer im Wandel der Zeit auch wieder neu überdacht und angepasst werden sollte - das finde ich richtig. Aber die Abschaffung von Öffentlich-Rechtlichen finde ich absolut falsch. Weil ich finde es total gut, dass es private Sender gibt - und ich finde es aber sehr wichtig, dass es Öffentlich-Rechtliche gibt. Und ich finde schon, dass - da kann man jetzt natürlich die Nadel im Heuhaufen suchen -, aber ich finde schon, dass die SRG sehr wohl das tut - oder versucht. Ich meine, es werden eh nie alle Interessen bedient.
"Die SRG hat einen sehr hohen Anteil an lokaler, nationaler Musik"
Brinkmann: Aber das heißt, Sie stört diese grundsätzliche Infragestellung des öffentlichen Rundfunks?
Jundt: Mein Hauptproblem ist, man versucht den Leuten, indem man ihnen sagt, ihr könnt ein bisschen Geld sparen. Nämlich einen Franken pro Tag, den jeder Schweizer ja bezahlt als Beitrag, damit es öffentlich-rechtliche Sender gibt, dass es zum Beispiel den rätoromanischen Sender gibt, dass es Nachrichten gibt, Sportberichterstattung, was auch immer, Filmförderung – dieses Geld geht ja in ganz, ganz viele Töpfe. Man gaukelt den Leuten vor, dass sie ein bisschen Geld sparen können und dass man das dann irgendwie anders löst, über Steuern oder so. Gleichzeitig sagt aber der Abstimmungstext, dass man das gar nicht darf. Der Staat darf danach gar keinen öffentlich-rechtlichen Sender mehr bedienen, sprich: Es darf am Ende eigentlich nur Privatwirtschaft sein, sprich: Leute mit viel Geld. Und dann geht es um politische Interessen. Ich finde das halt sehr, sehr schwierig, dass es eigentlich hinten durch ganz klar um ein politisches Werkzeug geht, dass aber den Leuten gesagt wird: Hey, Du kannst hier einen Franken pro Tag sparen. Und damit kriegst du natürlich die Leute schnell. Aber ich finde nicht, dass es ehrlich argumentiert wird.
Brinkmann: Sie meinen, dass es natürlich Interesse gibt, eben auch alles in die private Welt zu verlagern sozusagen?
Jundt: Klar. Und wenn ein Sender... wenn es um Profit geht, dann färbt das einfach auch den Inhalt, das ist überall so. Die Rolle, die Geld spielt, ist immer extrem wichtig. Und die färbt halt einfach den Inhalt oder auch die Motivation. Und man weiß ja, welche Politiker welche Medienhäuser aufgekauft haben, welche Zeitungen, welche Regionalzeitungen, welche Gratis-Blätter, welche Radiostationen. Und es werden Leute - böse gesagt - sich Sender kaufen können. Und man sieht es ja in Italien oder Amerika relativ klar, was dann passiert.
Brinkmann: Sie haben eben angesprochen: die Kunst, die Kultur. Was leistet denn der öffentliche Rundfunk für diesen Bereich, für Kunst, Kultur?
Jundt: Der Jugendsender zum Beispiel, "Virus", die machen sehr, sehr viel - ob das jetzt um Hip-Hop-Battles geht oder so, ob das drum geht, jüngeren Bands eine Plattform zu geben, definitiv. Ich finde, auch die anderen Sender machen relativ viel. Die SRG hat einen sehr, sehr hohen Anteil an lokaler, nationaler Musik, was zum Beispiel wichtig ist, weil das viele Privatradios gar nicht machen können. Aber ich finde, das ist etwas sehr Wichtiges, ehrlich gesagt. Weil ich glaube auch, dass das extrem die Kultur färbt, wie viele Künstler von ihrer Musik leben können, böse gesagt.
Wir haben noch länger mit Tobias Jundt gesprochen -
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Faber: "Es ist viel mehr Leuten bewusst, dass es wichtig ist, dass man abstimmen geht"
Brinkmann: Auch so kann Protest klingen. Bei "Clap 4 Culture" - Klatsch für die Kultur - haben mehrere Künstler Videoclips veröffentlicht. Einer von ihnen: Faber. Was sagen Sie in dem Video?
Julian Pollina: Wenn ich den Text richtig im Kopf habe, ist der gesungene Part: "Deine Sendung, meine Sendung, unsere Schweiz. Wir teilen das."
Brinkmann: Das heißt, die Botschaft ist, unsere Sprachen, unsere Meinungen - es ist eine Vielfalt in der Schweiz.
Pollina: Genau. Es wird auch sehr konkret gegen Schluss: "Deshalb stimme 'Nein' am 4. März."
Brinkmann: Zeigt die Kampagne eben diese Vielfalt? Wollen Sie bewahren, und der öffentliche Rundfunk trägt dazu bei – oder was steckt dahinter?
Pollina: Natürlich ist es nicht nur der öffentliche Rundfunk, der dazu beiträgt, aber es ist sicher ein wichtiger Punkt, dass jede Region, jede Sprachregion die Möglichkeit hat, da Sendungen, da Kultur zu produzieren. Und dass es da auch in entlegenen Gegenden ein Angebot gibt in der jeweiligen Sprache.
"Eine sehr, sehr wichtige Abstimmung"
Brinkmann: Was war dann Ihr Grund - oder Ihre Motivation -, an diesem "Clap 4 Culture" teilzunehmen?
Pollina: Ich denke, es ist eine sehr, sehr wichtige Abstimmung, es ist eine sehr wichtige Initiative. Und ich hätte es zwar nicht gedacht, aber nach ersten Einschätzungen sah es schon sehr krass danach aus, dass das angenommen werden würde. Und da war schon, finde ich als Künstler … wenn man auch eine kleine Bühne hat, dass man die auf jeden Fall nutzen sollte für Sachen, für die man einstehen will. Und in dem Fall ist es halt, gegen etwas zu sein. Schöner ist es natürlich, für etwas zu sein. Aber in diesem Fall halt so rum.
Brinkmann: Und jetzt, in diesem Fall, mobilisieren Sie eben auf musikalische Art und Weise, mit Klatschen auch in Videos. Was konkret befürchten Sie denn, wenn diese Initiative durchkäme?
Pollina: Die Auswirkungen sind halt einfach, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen und der Rundfunk, dass das eingehen wird - was die Initianten zwar bestreiten zum Teil, aber das ist ein bisschen lächerlich. Sie sagen halt: "Wir wollen einfach nicht dafür zahlen - jeder soll nur das bezahlen, was er will, was er auch sehen und konsumieren will. Wir wollen das nicht abschaffen, das Öffentlich-Rechtliche, wir wollen einfach die Gebühr abschaffen." Was natürlich ein bisschen ein Irrwitz ist.
Brinkmann: Und die regionale Identität, wenn wir bei der noch mal bleiben: In Graubünden zum Beispiel mit der rätoromanischen Sprache - da ist es natürlich auch eine sehr kleine Sprachgruppe -, aber es gibt ja auch, um mal beim Rätoromanischen zu bleiben, es gibt ja zum Beispiel auch Zeitungen, die auch tatsächlich ohne Subventionen erscheinen. Das heißt, es geht ja auch, ohne dass es eine Förderung gibt.
Pollina: Natürlich gibt es Zeitungen, die ohne Subventionen auskommen. Aber ich glaube, ein Großteil des Angebots würde natürlich schon eingehen - sagen wir mal, in Regionen, wo "es sich nicht lohnt". Vielleicht bin ich da schlecht informiert? Was kennen Sie für rätoromanische Zeitungen - oder Fernsehen - was ohne Unterstützung …
Brinkmann: … beim Fernsehen ist das sicherlich was Anderes, ja.
Pollina: Also, ich kann mir das, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass man schon für die italienische Schweiz ein Fernsehen produzieren könnte, was qualitativ gut ist, hochwertig und ausgeglichen, ohne Subventionen.
"In der Schweiz ist man politikmüde geworden"
Brinkmann: Ich finde interessant, dass ja gerade auch in der Kulturszene der Widerstand gegen "No Billag" so groß ist. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Pollina: Ich glaube, das ist schon in sehr verschiedenen Teilen der Gesellschaft so. In der Kultur kann man es einfach ein bisschen mehr sehen, weil da verschiedene Videos von Künstlern gedreht wurden. Keine Ahnung, unter den Bäckern oder den Bankern ist das, glaube ich, nicht anders, aber die machen vielleicht weniger ein Video von sich.
Brinkmann: Sind Sie zufrieden mit der Resonanz?
Pollina: Ja, ich finde schon. Ich finde es schön. Tatsächlich ist man in der Schweiz politikmüde eigentlich - wie grundsätzlich ein bisschen in Europa. Und seit … es war, ich glaube, 2015, da gab es eine sehr krasse Initiative, die "Masseneinwanderungs-Initiative", die dann angenommen wurde. Und ich glaube, da war so der Weckruf für alle, weil - also ich mit - habe einfach geglaubt: Das wird eh nie angenommen, so dumm sind wir Schweizer nicht. Und dann hat man mal gemerkt, was passiert, wenn es eben doch angenommen wird. Und ich glaube, seit da ist auf jeden Fall viel passiert, und es mobilisieren sich doch viel mehr Leute. Und es ist viel mehr Leuten jetzt doch bewusst, dass es wichtig ist, dass man abstimmen geht.
Wir haben noch länger mit Julian Pollina gesprochen -
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