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Künstlersozialkasse vor tiefgreifenden Änderungen

Soziales. - Freier Journalist - eine klangvolle Berufsbezeichnung. In ihrem Berufsalltag erleben viele Journalisten ihre Freiheit hingegen eher als freien Fall: Ein Drittel der rund 67.500 Journalisten in Deutschland übt den Beruf ohne feste Anstellung als freie Mitarbeiter aus (Quelle: DJV). Medienkrise und seit Jahren sinkende Honore machen den meisten schwer zu schaffen. Im Durchschnitt verdienen sie nur ein Drittel dessen, was ihre festangestellten Kollegen am Monatsende auf dem Konto haben. Da ist es für viele freie Journalisten existenziell wichtig, dass sie, zumindest was die Kranken- und Sozialversicherung anbelangt, gleichberechtigt sind: Denn, wie bei Angestellten zahlen sie nur die Hälfte ihrer Beiträge. Die anderen 50 Prozent, gewissermaßen der Arbeitgeberanteil, werden aus der Künstlersozialkasse beglichen. Doch um die gab es in dieser Woche jede Menge Wirbel und verwirrende Nachrichten.

Von Henning Mielke |
    Bei den Mitgliedern der Bundestags- Enquête-Kommission "Kultur in Deutschland” quollen in dieser Woche die elektronischen Briefkästen über. Betreff: Künstlersozialkasse, stand auf den meisten E-Mails. Der Grund: In der Einladung zur Sitzung der Kommission am Montag war die Frage aufgeworfen worden, ob die KSK erhalten werden soll, ob sie überhaupt erhalten werden kann? Freie Journalisten, Publizisten und Künstler waren aufgeschreckt und reagierten mit einer E-Mail- Lichterkette für die Erhaltung der KSK. Mehr als 3500 Mails kamen bis Ende der Woche zusammen. Panik oder eine nachvollziehbare Reaktion? Harro Bruns, Leiter der Künstlersozialkasse:

    Ich kann es voll und ganz nachvollziehen. Die Einladung zu dieser Sitzung der Kommission ist auch in meinen Augen etwas unglücklich formuliert. Sie hat auch dazu geführt, dass unsere Mitarbeiter am Montag und Dienstag dicht waren wegen der vielen Anrufe von besorgten Künstlern

    "Hände weg von der KSK!”, so ließ sich der Deutsche Journalistenverband vernehmen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di rief ihre Mitglieder zu E-Mail-Aktionen auf. Dazu meint Heinrich Bleicher-Nagelsmann, bei ver.di Leiter für den Bereich Kunst und Kultur:

    Wer zündelt, muss sich nicht wundern, wenn entsprechende Reaktionen kommen. Und ich hoffe, dass die Anhörung und die Diskussionen, die jetzt um die KSK stattfinden, deutlich machen, dass jene, die meinten, hier zu Lasten der Künstlerinnen und Künstler etwas ins Werk setzen zu können auf dem falschen Weg sind.

    Verärgert über die Aktionen der Gewerkschaften äußert sich Gitta Connemann, die Vorsitzende der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland”:

    Ich halte das für einen Ausdruck von Uniformiertheit und bedauere außerordentlich die Panik, die dadurch erzeugt worden ist. (38 ) Meine Kritik richtet sich auch nicht an diejenigen, die uns angemailt haben, da habe ich volles Verständnis dafür, aber meine Kritik richtet sich an die Verbände, die genau wussten um was es ging, die auch wussten, dass wir uns beschäftigen mit den strukturellen Problemen der KSK, und ich es von daher unverantwortlich finde, dass trotz dieses Wissens versucht wurde, da kurzfristig ein derartiges medienpolitisches Spektakel zu inszenieren.

    Von einer Abschaffung der KSK könne keine Rede sein, sie habe sich bewährt. Das stellten alle Mitglieder der Enquête-Kommission am Montag unter dem Eindruck der E-Mail-Welle unmissverständlich klar. Deutlich wurde in der anschließenden Experten-Anhörung aber auch, dass dringender Handlungsbedarf besteht, damit die Künstlersozialkasse nicht in finanzielle Schieflage gerät: Die soziale Lage der freien Journalisten und Künstler ist dramatisch schlecht. Im Durchschnitt kommen sie auf ein Jahreseinkommen von 11.000 €, Tendenz: seit Jahren sinkend. Dementsprechend zahlen sie immer weniger in die Künstlersozialkasse ein. Der Bund hat seinen Anteil am KSK-Budget auf 20% begrenzt. Die restlichen 30 % werden von den Verwertern aufgebracht, also den Medien- und Kulturunternehmen die auf freie Mitarbeiter zurückgreifen. Diese sogenannte Künstlersozialabgabe wird zum 1.1.2005 um 1,5 % auf 5,8% der Honorarhöhe für die freien Mitarbeiter ansteigen. Schon haben die Verwerter, darunter der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, lautstark hiergegen protestiert. Harro Bruns, Leiter der KSK, hat hierfür kein Verständnis.

    Ich habe meine Probleme, wenn in bestimmten Bereichen das Personal outgesourct wird und natürlich die Unternehmen gewaltige Kosteneinsparungen haben, dass dann umgekehrt bei einer Erhöhung der Künstlersozialabgabe dagegen heftig protestiert wird. Wenn man die Zahlen vergleicht, kommt man auch mit 5,8 Prozent sehr, sehr günstig weg.

    Auch Heinrich Bleicher-Nagelsmann von ver.di verwahrt sich gegen die Haltung der Verwerter.

    Sie wollen diesen Satz senken, was aber im Endeffekt wieder ein Griff in die Taschen der freiberuflich tätigen Künstlerinnen und Künstler ist. Es werden also auf der einen Seite niedrige Honorarsummen gezahlt und auf der anderen Seite will man weniger in die Pflichtversicherung einzahlen. Das ist der eigentliche Skandal.

    Verschiedene Wege sollen nun geprüft werden, um der KSK eine tragfähige finanzielle Basis zu verschaffen: Viele Unternehmen beschäftigen freie Künstler und Publizisten, zahlen aber keine Künstlersozialabgabe. Hier soll die Erfassung der Verwerter verbessert werden. Auf Seiten der Versicherten ist eine genauere Überprüfung geplant, ob Mitglieder wirklich publizistisch-künst-lerisch tätig sind. Die Enquête-Kommission "Kultur in Deutschland” wird die Vorschläge prüfen und dem Bundestag Vorschläge zur Reformierung der Künstlersozialkasse machen. Gitta Connemann:

    "Wir möchten nicht, dass die Künstlerinnen und Künstler uns in zehn Jahren den Vorwurf machen, den man heute der Politik hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung macht: Ihr habt es doch gewusst, dass es ein Problem gab. Weswegen habt ihr denn die Augen verschlossen und nicht gehandelt? Gerade das ist unsere Aufgabe, aber wohlgemerkt: zwecks Erhalt des Systems, nicht zwecks Abschaffnung.