Tiersprachen
Mit künstlicher Intelligenz Delfine verstehen

Entwicklungen mit künstlicher Intelligenz könnten bald Aufschluss darüber geben, wie Delfine und andere Tiere untereinander kommunizieren. Dafür muss die KI nicht die Wörter einer Sprache kennen, sondern nur deren Beziehungen zueinander.

    Eine Delfingruppe mit aufgerissenen Schnauzen in einer Bucht mit Mangrovenbäumen
    Künstliche Intelligenz soll sie entziffern: Delfine benutzen Pfeiftöne und schnelle, pulsierende Laute, um miteinander zu kommunizieren. (picture alliance / Zoonar / Bernd Bölsdorf)
    Menschen wollen schon immer mit Tieren sprechen. Einige sind überzeugt, dass sie wissen, was in ihrem Kater oder ihrer Hündin vorgeht. Andere gehen weiter und bringen ihnen eine unterstützte Kommunikation bei, für die die Haustiere mit der Pfote bestimmte Knöpfe drücken und vorgespeicherte Ausdrücke wie „spielen“ oder „hungrig“ ertönen.
    Bestimmte Tierarten untersuchen Forscher schon länger dazu, ob deren Laute und Geräusche mit einer Sprachfunktion zusammenhängen. So wie Delfine, die nach dem Menschen das zweitgrößte Gehirn im Verhältnis zu ihrer Körpergröße haben. Ihre Laute und kognitiven Fähigkeiten werden seit den 1970er-Jahren erforscht, auch wenn immer noch nicht geklärt ist, ob oder wie Delfine untereinander kommunizieren.
    Neben der Größe ihres Gehirns haben Delfine nämlich wie Menschenaffen und Elefanten die Fähigkeit, sich selbst im Spiegel zu erkennen und einen Sinn für das eigene „Ich“. Neue Fortschritte in der Forschung zu Künstlicher Intelligenz könnten dieses Rätsel nun lösen.

    Inhaltsverzeichnis

    Was wissen Forscher über die Kommunikation von Delfinen?

    „Wir müssen klar sagen, wir wissen nicht ob Tiere etwas haben, das menschlicher Sprache gleichkommt“, sagt Aza Raskin, Mitbegründer des „Earth Species Projekt“. Die Gründer der Non-Profit-Forschungsorganisation haben es zu ihrem Ziel erklärt, Künstliche Intelligenz in den Dienst von Verhaltensforschung und Naturschutz zu stellen – und letztendlich die Sprache von Tieren zu entschlüsseln.
    Mit dem Quietschen von Delfinen oder den Lauten von Affen kannte Raskin sich zunächst nicht aus. Er selbst ist IT-Experte, aufgewachsen im Silicon Valley. Die Idee zum ESP kam ihm durch einen Radiobeitrag. Durch seine Beschäftigung mit Tierkommunikation wurde er auch auf die Versuche des renommierten Delfinforschers Delfinforschers Louis Herman aufmerksam.
    An dem von ihm gegründeten Kewalo Basin Marine Mammal Laboratory in Honolulu unterrichteten Louis Herman und sein Team Delfine in einer künstlichen Sprache und brachten ihnen bei, Laute oder Handzeichen mit Gegenständen oder Aktionen zu verknüpfen. In einem Test signalisierte eine seiner Doktorandinnen zwei Delfinen: „Tut etwas, das ihr noch nie gezeigt habt“. Die Delfine tauchten ab, tauschten Laute aus und führten dann einen neuen Trick vor. Sie schienen ihn also verstanden und miteinander kommuniziert zu haben
    Grundsätzlich benutzen Delfine Pfeiftöne und schnelle, pulsierende Laute, um miteinander zu kommunizieren. Mit Klicklauten im Ultraschallbereich können sie Echoortung machen, also quasi unter Wasser sehen. Ein Großteil dieser Töne ist für menschliche Ohren nicht zu hören. Aber Delfine, die Erfahrung mit Menschen haben und Kontakt aufnehmen wollen, passen ihre Pfiffe so an, dass sie über Wasser gut hörbar sind.

    Kann Künstliche Intelligenz Sprachen entschlüsseln?

    2017 veröffentlichen gleich zwei Forschungsgruppen Entwicklungen, die etwas ermöglichten, was vorher nicht ging: Zwischen Sprachen zu übersetzen, ohne die Bedeutung der Wörter zu kennen, ohne ein Wörterbuch.
    Wie das funktioniert, erklärt IT-Experte Raskin. „Man fordert die KI auf, eine Gestalt zu bilden, die eine Sprache repräsentiert. Der technische Begriff heißt embedding space.“ Das könne man sich vorstellen wie eine sogenannte „N-dimensionale Galaxie“, also einen geometrischen Raum, in der jeder Stern für ein Wort steht. Wörter, die ähnliche Dinge bezeichnen, liegen nahe beieinander und Wörter, die in einem bedeutsamen Bezug zueinander stehen, bilden geometrische Formationen.
    So haben Sprachen ihre eigene dreidimensionale Form, in der beispielweise das Wort „Mann“ zum Begriff „König“ den gleichen Bezug hat wie „Frau“ zu „Königin“. Um diese Beziehungen zu berechnen, muss man die Bedeutung nicht kennen. Es ist reine Statistik in einer Datenmenge, die so groß ist, dass kein Mensch sie überblicken könnte, anders als ein Computer.

    Können Delfine sprechen?

    Dieser Frage waren schon in der Vergangenheit Untersuchungen mit Delfinen gewidmet. So bekam in den 1960er-Jahren der Delfin „Peter“ täglich Englisch-Unterricht. Er lernte schnell, die Intonation nachzuahmen, tat sich mit der genauen Aussprache aber schwer. Ein blubberndes Gurgeln war hier häufig zu hören, aber Wörter sinnvoll einzusetzen, lernte er nicht.
    Kritiker bemängeln an solchen Methoden, dass mit diesen Versuchen Tiere dazu gezwungen würden, sich in einer „Fremdsprache“ auszudrücken. Tiere zu beobachten, wie sie untereinander kommunizieren, solle eher Aufschluss über ihre tatsächlichen Fähigkeiten geben.
    Solch einen Ansatz verfolgt Vincent Janik von der University of St Andrews in Schottland. Der Professor für Meeresbiologie spielte mit seinem Forschungsteam Tieren Laute vor und beobachtete deren Reaktion. Sie wollten die Bedeutung der Laute verstehen und sich mit den Tieren austauschen. Tatsächlich fanden sie einen Futterlaut, den große Tümmler benutzen, besonders, wenn sie große Fische jagen. „Das bedeutet, es gibt bestimmte Laute, die wir auch verstehen und wo wir auch wissen, was die bedeuten.“

    Wie kann Künstliche Intelligenz die Kommunikation von Tieren entschlüsseln?

    Auch wenn die künstliche Intelligenz noch nicht so gut darin ist, die Tierkommunikation zu analysieren, kann sie die Masse an Daten, die mittlerweile zur den Tierlauten verfügbar sind, ordnen. Und sie systematisch nach Wiederholungen filtern.
    „Mit den neuen Methoden können wir das Feld revolutionieren“, meint Felix Effenberger. Der Mathematiker und Neurowissenschaftler ist einer der Wissenschaftler im wachsenden Team des „Earth Species Project“.  Derzeit ist das Team dabei, die Grundlagen für die prophezeite Revolution zu schaffen.
    Denn egal ob mit oder ohne KI: Bevor man einzelne "Wörter" in Tierlauten identifizieren kann, müssen zuerst die Daten vorbereitet sein: Ist das ein Tierlaut, oder ein Störgeräusch? Welches Individuum ist in einem durcheinander von Tierstimmen gerade zu hören? Im Moment sind das Probleme, die im wesentlichen menschliche Ohren und Augen lösen müssen. KI könnte das in kürzerer Zeit für viel mehr Daten erledigen. Aber die Modelle dafür müssen noch entwickelt werden.
    Andere Probleme sind schon gelöst: So kann Künstliche Intelligenz inzwischen nicht nur eine menschliche Sprache in eine andere oder in ein Bild übersetzen, sondern auch synthetische Sprache erzeugen oder Musiksequenzen vervollständigen.
    Solche Modelle können ein Ausgangspunkt sein, um neue Vogelgesänge oder andere Tierlaute zu produzieren. Die Sequenzen sind keine Kopie der echten Tierstimmen, sondern ein neue Lautfolge, die dem Muster, der inneren Logik des Originals, folgen.
    Spricht künstliche Intelligenz also Tiersprachen? „Technisch ist das durchaus möglich“, sagt der Mathematiker und Neurowissenschaftler Felix Effenberger. „Da können wir uns vielleicht nächstes Jahr noch mal drüber unterhalten und wir werden große Fortschritte gemacht haben. Das heißt aber nicht, dass wir verstehen, was das Modell sagt.“
    Künstliche Intelligenz kann also tierische oder menschliche Sprachen sprechen. Dazwischen muss aber immer noch übersetzt werden.