Künstliche Intelligenz
Der Stromhunger der KI

Die Anwendung von Künstlicher Intelligenz könnte Energieeffizienz und Klimaschutz voranbringen, verbraucht derzeit aber selbst enorm viel Energie. Kann der Stromverbrauch reduziert und KI damit nachhaltig werden?

    Abstrahiertes Bild: ein Mikroprozessor Chip Block in pinkem Licht
    Rechenzentren, über die Anwendungen zur Künstlichen Intelligenz laufen, verbrauchen enorme Mengen an Strom (imago / Westend61 / Javier Pardina)
    Künstliche Intelligenz erlebt weltweit einen Boom. Der globale Markt wird derzeit auf 140 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt, 2030* sollen es schon zwei Billionen Dollar sein. Der Energieverbrauch ist entsprechend enorm und wächst.
    Gleichzeitig wird KI oft als wirkungsmächtiges Instrument im Kampf gegen die Klimaerwärmung beworben. KI-Anwendungen sollen helfen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, beispielsweise durch eine effizientere Steuerung von Verkehr oder die automatisierte Kontrolle von Heizabläufen.

    Inhalt

    Wie viel Strom verbraucht KI Prognosen zufolge?

    Eines ist sicher: Rechenleistungen durch KI verbrauchen sehr viel Energie. Die Tendenz ist steigend, denn auch die Nachfrage wächst rasant. Doch wie viel genau, ist sehr schwer zu beziffern. Einerseits sind die Vorgänge um Rechenleistungen sehr komplex und hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise dem Standort eines Rechenzentrums. Zum anderen veröffentlichen viele Unternehmen ihre Zahlen zum Energieverbrauch und zu Rechenzentren nicht oder nicht vollständig.
    Derzeit verbrauchen Rechenzentren bereits bis zu 1,5 Prozent des weltweiten Strombedarfs. Bleibt der KI-Boom ungebrochen, so könnten sie im Jahr 2030 bereits 3,5 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs ausmachen, das zeigen Berechnungen des US-Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Gartner.
    Auch in Europa wird der Energieverbrauch von Rechenzentren für KI-Anwendungen und andere Digitalisierungsprojekte voraussichtlich ansteigen. Einer Prognose des Beratungsunternehmens McKinsey zufolge wird sich deren Strombedarf bis 2030 fast verdreifachen – auf 150 Terawattstunden. Das seien etwa fünf Prozent des gesamten europäischen Stromverbrauchs, so McKinsey & Company laut Pressemeldungen. Bislang seien es nur zwei Prozent.
    Dabei treiben nicht allein Server und Rechenzentren den Energieverbrauch rund um KI in die Höhe. Dazu gehören auch Kühlsysteme für Rechenzentren sowie die Industrie, die Chips produziert und Serverkapazitäten herstellt.

    Warum verbrauchen KI-Anwendungen soviel Energie?

    Zentral für den Verbrauch ist die Leistung in den Rechenzentren. KI-Rechenzentren sind weitaus leistungsfähiger als bisherige Rechenzentren. Zum Vergleich:
    Ein Server im sogenannten Serverschrank eines Rechenzentrums ist etwa für zehn bis fünfzehn Kilowatt Energieverbrauch ausgerüstet – so viel, wie benötigt wird, um ein Familienhaus zu beheizen. KI-Serverschränke für High-Performance-Computing brauchen jedoch 45 oder sogar 100 Kilowatt, also drei bis zehn Mal so viel. Ein weiterer Vergleich: Eine Anfrage von ChatGPT oder einer anderen generativen KI braucht im Durchschnitt etwa zehnmal mehr Energie als eine einfache Google-Suche.

    Training von KI ist besonders energieintensiv

    Besonders energieintensiv ist das Training der KI – ein aufwendiger und langer Prozess, bei dem viele Daten verarbeitet werden. Dafür werden meist sogenannte GPU-Chips verwendet, für die das Unternehmen Nvidia weltweit führend ist. Der Datenforscher Alex de Vries kam im Hinblick auf das Unternehmen bei seinen Berechnungen auf einen Verbrauch von 85,4 bis 134,0 Terawattstunden Strom – so viel verbrauchen Argentinien oder Schweden innerhalb eines Jahres.
    Dazu kommt, dass Rechenzentren sehr viel Energie für die Kühlung ihrer Server benötigen: laut der internationalen Energieagentur (IEA) 40 Prozent ihres Stroms für den Betrieb und ebenso viel für die Kühlung. KI-Anwendungen sind zudem so leistungsstark, dass sie oftmals zusätzlich mit Wasser gekühlt werden müssen. Auch durch die Fertigung von Chips entsteht ein hoher Wasserverbrauch.

    Welche Folgen haben KI-Anwendungen für Klima und Umwelt?

    Derzeit verursachen Rechenzentren für KI-Leistungen etwa zwei bis vier Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen. Prognostiziert wird, dass dieser Ausstoß neun Prozent pro Jahr wachsen wird. Dabei stammt ein Großteil des Stroms für Rechenzentren noch aus fossilen Brennstoffen, obwohl sich viele große Rechenzentrumsbetreiber wie Amazon (AWS), Microsoft und Google verpflichtet haben, ihre Anlagen mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Kürzlich erklärten Google und Microsoft jedoch, dass ihre Treibhausgas-Emissionen in den vergangenen Jahren weiter angestiegen seien. Google meldete eine Zunahme um 48 Prozent seit 2019, Microsoft um 30 Prozent seit 2020.
    Der wissenschaftliche Beirat für globale Umweltveränderung habe Digitalisierung und KI deswegen als „Brandbeschleuniger für die Klimakatastrophe“ bezeichnet, hebt Reiner Rehak, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft, hervor.
    Ein Problem ist auch der hohe Wasserverbrauch von Rechenzentren, der in bestimmten Regionen zu Wasserknappheit führen könnte. Daher gibt es häufig Widerstand gegen Rechenzentren – besonders durch Landwirte.

    Kann KI klimaneutral werden?

    Derzeit kommt der größte Anteil der Energie für Rechenzentren der Tech-Firmen aus fossilen Rohstoffen. Die großen Tech-Firmen werben jedoch damit, bald klimaneutral zu werden. So will AWS will bis 2040 klimaneutral arbeiten, Google und Microsoft wollen dieses Ziel bereits ab 2030, also zehn Jahre früher, erreichen. Doch ob diese Ziele auch umgesetzt werden, ist derzeit nicht zu beantworten.
    Überdies wollen die meisten der Tech-Unternehmen künftig Strom aus Atomkraft gewinnen. Eine umstrittene Technologie, die zwar das Klima schont, jedoch andere ungelöste Sicherheits- und Umweltprobleme mit sich bringt. Ab 2030 sollen dafür auch neuartige Reaktoren, sogenannte Small Modular Reactors (SMR), ans Netz gehen.
    Immerhin lässt sich der hohe Energieverbrauch reduzieren, wenn Rechenzentren in grundsätzlich kühlen oder kalten Regionen stehen, wie Alaska oder in skandinavischen Ländern. Bei einer Außentemperatur von unter zehn Grad braucht es deutlich weniger zusätzliche Kühlung.
    Auch gibt es Möglichkeiten an der Rechenleistung zu sparen, indem beispielsweise effizienter programmiert wird. Grundlagenforschung zu KI, die weniger datenhungrig ist, existiert bereits. Die zielt darauf ab, dass Berechnungen mit weniger Parametern und damit weniger Energieeinsatz gelingen können.

    Rechenzentren im All

    Ein EU-Forschungsprojekt geht einem anderen Weg nach: Rechenzentren im All. Eine im Auftrag der EU durchgeführte Studie von Thales Alenia Space hat gezeigt, dass es technisch, ökologisch und wirtschaftlich machbar ist, Rechenzentren in den Orbit zu schicken. Sie verbrauchen weniger Energie als Rechenzentren am Boden.
    In Deutschland verpflichtet das Energieeffizienzgesetz (veröffentlicht am 17. November 2023) zudem Rechenzentren zum Sparen oder Wiederverwerten von Energie. Das Gesetz verlangt von energieintensiven Unternehmen, Energie- oder Umweltmanagement-Systeme einzuführen. Umweltverbände kritisieren jedoch, dass nur die allergrößten Rechenzentren im Gesetz reguliert werden. Damit seien weniger als ein Prozent aller deutschen Rechenzentren zu Einsparmaßnahmen verpflichtet.

    Kann KI beim Kampf gegen den Klimawandel helfen?

    KI kann in vielen Anwendungen helfen, Emissionen einzusparen oder andere Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen. In der Landwirtschaft beispielsweise kann KI den Wasserverbrauch reduzieren, wenn Pflanzen durch KI-gesteuerte Systeme bedarfsgerecht und damit sehr sparsam gegossen werden. Auch in der Güterproduktion kann der Einsatz von KI dazu beitragen, Ressourcen zu sparen, wie auch beim Energieverbrauch durch Heizungen, durch Maschinen oder in der Lebensmittelproduktion. Diskutiert werden auch KI-Anwendungen zur effizienteren Steuerung von Verkehr.

    Experte: KI kann uns politische Entscheidungen nicht abnehmen

    Digitalexperte Rainer Rehak sieht den Anspruch, KI solle bei der Klimarettung helfen, dennoch grundsätzlich kritisch. Zunächst einmal müsse der KI-Einsatz selbst nachhaltig werden, so Rehak. Zudem könnten KI-Anwendungen politische und gesellschaftliche Entscheidungen nicht ersetzen, wie beispielsweise beim Straßenverkehr. Wenn eine KI diesen „optimal“ regulieren solle, müsse zunächst geklärt werden, was damit gemeint sei: Optimal für Radfahrer, Fußgänger, Pkws oder für Emissionsreduktionen?
    Die Vorstellung einer KI, die zu Nachhaltigkeit führt, entpolitisiere letztlich Probleme, die politisch und gesellschaftlich gelöst werden müssten, betont Rainer Rehak. Der Einsatz von KI könne weder die Debatten über Ziele ersetzen noch notwendige Entscheidungen etwa über Regulierungen, Veränderungen oder Verzicht treffen.
    So könne die KI-Nutzung im schlimmsten Fall sogar verhindern, dass die eigentlichen Ursachen der steigenden Treibhausgasemissionen angepackt würden, warnt Rehak – weil ihr Einsatz suggeriere, dass keine weitere Veränderung notwendig sei.

    cs
    *In einer früheren Textfassung wurden die falsche Jahreszahl genannt. Das haben wir korrigiert.