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Künstliche Intelligenz im Fußball
Wie Datenanalysen Profis unterstützen

Herzfrequenz, Schnelligkeit und Ballkontakt: Profi-Fußballer und ihre Leistungen werden permanent gemessen. Viele Fußballvereine wollen diese Daten nutzen, um das Training zu verbessern und setzen dafür auch auf technische Hilfe - von automatisierter Datenanalyse bis hin zu künstlicher Intelligenz.

Von Magdalena Schmude |
Gladbachs Lars Stindl (r.) kämpft gegen Werders Ömer Toprak um den Ball.
Gerade im Hochleistungsbereich geht es darum, jeden Spieler individuell genau richtig zu belasten. Genaue Datenanalysen können dabei helfen. (dpa / Carmen Jaspersen)
Marco Friedel befördert den Ball im Lauf mit dem linken Fuß ins Tor. 1:0 für Werder Bremen. Die Ostkurve tobt. Was man nicht sieht: Unter dem grün-weißen Trikot mit der Nummer 32 trägt der 23-jährige Abwehrspieler eine Messweste. Sensoren darin erfassen pro Sekunde bis zu 1.000 Datenpunkte, die anschließend helfen, seine Leistung während des Spiels zu analysieren.
"Also da werden Positionsdaten erfasst und daraus lässt sich halt ableiten, wohin ist jemand gelaufen. Da wird dann beispielsweise auch der Herzschlag gemessen. Da wird aber auch dann gemessen, in welchem Tempo, in welcher Beschleunigung tritt ein Spieler an oder bremst ein Spieler ab? Welcher Richtungswechsel gibt es? Das lässt natürlich interessante Rückschlüsse auf die Performance des Spielers zu."
Nico Hruby ist Chief Digital Officer bei Werder Bremen und damit auch für die Digitalisierung der Trainingssteuerung zuständig. Neben den automatisch mit Hilfe der Sensoren erfassten Werten geben die Spieler dafür täglich in einem Fragebogen an, wie fit sie sich körperlich fühlen, wie sie geschlafen oder was sie gegessen haben. In Kombination mit den Leistungswerten lassen sich so Muster erkennen. Um die Auswertung dieser Daten zu systematisieren hat der Verein zuletzt auch mit den Hochschulen in Bremen zusammengearbeitet. In einem Kooperationsprojekt bekamen Master-Studierende des Data Engineering-Studiengangs der Jacobs University Zugang zu einer Datenbank mit entsprechenden Werten der U23-Mannschaft. Die Aufgabe: Die Daten aufbereiten und sie nutzbar zu machen, um konkrete Fragen für die Trainingssteuerung zu beantworten. Für die Studierenden eine gute Möglichkeit, ihr theoretisches Wissen an Forschungsfragen aus der Praxis anzuwenden.
Eine weiße Roboterhand hat ihren Zeigefinger ausgestreckt.
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Daten liefern Informationen zur Belastung der Spieler

"Wie hoch hängt beispielsweise der Datenpunkt Herzfrequenz-Variabilität, was ein ganz wichtiger Punkt in der Trainingswissenschaft ist, wie hoch hängt der zum Beispiel mit der Gesamt-Workload zusammen, die ein Spieler während einer Trainingseinheit hat? Und daraus können dann unsere Athletik-Trainer Rückschlüsse ziehen und Empfehlungen ableiten, wie stark ein Spieler beispielsweise in der nächsten Trainingseinheit am nächsten Tag belastet werden sollte oder ob man vielleicht auch Spieler hat, die ein Stück weit geschont werden sollen."
Gerade im Hochleistungsbereich geht es darum, jeden Spieler individuell genau richtig zu belasten, um die maximale Leistungsfähigkeit zu erreichen, sagt Hruby. Und das, ohne zu starke Ermüdung und damit Verletzungen zu riskieren. Doch nicht nur für die kurzfristige Trainingssteuerung der Spieler können solche Datenanalysen helfen. Die Vereine hoffen auch auf neue Möglichkeiten bei der Suche nach besonders vielversprechenden Talenten Auch Werder Bremen.

Entwicklungsprognosen für Nachwuchs-Talente

"Das ist ja so ein Stückweit der heilige Gral, möglichst frühzeitig festzustellen: Wo entwickelt sich ein Talenten? Welche Parameter sind dabei entscheidend? Und wie wirken die sich auf die Entwicklung eines eines jungen Spielers aus? Und sich da näher anzunähern, um auf Basis der Informationen, die man hat, über einen Spieler möglichst spezifische Voraussagen auf eine zukünftige Entwicklung zu machen, das ist die große Kunst und an der arbeiten wir glaube ich alle auf dem Level."
Möglich wäre dann auch, die Werte eines jungen Spielers mit denen zu vergleichen, die bei einem jetzigen Topstar im Nachwuchsalter gemessen wurden. Benchmarking heißt das in der Branche. Viele Verein arbeiten daran. Und auch die Spieler haben den Wert der Daten für sich erkannt.
"Und es gibt inzwischen auch Spieler, die - Kevin De Bruyne ist und so ein ganz berühmtes Beispiel - in Vertragsverhandlungen dann eine umfangreiche Datenanalyse vorlegen und ihrem Gegenüber, der dann Sportdirektor oder Geschäftsführer im Sportbereich ist, eben anhand von Daten darlegen, welchen Wert sie für die Mannschaft haben und damit im Fall Kevin De Bruyne dann eine durchaus respektable Gehaltserhöhung durchgesetzt haben."

Datenanalyse bisher nur Ergänzung und noch kein Ersatz

Bei aller Aufbruchstimmung: Gerade die Möglichkeiten, um die Entwicklung von Nachwuchsspielern vorherzusagen, stehen noch am Anfang. Auf die Erfahrung des Trainerteams würde deshalb auch Nico Hruby nicht verzichten wollen.
"Trainer sind in meiner Wahrnehmung und in meiner Erfahrung sehr dankbar dafür, wenn sie zusätzliche Anhaltspunkte an die Hand bekommen, die ihre Entscheidungen absichern. Und dabei darf man die Daten nicht komplett außen vor lassen. Man darf aber auch das Bauchgefühl und den fußballerischen Sachverstand nicht komplett außen vor lassen. Aber wie gesagt, man muss sie optimal miteinander kombinieren. Dann hat man eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, dass man eine gute Entscheidung trifft."