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Kulinarische Seitenhiebe

Der Journalist und Kochbuchautor Wolfram Siebeck ist als scharfzüngiger Kritiker der deutschen Küchenkultur bekannt. Seit nahezu einem halben Jahrhundert schreibt er über Gastronomie, Kulinarik und Kochkultur. Es geht Siebeck dabei um nichts Geringeres, als den Deutschen ein wenig Nachhilfe in kulinarischen Fragen zu geben. Dieses Frühjahr erschien in der Heidelberger Edition Braus sein "Kochbuch der verpönten Küche" und vor wenigen Tagen sind seine "Seitenhiebe" erschienen, das sind Kolumnen aus dem Magazin "Der Feinschmecker".

Von Michael Köhler |
    Den meisten Teil des Jahres lebt Wolfram Siebeck in Südfrankreich. Einige Monate ist er aber auch in Südbaden, in der Nähe von Freiburg zu Hause.

    "Sehr oft fragen mich Leser, wie wird man Gastronomiekritiker. Da sage ich immer dasselbe: Erstens, sie müssen im Lotto gewinnen, dann müssen sie zwei Jahre lang nur durch die allerbesten europäischen Restaurants gehen und alles verfressen. Und wenn sie dann immer noch Appetit auf eine Bratwurst haben, fangen sie noch mal von vorne an!"
    Den Vorwurf, er sei elitär, kennt er. Aber das lässt ihn kalt. Eher legt er noch eins drauf und sagt: Ja, das wisse er. Und arrogant sei er auch. Das aber ist sein Rezept journalistischen Erfolgs, sich nämlich mit spitzer Feder für eine Verfeinerung der deutschen Küchenkultur einzusetzen. Denn bei deutscher Küche rümpfen viele immer noch die Nase.

    In die Wiege war ihm die Kulinarik nicht gelegt. Wolfram Siebeck wurde 1928 in Duisburg geboren, wuchs im Ruhrgebiet auf, erlebte den Zweiten Weltkrieg und studierte danach in Wuppertal Grafik.

    "Als Deutscher habe ich meine Sozialisierung erfahren erst nach dem Krieg. Im Krieg war ich noch Flakhelfer und Kriegsgefangner. Aber nach dem Krieg als diese Lawine von westlicher Kultur über uns hereinbrach, von der wir bis dahin abgeschnitten waren, von der wir nichts wussten. Diese Beeinflussung von der westlichen Kultur war für mich das Wichtigste und schönste Erlebnis in meinem Leben, das kann man wohl sagen."
    Wenn Siebeck ein Kartoffelpüree empfiehlt, dann kommen auf zwei Pfund Kartoffeln, durchaus schon mal ein Viertel Pfund Butter. Und das nennt er dann auch noch die Sparversion. Sein Kampf gilt den industriell vorgefertigten Produkten. Sein Ziel ist die Verbesserung der Qualitäten.

    Als junger Grafiker bekam er 1958 in der Zeitschrift "Twen" eine eigene kulinarische Kolumne. Das war vor fünfzig Jahren. Seither hat sich sein Name zum Synonym für Kolumnen über Küche und Kochen entwickelt. Er erinnert sich an die Anfänge bei seinem Redakteur bevor er zu einer Institution der Gastronomiekritik wurde.

    "Ja dann habe ich ein Rezept geschrieben, das war das erste mal, dass ich ein Rezept schrieb und zwar ganz anders als bis dato über Rezepte geschrieben wurde, nämlich wahnsinnig ausführlich. Und dann habe ich das Zweite und Dritte geschrieben. Ich fuhr ja immer nach Paris, das wusste er. Dann hat er gesagt, in Paris gibt es doch so ein tolles Restaurant, Maxims heißt das. Gehen sie doch mal hin und schreiben drüber, wie das so ist. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich ließ mir einen Vorschuss geben und ging ins Maxim."
    In seinen beiden jüngsten Büchern kann man ihn genauer kennen lernen. Zeituntypisch legt er sich für verpönte Speisen ins Zeug, nämlich für Innereien wie Hirn, Kutteln, Bries, Zunge und Nieren. Er habe dieses Kochbuch geschrieben, weil es ein Kochbuch sei, nach dem er "und viele Amateurköche vergeblich gesucht haben". Ganzseitige Fotos einer aufgeschnittenen Lammniere sind nicht für jedermann. Aber eine Ermutigung ist auch dieses Buch wieder. Immer geht es Siebeck in seien Kochbüchern zugleich auch um kulturelle Eigenheiten.

    Wie es sich für eine Nation gehört, die im Bewusstsein ihrer kulturellen Überlegenheit noch die ärmlichste Brotsuppe ihrer Vorfahren für Kochkunst hält, fühlt die deutsche sich vom Bösen unmittelbar bedroht. Das Böse in unseren Küchen hat einen Namen. Es heißt Kutteln. Der bei ihrer Erwähnung fällige Aufschrei des Ekels beweist den Grad der Voreingenommenheit, die wir den Essgewohnheiten der Fremden entgegenbringen. Dabei werden im Schwäbischen seit jeher Kutteln gegessen. allerdings in einer gemeinen, von mediokrem Essig bestimmten Billigversion.
    Ganz neu sind seine "Seitenhiebe", Kolumnen aus dem Magazin "Der Feinschmecker". Immer geht es Wolftram Siebeck auch um die Frage, warum die Deutschen auch in Küchenfragen eine verspätete Nation sind, kulinarische Nachzügler.

    "Genuss ist etwas, was in Deutschland immer als Sünde betrachtet wurde. Er teilt das Schicksal mit dem Wort Luxus. Beides sind für deutsche Begriffe Sünden, sind Schwächen des Volkes, der Nation. Eine Nation, die dem Genuss huldigt und den Luxus nicht verurteilt ist zum Untergang verurteilt. Das sind römische Zustände, das führt zu decadènce und was weiß ich. das ist so das gängige Vorurteil der Deutschen."
    Unverkennbar ist Siebecks Hang zur französischen Küche und eine gewisse Überheblichkeit im Ton. Genau das aber lässt Leser schmunzeln, nachahmen und auch lernen. Insofern ermutigt seine Ironie, sie schüchtert nicht ein. Deutscher Wein genießt inzwischen längst Weltgeltung und deutsche Küche hat sich in den letzten Jahren etabliert. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst von Wolfram Siebeck, der über Sonntage in deutschen Töpfen herrlich unkompliziert philosophieren kann.

    "Das Kochbuch der verpönten Küche"
    (Edition Braus, Heidelberg)

    "Siebecks Seitenhiebe"
    (Gräfe und Unzer Verlag, München)