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Kultur statt Pegida
Für ein weltoffenes und tolerantes Dresden

Dresden ist eine weltoffene und tolerante Stadt, das wollen Kultur- und Wissenschaftsorganisationen mit vielen Aktionen zeigen. Sie organisieren Festivals, Konzerte, Ausstellungen und Filme - eine Gegenbewegung zu den Pegida-Demonstrationen.

Von Iris Milde |
    Unter der Überschrift Kulturfestival für ein weltoffenes Dresden wurden in verschiedenen Stellen der Dresdner Innenstadt Container errichtet, in denen Kunst gezeigt wird. Hier an der Brühlschen Terrasse.
    Dresdner Initiativen aus Wissenschaft und Kultur machen sich für ein offenes und tolerantes Dresden stark. (imago / Sven Ellger)
    Mitten im historischen Zentrum von Dresden stehen quietschgelbe Container. Die Türen sind weit geöffnet, immer mehr Menschen bleiben stehen und lauschen gebannt der Puccini-Arie "O Mio babbino caro". Die Sängerin Nadja Mchantaf tritt normalerweise in der Semperoper auf. Heute singt sie auf der Straße für die gute Sache.
    "Weltoffenes Dresden" heißt das zweiwöchige Straßenfestival, das von Dresdner Kultur- und Wissenschaftsorganisationen wie der Semperoper, den Landesbühnen oder der Dresdner Hochschulmedizin, organisiert wurde. Christiane Mennicke-Schwarz vom Kunsthaus Dresden ist die Initiatorin: "Der Beweggrund war für alle eine ganz große – muss man schon fast sagen – Verzweiflung eigentlich –, Mitte Januar, als die Pegida-Bewegung immer mehr Anhänger fand, als die Situation gefühlt sich sehr stark zuspitzte in der Stadt. Für Menschen in der Kunst und auch in der Wissenschaft ist das natürlich einfach eine Katastrophe, weil da ein ganz großes Bewusstsein da ist, dass es uns und unseren jetzigen Stand der Kultur und Wissenschaft gar nicht geben würde, wenn wir uns abschotten würden.
    Initiativen aus Kultur und Wissenschaft für ein weltoffenes Dresden
    Binnen kürzester Zeit stellten die teilnehmenden Organisationen ein Programm zusammen, das sich sehen lassen kann. Theateraufführungen, hochkarätige Konzerte, Ausstellungen, Filme, Vorträge und Deutschkurse finden in den sechs gelben Containern im Stadtzentrum statt. Die teilnehmenden Institutionen wollten Pegida die öffentlichen Plätze nicht widerspruchslos überlassen. Zudem ist das erklärte Ziel, den Dialog zu suchen.
    Mennicke-Schwarz: "Aus den Institutionen rausziehen und mit der Kultur auf die Straße gehen. Ich glaube, das ist ein Zeichen, das die Menschen verstehen und wo man sich auch ein Stück weit auf Augenhöhe begibt."
    Laura und Luzia von der TU Dresden und der Kontaktgruppe Asyl sind zwei der vielen Ehrenamtlichen, die rund um die Uhr ansprechbar sind. In Container Nummer fünf schenken sie kostenlos warme Getränke aus. Gerade diskutieren sie mit einem Pakistani über Möglichkeiten der legalen Zuwanderung nach Deutschland.
    Laura: "Es ist ziemlich schön zu sehen, auch dass sich Touristen interessieren, die natürlich von den Dresdner Problemen mitbekommen haben, aber nicht wirklich eine Beziehung dazu haben, dann denen zu erzählen, was wirklich los ist."
    Ortswechsel. Auf der anderen Elbseite, im Szeneviertel Dresdner Neustadt, sind Sophie Logan und Robert Löbel, ausgerüstet mit Kamera und Aufnahmegerät, auf der Jagd nach Motiven und Geschichten. Löbel: "Die da?" – Logan: "Ja. Hallo, Guten Tag, wir machen gerade ein Fotoprojekt. Haben Sie vielleicht Lust zum Mitmachen?"
    "Humans of Dresden" zeigen persönliche Geschichten
    Sophie und Robert gehören zum Team von "Humans of Dresden" – Menschen in Dresden. Jeden Tag veröffentlichen sie das Foto eines Dresdners, dazu seine persönliche Geschichte oder einfach ein Statement. Über 3000 Menschen lesen die Einträge bereits regelmäßig. Vorbild sind die legendären "Humans of New York". Mit der amerikanischen Austauschschülerin Sophie Logan kam die Idee auch nach Dresden: "Zu Hause in den USA hatte ich ein 'Humans of Middlebury' gegründet und als ich nach Deutschland gekommen war, hatte ich die Idee, es noch einmal zu machen. Aber ich hatte gar kein Deutsch, als ich gekommen hier war."
    Sophie suchte sich Mitstreiter, und es war kein Zufall, dass "Humans of Dresden" schließlich im Januar gegründet wurden, als die Pegida-Demonstrationen ihren Höhepunkt erreichten, so Robert Löbel: "Dass man eben auch mal die andere Seite von Dresden zeigt. Dass Dresden eben in den Medien immer nur 'Pegida' und 'hinterweltlerisch' und 'ausländerfeindlich' ist, dass es eben auch andere Leute gibt, die man auch gern mal zeigen kann."
    Heute haben Sophie Logan und Robert Löbel Glück. Die meisten Angesprochenen lassen sich spontan in ein Gespräch verwickeln. Logan: "Und sind Sie zurück nach Syrien gegangen?" – "Ja, Anfang der 90er Jahre war ich dort ein Jahr. Und da habe ich als Hochschullehrer dort gearbeitet und dann bin ich zurückgekommen und dann bin ich hier geblieben." – Löbel: "Haben Sie noch irgendwelche Beziehungen zu Syrien?" – "Ich habe noch einige Geschwister, die in Syrien leben, und der Rest ist in Libanon, Türkei, Schweden. Sind alle geflüchtet."
    Eine Erzieherin erzählt von den glücklichsten Momenten ihres Lebens, ein Punk ist an diesem Montagabend auf dem Weg zur Gegendemo. Die Geschichten sind mal erheiternd, mal ergreifend, mal belanglos. Aber sie geben Dresden viele Gesichter und jeden Tag ein neues.