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Kulturdebatten abseits des Feuilletons
Misogynie in der Kulturkritik

Machtstrukturen definieren, was gut und schlecht ist. Der Blick auf Werke von Frauen ist ein anderer als der auf Werke von Männern. Werden frauenfeindliche Muster deutlich? "Das Problem ist eine historisch gewachsene männliche Kritiker-Tradition", sagte die Schriftstellerin Antonia Baum im Dlf.

Antonia Baum im Gespräch mit Ina Plodroch |
Ein Stapel neuer Bücher liegt auf einem Verkaufstisch in einer Buchhandlung
Werden Bücher von Frauen anders besprochen als Bücher von Männern? (picture alliance/dpa | Frank Rumpenhorst)
Misogynie - Frauenfeindlichkeit - stellt Antonia Baum fest, seit sie vor über zehn Jahren begann, öffentlich zu schreiben. Diese Misogynie sei immer noch da. Ihre Kollegin Nicole Seifert habe in ihrem Artikel "Schweig Autorin" am Beispiel von jüngeren Rezensionen gezeigt, wie aktuell das Thema immer noch sei.
"Das Problem ist eine historisch gewachsene männliche Kritiker-Tradition", so Antonia Baum. Kritiker, die keine Ahnung von sogenannter weiblicher Schreibtradition hätten und die sich naturgemäß für Themen interessierten, die sie selbst beschreiben: "Tendenziell ältere, weiße, heterosexuelle Männer schreiben über tendenziell ältere, weiße, heterosexuelle Männer, die die Probleme von tendenziell älteren, weißen, heterosexuellen Männer beschreiben". Die Studie "Frauen zählen" aus dem Jahr 2018 belege das: Männer würden in den Feuilletons häufiger und ausführlicher besprochen und zwar von Männern. Zwei Drittel der Rezensionen sind nach dieser Studie von Männern verfasst worden.

"Die Frauen bleiben in der Frauenecke"

Die Schriftstellerin und Autorin schildert die Praxis aus den Redaktionen: Man säße zusammen und allen falle auf, dass wieder mal Männer die Zeitung vollgeschrieben haben, und dass es dabei oft um Männer ging. Dann würde konstatiert, dass dies anders werden muss und beim nächsten Mal werde festgestellt, dass es schon wieder genauso sei. "Dabei ist dieser wiederkehrende Vorgang, was den kausalen Zusammenhang angeht, nicht viel komplizierter als: "Wenn es regnet wird es nass". Wenn da - aus übrigens gut erklärbaren Gründen - überwiegend Männer säßen, dann schrieben auch überwiegend Männer die Zeitungen voll und das schlage sich natürlich auch in der Themenauswahl und der Perspektive nieder.
Der etwas hilflose Versuch dagegen zu steuern, sieht für Antonia Baum dann häufig so aus: "Es werden Texte mit riesigen Fotos von am besten schönen Frauen platziert, über die dann Frauen schreiben". Das führe zu einer Zweiteilung: "die seriöse Hochliteratur, traditionsgemäß von Männern verfasst, wird von Männern ge- und beschrieben. Die Frauen bleiben in der Frauenecke". An der sei toll, dass sie hübsch anzusehen sei.

Das Aussehen einer Autorin spielt immer wieder eine Rolle

Als Antonia Baum zum Bachmannpreis zum Vorlesen eingeladen wurde, wurde während des Jury-Gesprächs von einem der Juroren insinuiert, sie sei nur eingeladen worden, weil der Juror, der sie eingeladen hatte, in sie verliebt sei. Ein Kritiker habe ihren ersten Roman bei der FAZ extrem verrissen. Der Roman sei das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt worden sei.
"Er hat auch mich verrissen, sozusagen körperlich". Über dem Text habe sich große Nahaufnahme ihres Gesichts befunden. Das verwiese auf eine klassische, sehr alte Geschichte: "Dass Frauenkunst ohne den Frauenkörper einfach nicht denkbar ist." Wenn Frauen schrieben, dann läge immer auch ihr Körper zwischen zwei Buchdeckeln. Antonia Baum sei auch vorgeworfen worden, was Schriftstellerinnen regelmäßig und schon immer vorgeworfen werde: Was sie schreiben sei banal, naiv, narzisstisch, dilettantisch. Auch Kritikerinnen würden Schriftstellerinnen das vorwerfen. Internalisierte Misogynie könne man das nennen.

"Blogseiten sind diverser"

Die Botschaft des Verisses sei gewesen: "Was maßt du dir da eigentlich an, was fällt dir ein, uns hier oben mit solchem Schund zu behelligen, du dummes, kleines Mädchen. Und das hatte ich, das hätten viele Frauen natürlich schon häufiger gehört."
Als Jurorin des Buchblog-Awards habe sie Buchblogs angesehen, auf Instagram, klassische Blogseiten oder auch Podcasts. Es sei positiv, dass sich dort von anderen Menschen mit Literatur auseinandergesetzt wird, dass es diverser und inklusiver sein kann. "Die Textformen sind die gleichen, aber sie sind nicht von älteren, tendenziell weißen, heterosexuellen Männern verfasst."