Kruszyniany – ein polnisches Dorf in der Nähe der weißrussischen Grenze. Der Ort ist geprägt von farbig angestrichenen Holzhäusern, einer kleinen grünen Moschee und einem reich verzierten tatarischen Jurtenzelt, der Yurta Tatarska.
Das Zelt gehört zum Landgasthaus von Dzenneta Bogdanowicz, einer resoluten Mitvierzigerin tatarischer Herkunft.
"Wir haben die Tradition erfolgreich weitergeleitet an unsere Kinder, unsere Älteste, die Jamila, hat auch einen Tataren geheiratet und sie werden demnächst Nachwuchs haben. Eine gute Entwicklung. Vor zwei Jahren hatten wir hier zehn tatarische Ehen in der Gegend und jetzt wundern sich die Leute, die hierher kommen und uns entdecken, dass es in dieser Gegend noch Tataren gibt. Wie sie sehen: Ja, es gibt sie tatsächlich."
Ursprünglich kamen die asiatischen Tataren Ende des 17. Jahrhunderts nach Polen, als Söldner, um für den damaligen polnischen König zu kämpfen. Doch der hatte kein Geld, um sie zu entlohnen und schenkte ihnen deshalb Land. So blieben sie, heirateten einheimische Frauen und erzogen ihre Kinder nach den Gesetzen des Islam. Heute gibt es noch etwa 2000 Tataren in Polen, die meisten leben allerdings in den großen Städten. Dzennetta Bogdanovicz’ Yurta Tatarska in Kruszyniany zieht viele Touristen an. Auch Prince Charles war schon mal da, darauf ist sie besonders stolz. Ihr Restaurant hat sie mit reichlich tatarischer Folklore ausgestattet: Von Pluderhosen und bestickten Mänteln bis zur grobledernen
Reitertasche und Pfeil und Bogen. Die Gäste sitzen an langen Tischen und werden mit aufwändigen tatarischen Spezialitäten verwöhnt: Kartoffelkloß mit Rindfleischfüllung in Brühe, oder Pierekaczewnik, das besteht aus dünn ausgerolltem Teig, auf den Butter geschmiert wird, dann eine Schicht Rind oder Truthahn gelegt, dann wieder Teig darauf. Das Ganze wird gerollt und wie ein Kuchen gebacken. Serviert wird es mit Salat und Knoblauchsoße. Köstlich, aber mächtig.
"Falls die Portionen zu groß waren, bringe ich was zum Einpacken. Jetzt könnt ihr alles das nicht essen, aber vielleicht später. Es wäre doch zu schade, es wegzuschmeißen."
Im Sommer organisiert Dzenneta Bogdanowicz hier regelmäßig ein tatarisches Kulturfestival, zu dem bis zu 6000 Gäste kommen. In Kruszyniany sind die Tataren mittlerweile in der Minderheit. Aber einige haben sich hier ein Sommerhäuschen zugelegt. Und am Ortsrand im Wald befindet sich der alte tatarische Friedhof mit über 400 Grabstätten, das erste Grab stammt aus dem Jahr 1699. Auch heute noch wollen fast alle polnischen Tataren hier begraben werden, mit dem Kopf Richtung Mekka.
Dzembil Cembicki führt über den Friedhof. Der 37-jährige Elektrotechniker, der fast schon mongolisch aussieht, arbeitet in Bialystock, kümmert sich aber um die tatarischen Belange in Kruszyniany. Es gehe hier alles sehr tolerant zu, sagt er, die Tataren seien in Polen voll akzeptiert.
"Wir Tataren hier in Polen und Litauen werden nicht für etwas Fremdes gehalten. Niemand sagt: Du bist ein Muslim, wir sind einfach Tataren. Wir haben nie etwas Schlechtes getan, haben Polen immer verteidigt. Unser Islam ist offen und tolerant. Das hat nichts mit der arabischen Einwanderungswelle zu tun. In Warschau will eine arabische muslimische Liga eine Moschee bauen. Die Genehmigung ist da, aber die Leute protestieren aus Angst. Sie haben auf ihren Plakaten stehen: 'Tataren ja, Islamische Liga nein.'"
Die kleine Holz-Moschee in Kruszyniany sieht eigentlich von außen aus wie eine orthodoxe Kirche, nur dass sie auf ihren drei Türmen statt Kreuzen drei goldene Halbmonde trägt. Innen hat sie etwas von einer getäfelten finnischen Sauna, der Boden dabei ausgelegt mit prächtigen Teppichen, an den Wänden Bilder von Mekka. Der Muezzin ruft hier nur an besonderen Festtagen. Auch darin sind die Tataren polonisiert, genauso wie bei ihren Namen:
"Die Nachnamen klingen alle sehr polnisch: Jacinksi Polschaski, aber es gibt auch typisch tatarische, Ahmed. Und die Vornamen sind alle islamisch oder aus dem Alten Testament, wie Adam, Eva, David, Jossef , Jussef, Mustafa, Stefan."
Nicht nur Tataren wohnen in dieser Gegend im Nordosten Polens, sondern auch viele Weißrussen. Die Grenze zu Weißrussland ist nicht weit, das sieht man an den kilometerlangen Schlangen auf der Autobahn. Drei Tage Wartezeit sind hier normal. Der 75-jährige Schriftsteller Sokrat Janowicz lebt in Krynki nahe der Grenze. Seine Küche mit dem alten Kachelofen und dem Holztisch ist eines der Zentren der belorussischen Kultur in Polen.
In Janowisz’ Häuschen stapeln sich Zeitschriften, Bücher und auch Musik-CDs von Weißrussen, die in Polen leben. Unter anderem gibt er die Zeitschrift "Annus Albaruthenicus" heraus, eine Jahreszeitschrift für Europa, die sich mit weißrussischer Kultur und Politik beschäftigt. Er freut sich über das steigende Interesse der jungen Generation an ihren Wurzeln.
"Es ist interessant dass das weißrussische Identitätsgefühl wieder auflebt, besonders bei jungen Menschen, bei Studenten und Intellektuellen, ihren Eltern hingegen fehlt die weißrussische Identität. Wir haben mit dem gleichen Phänomen zu tun, das wir in Irland beobachten, dass die jungen Leute nicht mehr englisch sprechen wollen, sondern die keltische Sprache pflegen."
Die Multikulturalität der Region Podlachien hat auch Orte wie Suprasl geprägt. In der ehemaligen Prachtvilla eines deutschen Textilunternehmers ist jetzt ein Internat für künstlerisch begabte Schüler untergebracht. Am Ortsrand zieht das frisch restaurierte orthodoxe Kloster aus dem 16. Jahrhundert die Besucher an. Die deutschen Truppen hatten die Klosterkirche 1944 zerstört, die kommunistische polnische Regierung die Gebäude als Landwirtschaftsakademie genutzt. Jetzt ist es wieder ein Kloster und beherbergt außerdem ein Ikonenmuseum mit Fresken aus dem 16. und über eintausend fast ausschließlich russischen Ikonen aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert. Die werden in den Gewölben des Museums multimedial so richtig in Szene gesetzt: In den weißgekalkten Nischen werden die Ikonen mit wechselnden bunten Lichter ausgeleuchtet während die religiösen Gesänge die entsprechende Stimmung erzeugen.
Museumsführer Piotr Sawicki ist Kunstgeschichtler aus Bialystock. Er erklärt nicht nur wie die Ikonen gefertigt wurden und was sie bedeuten, sondern auch wie das Museum an sie gekommen ist.
"Die meisten Ikonen wurden uns von den Zollbehörden übergeben, sie wurden an der Grenze beschlagnahmt, als russische Staatsbürger versucht haben, sie nach Polen einzuschmuggeln. So ist unsere Sammlung entstanden."
Die 90er-Jahre waren dabei die ergiebigsten Jahre. Seltsam, dass das Museum sie einfach behalten darf.
"Niemand hat uns je nach diesen Ikonen gefragt. Aber diese Quelle trocknet jetzt aus. 2010 haben wir keine einzige Ikone dazu bekommen, während es im Jahr davor noch 20 Stück waren."
Die Provinzhauptstadt Podlachiens, Bialystock, ist nur 20 Minuten von Suprasl entfernt. Hier steht die größte orthodoxe Kirche Polens, es gibt eine sehr lebendige orthodoxe Gemeinde. Früher auch einmal eine Jüdische: Vor dem zweiten Weltkrieg und der deutschen Besatzung waren über 70 Prozent der Einwohner Bialystocks jüdischen Glaubens. Die Stadt war eines der Zentren der osteuropäischen Juden. Heute gibt es fast keine mehr in der Stadt. Die größte Synagoge haben die Nazis damals niedergebrannt, mit fast 2000 Menschen darin. Daran erinnert jetzt eine Metallkuppel inmitten einer Plattenbausiedlung. Einige hundert Meter weiter treffen sich die Jugendlichen von Bialystock im Esperanto-Café. Es ist in einem Gebäude in der Mitte des Markplatzes. Sie trinken Bier, essen Kartoffelkuchen und reden.
Dass das zentrale Café am Marktplatz Esperanto-Café heißt, ist kein Zufall. Schließlich hat Ludwig Zamenhoff in Bialystock gelebt, der Erfinder der Kunstsprache Esperanto, die die Völker miteinander verbinden sollte. Ihm sind ein steinernes Denkmal und ein kleines Museum gewidmet. Die berühmteste Sehenswürdigkeit von Bialystock aber ist das barocke Branicki-Schloss. Das wird von der medizinischen Fakultät genutzt. Gerade stimmt sich ihr Chor auf ein abendliches Konzert ein.
Wegen seiner im Rokoko-Stil angelegten Gärten wird das Branicki-Schloss auch "polnisches Versailles" genannt. Die Gartenanlagen wurden mit EU-Geldern restauriert, wie überhaupt viel Geld aus Brüssel in die Region Podlachien fließt.
Und Podlachien hat das auch bitter nötig.
""Die Region hat sich im Vergleich zu Westpolen viel langsamer entwickelt nach dem Zweiten Weltkrieg und wird bis heute von einigen 'Polen B' genannt, also ein schlechteres Polen als 'Polen A', also westlich von der Weichsel, das sich besser entwickelt. Und wir versuchen dagegen zu kämpfen. Bialystock entwickelt sich ganz schnell, es werden viele, auch europäische Mittel investiert, dass die Stadt schöner aussieht, aber dass hier auch mehrere Arbeitsplätze entstehen, so dass wir einfach nicht mehr 'Polen B' genannt werden","
sagt Stadtführerin Katarzyna Pierwienis-Laskowska. Doch Bialystock ist bis auf ein paar attraktive Ecken wie den Markplatz und das Schloss, keine besonders schöne Stadt. Zu sehr dominieren hier die Plattenbauten aus sozialistischer Zeit. Zum Ausgleich für dieses Manko gibt es ein paar kulturelle Highlights: Zum Beispiel das Puppentheater. Es ist weit über die Grenzen Polens hinaus bekannt. Hier werden auch Puppenspieler ausgebildet. Im Keller des neu gebauten Theaters ist ein ganzes Arsenal von Marionetten untergebracht, im ersten Stock wird gespielt. Zum Beispiel das Stück "Sklepy Cynamonowe" – "Die Zimtläden" - heute für eine polnische Schulklasse:
Bialystock und die Region Podlachien versuchen mit Kultur und Natur zu punkten und Touristen anzulocken. Das Logo der Region zeigt ein aus vielen bunten Miniquadraten zusammengesetztes Wisent. Die verschiedenen Farben stehen für das multi-ethnische Podlachien, der Wisent für die unberührte Natur. Und davon gibt es reichlich am nordöstlichen Ende Polens: Ausgedehnte Sumpfgebiete, zahlreiche Seen und Flüsse, endlose Wälder, Feuchtwiesen und Torfmoore.
Einer der vier Nationalparks Podlachiens, er heißt Bialowieza, beherbergt den letzten Urwald Europas und die einzigen frei lebenden Wisente, etwa 60 an der Zahl. Nicht von ungefähr wird Podlachien auch als die "grüne Lunge" Polens bezeichnet.
Jedenfalls von denjenigen, die es kennen und schätzen gelernt haben, und die werden immer mehr.
Das Zelt gehört zum Landgasthaus von Dzenneta Bogdanowicz, einer resoluten Mitvierzigerin tatarischer Herkunft.
"Wir haben die Tradition erfolgreich weitergeleitet an unsere Kinder, unsere Älteste, die Jamila, hat auch einen Tataren geheiratet und sie werden demnächst Nachwuchs haben. Eine gute Entwicklung. Vor zwei Jahren hatten wir hier zehn tatarische Ehen in der Gegend und jetzt wundern sich die Leute, die hierher kommen und uns entdecken, dass es in dieser Gegend noch Tataren gibt. Wie sie sehen: Ja, es gibt sie tatsächlich."
Ursprünglich kamen die asiatischen Tataren Ende des 17. Jahrhunderts nach Polen, als Söldner, um für den damaligen polnischen König zu kämpfen. Doch der hatte kein Geld, um sie zu entlohnen und schenkte ihnen deshalb Land. So blieben sie, heirateten einheimische Frauen und erzogen ihre Kinder nach den Gesetzen des Islam. Heute gibt es noch etwa 2000 Tataren in Polen, die meisten leben allerdings in den großen Städten. Dzennetta Bogdanovicz’ Yurta Tatarska in Kruszyniany zieht viele Touristen an. Auch Prince Charles war schon mal da, darauf ist sie besonders stolz. Ihr Restaurant hat sie mit reichlich tatarischer Folklore ausgestattet: Von Pluderhosen und bestickten Mänteln bis zur grobledernen
Reitertasche und Pfeil und Bogen. Die Gäste sitzen an langen Tischen und werden mit aufwändigen tatarischen Spezialitäten verwöhnt: Kartoffelkloß mit Rindfleischfüllung in Brühe, oder Pierekaczewnik, das besteht aus dünn ausgerolltem Teig, auf den Butter geschmiert wird, dann eine Schicht Rind oder Truthahn gelegt, dann wieder Teig darauf. Das Ganze wird gerollt und wie ein Kuchen gebacken. Serviert wird es mit Salat und Knoblauchsoße. Köstlich, aber mächtig.
"Falls die Portionen zu groß waren, bringe ich was zum Einpacken. Jetzt könnt ihr alles das nicht essen, aber vielleicht später. Es wäre doch zu schade, es wegzuschmeißen."
Im Sommer organisiert Dzenneta Bogdanowicz hier regelmäßig ein tatarisches Kulturfestival, zu dem bis zu 6000 Gäste kommen. In Kruszyniany sind die Tataren mittlerweile in der Minderheit. Aber einige haben sich hier ein Sommerhäuschen zugelegt. Und am Ortsrand im Wald befindet sich der alte tatarische Friedhof mit über 400 Grabstätten, das erste Grab stammt aus dem Jahr 1699. Auch heute noch wollen fast alle polnischen Tataren hier begraben werden, mit dem Kopf Richtung Mekka.
Dzembil Cembicki führt über den Friedhof. Der 37-jährige Elektrotechniker, der fast schon mongolisch aussieht, arbeitet in Bialystock, kümmert sich aber um die tatarischen Belange in Kruszyniany. Es gehe hier alles sehr tolerant zu, sagt er, die Tataren seien in Polen voll akzeptiert.
"Wir Tataren hier in Polen und Litauen werden nicht für etwas Fremdes gehalten. Niemand sagt: Du bist ein Muslim, wir sind einfach Tataren. Wir haben nie etwas Schlechtes getan, haben Polen immer verteidigt. Unser Islam ist offen und tolerant. Das hat nichts mit der arabischen Einwanderungswelle zu tun. In Warschau will eine arabische muslimische Liga eine Moschee bauen. Die Genehmigung ist da, aber die Leute protestieren aus Angst. Sie haben auf ihren Plakaten stehen: 'Tataren ja, Islamische Liga nein.'"
Die kleine Holz-Moschee in Kruszyniany sieht eigentlich von außen aus wie eine orthodoxe Kirche, nur dass sie auf ihren drei Türmen statt Kreuzen drei goldene Halbmonde trägt. Innen hat sie etwas von einer getäfelten finnischen Sauna, der Boden dabei ausgelegt mit prächtigen Teppichen, an den Wänden Bilder von Mekka. Der Muezzin ruft hier nur an besonderen Festtagen. Auch darin sind die Tataren polonisiert, genauso wie bei ihren Namen:
"Die Nachnamen klingen alle sehr polnisch: Jacinksi Polschaski, aber es gibt auch typisch tatarische, Ahmed. Und die Vornamen sind alle islamisch oder aus dem Alten Testament, wie Adam, Eva, David, Jossef , Jussef, Mustafa, Stefan."
Nicht nur Tataren wohnen in dieser Gegend im Nordosten Polens, sondern auch viele Weißrussen. Die Grenze zu Weißrussland ist nicht weit, das sieht man an den kilometerlangen Schlangen auf der Autobahn. Drei Tage Wartezeit sind hier normal. Der 75-jährige Schriftsteller Sokrat Janowicz lebt in Krynki nahe der Grenze. Seine Küche mit dem alten Kachelofen und dem Holztisch ist eines der Zentren der belorussischen Kultur in Polen.
In Janowisz’ Häuschen stapeln sich Zeitschriften, Bücher und auch Musik-CDs von Weißrussen, die in Polen leben. Unter anderem gibt er die Zeitschrift "Annus Albaruthenicus" heraus, eine Jahreszeitschrift für Europa, die sich mit weißrussischer Kultur und Politik beschäftigt. Er freut sich über das steigende Interesse der jungen Generation an ihren Wurzeln.
"Es ist interessant dass das weißrussische Identitätsgefühl wieder auflebt, besonders bei jungen Menschen, bei Studenten und Intellektuellen, ihren Eltern hingegen fehlt die weißrussische Identität. Wir haben mit dem gleichen Phänomen zu tun, das wir in Irland beobachten, dass die jungen Leute nicht mehr englisch sprechen wollen, sondern die keltische Sprache pflegen."
Die Multikulturalität der Region Podlachien hat auch Orte wie Suprasl geprägt. In der ehemaligen Prachtvilla eines deutschen Textilunternehmers ist jetzt ein Internat für künstlerisch begabte Schüler untergebracht. Am Ortsrand zieht das frisch restaurierte orthodoxe Kloster aus dem 16. Jahrhundert die Besucher an. Die deutschen Truppen hatten die Klosterkirche 1944 zerstört, die kommunistische polnische Regierung die Gebäude als Landwirtschaftsakademie genutzt. Jetzt ist es wieder ein Kloster und beherbergt außerdem ein Ikonenmuseum mit Fresken aus dem 16. und über eintausend fast ausschließlich russischen Ikonen aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert. Die werden in den Gewölben des Museums multimedial so richtig in Szene gesetzt: In den weißgekalkten Nischen werden die Ikonen mit wechselnden bunten Lichter ausgeleuchtet während die religiösen Gesänge die entsprechende Stimmung erzeugen.
Museumsführer Piotr Sawicki ist Kunstgeschichtler aus Bialystock. Er erklärt nicht nur wie die Ikonen gefertigt wurden und was sie bedeuten, sondern auch wie das Museum an sie gekommen ist.
"Die meisten Ikonen wurden uns von den Zollbehörden übergeben, sie wurden an der Grenze beschlagnahmt, als russische Staatsbürger versucht haben, sie nach Polen einzuschmuggeln. So ist unsere Sammlung entstanden."
Die 90er-Jahre waren dabei die ergiebigsten Jahre. Seltsam, dass das Museum sie einfach behalten darf.
"Niemand hat uns je nach diesen Ikonen gefragt. Aber diese Quelle trocknet jetzt aus. 2010 haben wir keine einzige Ikone dazu bekommen, während es im Jahr davor noch 20 Stück waren."
Die Provinzhauptstadt Podlachiens, Bialystock, ist nur 20 Minuten von Suprasl entfernt. Hier steht die größte orthodoxe Kirche Polens, es gibt eine sehr lebendige orthodoxe Gemeinde. Früher auch einmal eine Jüdische: Vor dem zweiten Weltkrieg und der deutschen Besatzung waren über 70 Prozent der Einwohner Bialystocks jüdischen Glaubens. Die Stadt war eines der Zentren der osteuropäischen Juden. Heute gibt es fast keine mehr in der Stadt. Die größte Synagoge haben die Nazis damals niedergebrannt, mit fast 2000 Menschen darin. Daran erinnert jetzt eine Metallkuppel inmitten einer Plattenbausiedlung. Einige hundert Meter weiter treffen sich die Jugendlichen von Bialystock im Esperanto-Café. Es ist in einem Gebäude in der Mitte des Markplatzes. Sie trinken Bier, essen Kartoffelkuchen und reden.
Dass das zentrale Café am Marktplatz Esperanto-Café heißt, ist kein Zufall. Schließlich hat Ludwig Zamenhoff in Bialystock gelebt, der Erfinder der Kunstsprache Esperanto, die die Völker miteinander verbinden sollte. Ihm sind ein steinernes Denkmal und ein kleines Museum gewidmet. Die berühmteste Sehenswürdigkeit von Bialystock aber ist das barocke Branicki-Schloss. Das wird von der medizinischen Fakultät genutzt. Gerade stimmt sich ihr Chor auf ein abendliches Konzert ein.
Wegen seiner im Rokoko-Stil angelegten Gärten wird das Branicki-Schloss auch "polnisches Versailles" genannt. Die Gartenanlagen wurden mit EU-Geldern restauriert, wie überhaupt viel Geld aus Brüssel in die Region Podlachien fließt.
Und Podlachien hat das auch bitter nötig.
""Die Region hat sich im Vergleich zu Westpolen viel langsamer entwickelt nach dem Zweiten Weltkrieg und wird bis heute von einigen 'Polen B' genannt, also ein schlechteres Polen als 'Polen A', also westlich von der Weichsel, das sich besser entwickelt. Und wir versuchen dagegen zu kämpfen. Bialystock entwickelt sich ganz schnell, es werden viele, auch europäische Mittel investiert, dass die Stadt schöner aussieht, aber dass hier auch mehrere Arbeitsplätze entstehen, so dass wir einfach nicht mehr 'Polen B' genannt werden","
sagt Stadtführerin Katarzyna Pierwienis-Laskowska. Doch Bialystock ist bis auf ein paar attraktive Ecken wie den Markplatz und das Schloss, keine besonders schöne Stadt. Zu sehr dominieren hier die Plattenbauten aus sozialistischer Zeit. Zum Ausgleich für dieses Manko gibt es ein paar kulturelle Highlights: Zum Beispiel das Puppentheater. Es ist weit über die Grenzen Polens hinaus bekannt. Hier werden auch Puppenspieler ausgebildet. Im Keller des neu gebauten Theaters ist ein ganzes Arsenal von Marionetten untergebracht, im ersten Stock wird gespielt. Zum Beispiel das Stück "Sklepy Cynamonowe" – "Die Zimtläden" - heute für eine polnische Schulklasse:
Bialystock und die Region Podlachien versuchen mit Kultur und Natur zu punkten und Touristen anzulocken. Das Logo der Region zeigt ein aus vielen bunten Miniquadraten zusammengesetztes Wisent. Die verschiedenen Farben stehen für das multi-ethnische Podlachien, der Wisent für die unberührte Natur. Und davon gibt es reichlich am nordöstlichen Ende Polens: Ausgedehnte Sumpfgebiete, zahlreiche Seen und Flüsse, endlose Wälder, Feuchtwiesen und Torfmoore.
Einer der vier Nationalparks Podlachiens, er heißt Bialowieza, beherbergt den letzten Urwald Europas und die einzigen frei lebenden Wisente, etwa 60 an der Zahl. Nicht von ungefähr wird Podlachien auch als die "grüne Lunge" Polens bezeichnet.
Jedenfalls von denjenigen, die es kennen und schätzen gelernt haben, und die werden immer mehr.