Unsere Regierung hat sich mal wieder nicht lumpen lassen. Zu Hunderten liegen ihre Schreibblocks aus: DIN A 4, Kleinformat, Haftzettel, sogar Anstecknadeln – alles mit dem Logo der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Was so ein halbes Jahr Chefsein doch an Selbstbewußtsein ausmacht. EU-2007-Punkt-DE: Da dient die Essener Konferenz als kulturelles Highlight und wurde im regierungsamtlichen Kalender gleich ganz prominent promotet – allerdings, nobody is perfect, unterm falschen Datum. Der schwarzrotgoldene EU-Anstrich schimmert auch im Konferenztitel durch. „Kulturelle Vielfalt – Europas Reichtum“, lautet er und ist als solcher eigentlich ein bisschen unhöflich gegenüber den 172 Mitgliedsstaaten der Unesco, die außerhalb Europas liegen. Als hätten die keine kulturelle Vielfalt zu bieten. Denn bitte sehr: dies ist eine planetarische Unesco-Konferenz, keine Werbeveranstaltung für Essen als künftige Kulturhauptstadt. Oder doch?
Gekommen waren jedenfalls 500 Teilnehmer aus 60 Ländern, um sich über kulturelle Vielfalt auszutauschen – sollte man zumindest meinen. Aber von wegen: Wenn die Unesco im Spiel ist, dann geht es selten um etwas anderes als diplomatisches Sprücheklopfen und tautologische Affirmationen eines gigantischen Verwaltungsapparats. In der Tat hat die Unesco ein neues internationales Abkommen hervorgebracht, das kürzlich in Kraft getreten ist und dem Schutz und der Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen dienen soll. Da das Abkommen angeblich nichts kostet, haben es die Politiker gern unterschrieben – nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern wurde es in Rekordgeschwindigkeit ratifiziert. Kulturelle Vielfalt, mögen die Politiker gedacht haben, kann nicht schaden und ist insofern eine gute Gelegenheit, kulturelles Engagement zu zeigen. Freilich gehört eine gewisse Chuzpe dazu, wenn sich die Europäische Union, die größte Vereinheitlichungsagentur der Weltgeschichte, ausgerechnet für die Vielfalt stark macht.
Das Abkommen selbst soll übrigens in erster Linie dazu dienen, auf dem Gebiet der Kultur ein anderes internationales Abkommen zu neutralisieren, nämlich das GATS, das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ist Kultur eine Dienstleistung im Sinne des GATS? Die Politiker haben diese Frage vor etlichen Jahren mit Ja beantwortet und dadurch eine Auseinandersetzung heraufbeschworen, die sich vor allem um die Filmindustrie drehte. Denn gestützt aufs GATS forderten die Produzenten aus Hollywood den freien Zugang zu den europäischen Medienmärkten, woraufhin die Franzosen den Begriff der „exception culturelle“, der kulturellen Ausnahme, ins Spiel brachten.
Nun ist es jedoch an der Zeit, zu klären, was unter Kultur verstanden werden soll. Sicherlich gibt es den Komplex der Medienindustrien, in dem es um viel Geld und Marktmacht und Handelsschranken geht. Hier dürfen sich die Freunde des Bürokratiejargons austoben, hier gilt es, Normen und Richtlinien zu erlassen und zu implementieren, zu kontrollieren und zu evaluieren. Aber Kultur ist das nicht. Kultur ist nämlich das schlechthin nicht Administrierbare am öffentlichen Leben. Denn Kultur ist keine Veranstaltung des Staates; Kultur ist auch kein öffentlicher Dienst. Kultur ist nicht etwas, das irgendeine Stelle zu liefern und dessen Lieferung eine andere Stelle zu überwachen hätte. Kultur ist die gesamte geistige Befindlichkeit eines Volks oder einer Gesellschaft.
Weil das so ist, haben die meisten Kulturschaffenden auf dieser Erde von dem Unesco-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen noch nie etwas gehört. Und dies führt nun pfeilgerade zum Kern der Essener Veranstaltung. Schon ihr Untertitel: „Das Unesco-Übereinkommen mit Leben füllen“ sagt alles. Es handelt sich um eine intellektuelle Totgeburt. Aber die organisierten Kulturverwalter aller Länder sehen jetzt ihre große Aufgabe darin, mit Pädagogik und Propaganda die Bedeutsamkeit des Übereinkommens den nichtsahnenden Betroffenen zu vermitteln. Dafür müssen Mittel her. Kulturförderung zur Förderung der Kulturförderung. Zweieinhalb Tage lang und in bis zu vier parallelen Arbeitsgruppen ging es um nichts anderes. Oder im offiziellen Programmwortlaut: „Wie kann die Zivilgesellschaft konkret zur Erreichung der Ziele dieses Abkommens beitragen?“
Gekommen waren jedenfalls 500 Teilnehmer aus 60 Ländern, um sich über kulturelle Vielfalt auszutauschen – sollte man zumindest meinen. Aber von wegen: Wenn die Unesco im Spiel ist, dann geht es selten um etwas anderes als diplomatisches Sprücheklopfen und tautologische Affirmationen eines gigantischen Verwaltungsapparats. In der Tat hat die Unesco ein neues internationales Abkommen hervorgebracht, das kürzlich in Kraft getreten ist und dem Schutz und der Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen dienen soll. Da das Abkommen angeblich nichts kostet, haben es die Politiker gern unterschrieben – nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern wurde es in Rekordgeschwindigkeit ratifiziert. Kulturelle Vielfalt, mögen die Politiker gedacht haben, kann nicht schaden und ist insofern eine gute Gelegenheit, kulturelles Engagement zu zeigen. Freilich gehört eine gewisse Chuzpe dazu, wenn sich die Europäische Union, die größte Vereinheitlichungsagentur der Weltgeschichte, ausgerechnet für die Vielfalt stark macht.
Das Abkommen selbst soll übrigens in erster Linie dazu dienen, auf dem Gebiet der Kultur ein anderes internationales Abkommen zu neutralisieren, nämlich das GATS, das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ist Kultur eine Dienstleistung im Sinne des GATS? Die Politiker haben diese Frage vor etlichen Jahren mit Ja beantwortet und dadurch eine Auseinandersetzung heraufbeschworen, die sich vor allem um die Filmindustrie drehte. Denn gestützt aufs GATS forderten die Produzenten aus Hollywood den freien Zugang zu den europäischen Medienmärkten, woraufhin die Franzosen den Begriff der „exception culturelle“, der kulturellen Ausnahme, ins Spiel brachten.
Nun ist es jedoch an der Zeit, zu klären, was unter Kultur verstanden werden soll. Sicherlich gibt es den Komplex der Medienindustrien, in dem es um viel Geld und Marktmacht und Handelsschranken geht. Hier dürfen sich die Freunde des Bürokratiejargons austoben, hier gilt es, Normen und Richtlinien zu erlassen und zu implementieren, zu kontrollieren und zu evaluieren. Aber Kultur ist das nicht. Kultur ist nämlich das schlechthin nicht Administrierbare am öffentlichen Leben. Denn Kultur ist keine Veranstaltung des Staates; Kultur ist auch kein öffentlicher Dienst. Kultur ist nicht etwas, das irgendeine Stelle zu liefern und dessen Lieferung eine andere Stelle zu überwachen hätte. Kultur ist die gesamte geistige Befindlichkeit eines Volks oder einer Gesellschaft.
Weil das so ist, haben die meisten Kulturschaffenden auf dieser Erde von dem Unesco-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen noch nie etwas gehört. Und dies führt nun pfeilgerade zum Kern der Essener Veranstaltung. Schon ihr Untertitel: „Das Unesco-Übereinkommen mit Leben füllen“ sagt alles. Es handelt sich um eine intellektuelle Totgeburt. Aber die organisierten Kulturverwalter aller Länder sehen jetzt ihre große Aufgabe darin, mit Pädagogik und Propaganda die Bedeutsamkeit des Übereinkommens den nichtsahnenden Betroffenen zu vermitteln. Dafür müssen Mittel her. Kulturförderung zur Förderung der Kulturförderung. Zweieinhalb Tage lang und in bis zu vier parallelen Arbeitsgruppen ging es um nichts anderes. Oder im offiziellen Programmwortlaut: „Wie kann die Zivilgesellschaft konkret zur Erreichung der Ziele dieses Abkommens beitragen?“