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"Kulturelles Gedächtnis wird zerstört"

Illegale Grabungen und geraubtes Kulturgut - ein neuer Gesetzentwurf soll den illegalen Handel mit Kulturschätzen erschweren. Michael Müller-Karpe, Archäologe am Römischen-Germanischen Zentralmuseum in Mainz bemängelt aber, dass der Entwurf nur einzelne Objekte schütze. Er plädiert dafür, im Gesetz alle Bodenfunde einzuschließen, deren legale Herkunft nicht nachgewiesen sei.

Moderation: Karin Fischer |
    Karin Fischer: Der Ausschuss für Kultur und Medien hat eine öffentliche Anhörung zum Kulturgüterschutz anberaumt. Die Veranstaltung mit den Experten läuft gerade in Berlin. Der Gesetzentwurf, den Kulturstaatsminister Bernd Neumann auf den Weg gebracht hat, nachdem jahrzehntelang nichts passiert ist, soll unter anderem den illegalen Handel mit Kulturschätzen erschweren oder unterbinden. Es gibt aber lautstarke Kritik an dem Entwurf, unter anderem von Michael Müller-Karpe, Archäologe am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz genau an diesem Punkt. Herr Müller-Karpe, warum?

    Michael Müller-Karpe: Der Handel mit geraubtem Kulturgut, vor allem Raubgrabungsfunde, das ist ein Milliardengeschäft. Die UNESCO und FBI schätzen das weltweite Volumen, das mit solchen Dingen umgesetzt wird, auf sechs bis acht Milliarden Dollar und diese Dinge sollen nun vom neuen Gesetz quasi ausgenommen werden. Die sollen nicht geschützt werden. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass nur einzelne Objekte, die im deutschen Bundesanzeiger veröffentlicht sind, von Export- Import-Restriktionen ausgenommen werden. Alles andere soll völlig frei in Deutschland handelbar sein. Das wird einfach einen Anreiz bieten um diesen Markt noch weiter anzukurbeln.

    Fischer: Herr Müller-Karpe, wir haben Monate lang gesprochen über zerstörtes Kulturgut im Irak beispielsweise, durch den Krieg aber auch durch anschließende Raubgrabungen in den entsprechenden dann nicht mehr geschützten Gebieten. Wie kann denn so etwas eigentlich passieren, dass ein Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht wird, der nun genau diese Art von systematischen Raubgrabungen insofern unterstützt?

    Müller-Karpe: Ich kann mir das nur so erklären, dass hier eine finanzkräftige Kunsthändlerlobby ihren Einfluss geltend macht. Auf der anderen Seite muss ich gestehen, kann ich es nicht ganz nachvollziehen, warum seriöse Händler sich gegen eine Aufzeichnungspflicht, die vorgesehen ist, wenden.

    Fischer: Also diese Aufzeichnungspflicht, die Sie ansprechen, das ist ja wohl so eine Art von Nachweispflicht und die Frage lautet doch immer, wie kann die denn überhaupt geführt werden. Es geht ja schließlich um Hehlerware. Was wäre denn Ihr Vorschlag?

    Müller-Karpe: Mein Vorschlag wäre, dass nicht nur die wenigen Objekte geschützt werden, die im Bundesanzeiger veröffentlicht sind, sondern grundsätzlich alle archäologischen Bodenfunde, deren legale Herkunft nicht nachgewiesen ist. Also der Händler müsste nachweisen, dass die Herkunft legal ist. Der Händler weiß das in der Regel. Der kann das durch Exportgenehmigung des Herkunftsstaates nachweisen oder er kann es nachweisen durch Dokumente des Herkunftslandes, dass es aus einer legalen Grabung stammt. Wenn er diese Bescheinigung nicht hat, kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Objekte aus illegalen Grabungen stammen.

    Fischer: Sie haben ja auch kritisiert, Herr Müller-Karpe, dass sozusagen nachträglich der illegale Kunsthandel und Kunstraub durch diesen Gesetzesentwurf sogar legalisiert wird.

    Müller-Karpe: Formal werden die Dinge natürlich nicht legalisiert. In Deutschland ist auch künftig Hehlerei strafbar. Das Problem ist nur, bestraft werden, verfolgt werden kann es nur, wenn der Herkunftsnachweis gelingt, wenn der rechtmäßige Eigentümer seine Eigentumsansprüche geltend machen kann.

    Fischer: Was ist wichtiger, der Kunsthändlerlobby die Beweislast aufzubürden oder dieses Gesetz nun endlich auf den Weg zu bringen?

    Müller-Karpe: Also ich würde sagen, wenn es in dieser Form tatsächlich in Kraft treten würde, wäre der Schaden größer. Den Picasso kann man noch in 500 Jahren zurückgeben, aber die archäologischen Stätten die jetzt zerstört werden und mit ihnen die Informationen die dort im Boden vorhanden sind und die noch nicht gelesen sind - im Grunde ist das ja ein Bodenarchiv, quasi das kulturelle Gedächtnis der Menschheit- das wird undokumentiert zerstört. Künftige Generationen werden uns verfluchen, wenn wir für ein Gesetz verantwortlich sind, dass diese Zerstörung fördert.

    Fischer: Michael Müller-Karpe zur Diskussion um das Kulturgüter-Schutzgesetz.