Archiv

Kulturfestival Hifa in Simbabwe
Hoffnung auf Meinungsfreiheit

Aufbruch in Simbabwe: Nach dem Sturz von Diktator Robert Mugabe sind in der Kulturszene erste kritische Stimmen zu hören. Musiker, Comedians oder Theatermacher, die zuvor mit Auftritts- oder Einreiseverbot belegt waren, sind zurück. Zu sehen sind sie bei Hifa, dem größten Kulturfestival des Landes.

Sören Brinkmann im Gespräch mit Leonie March |
    Ein Jazzkonzert auf dem Hifa Festival in Harare.
    Das Hifa Festival in Harare: Aufbruchstimmung in der Kulturszene Simbabwes (imago)
    Sören Brinkmann: Wir blicken nach Simbabwe, auf ein Land, das bei uns lange gleichbedeutend war mit einem Namen: Robert Mugabe. 30 Jahre lang hat er als Autokrat und Diktator regiert. Und Mugabes Simbabwe stand für Zensur und Repression – auch in der Kulturarbeit.
    Jetzt aber gibt es eine neue Freiheit, zu erleben in diesen Tagen auch beim größten Kulturfestival des Landes in der Hauptstadt Harare – beim "Harare International Festival of the Arts", kurz Hifa. Die Behörden hatten regimekritischen Künstlern wie der südafrikanischen Band Freshlyground noch vor ein paar Jahren die Einreise verweigert. Jetzt ist die Band wieder eingeladen – und wird auch auftreten. Das Hifa ist das erste große Kulturevent seit dem Sturz von Robert Mugabe im November 2017 – und nun ein Symbol für neu gewonnene Meinungsfreiheit in Simbabwe? Die Frage geht an meine Kollegin Leonie March. Zeigt sich diese neue Freiheit jetzt?
    Leonie March: Mit ein paar Abstrichen: ja. Die Tatsache, dass alle Künstler auch einreisen und auftreten dürfen, ohne dass der Staat dazwischen funkt, spricht dafür. Und auch einige der geplanten Shows versprechen eine offene und kritische Auseinandersetzung mit dem erst vor ein paar Monaten gestürzten Mugabe-Regime, so wie es vorher ja nicht möglich war. Zum Beispiel die neue Stand-up-Comedy von Carl Joshua Ncube: Er ist einer der beliebtesten Comedians Simbabwes, und er wird jetzt wohl noch weniger ein Blatt vor den Mund nehmen als bisher. Er wird bei Hifa die letzten Tage Robert Mugabes als Präsident satirisch aufs Korn nehmen. Das wird sicherlich ein Highlight.
    Kritische Stimmen erwartet
    Die politischen Entwicklungen der letzten Monate - der Sturz Mugabes, der Machtwechsel nach drei Jahrzehnten, aber auch die ungewisse Zukunft des Landes stellen auch andere Künstler in den Mittelpunkt. Theatermacher zum Beispiel, Musiker auch. Freshlyground werden zum Abschluss des Festivals auftreten, am Sonntag. Und ich erwarte auch, dass sie ihren Song "Chicken to Change" performen werden - das war ja der Anti-Mugabe-Song, der wohl dafür gesorgt hat, dass die südafrikanische Band vor ein paar Jahren nicht nach Simbabwe einreisen durfte. Jetzt darf sie es. Aber wir müssen noch abwarten, wie kritisch die Stimmen der Künstler dann tatsächlich sein werden und wie stark das Signal ist, das von Hifa letztendlich ausgehen wird.
    Brinkmann: Das Motto des Hifa-Festivals lautet ja "We Count", also "Wir zählen". Inwiefern steht das in Bezug zur aktuellen Situation im Post-Mugabe-Simbabwe?
    March: Das habe ich auch den stellvertretenden Festival-Direktor Tafadzwa Simba gefragt, und er sagte mir, dass Hifa seit der Gründung im Jahr 1999 versucht, mit dem Motto den jeweiligen Zeitgeist im Land abzubilden und das sei auch in diesem Jahr so:
    "Dieses Jahr finden in Simbabwe Wahlen statt. Darauf nimmt unser Motto ganz bewusst Bezug: Wir werden die Stimmen zählen. Wir zählen ebenfalls die Jahre, die unter der letzten Regierung verstrichen sind. Die vergeudete Zeit, die Entwicklungschancen und geliebten Menschen, die wir verloren haben. Aber wir zählen auch unsere Träume und Ängste in Bezug auf die Zukunft. Und letztlich betonen wir, dass in unserer gegenwärtigen Situation jede Stimme zählt. Nicht nur die der Politiker, sondern auch die von Künstlern und einfachen Bürgern."
    Soweit also Tafadzwa Simba, der stellvertretende Festivaldirektor. Das Motto spiegelt also die Hoffnung in Simbabwe wieder, dass nach Jahrzehnten, in denen die kritischen Stimmen unterdrückt und die der einfachen Bürger ignoriert wurden, nun endlich eine neue Ära beginnt, in der wirklich jede Stimme zählt.
    Brinkmann: Gibt es momentan so etwas wie Aufbruchsstimmung in der simbabwischen Kulturszene?
    March: Ich bin ja leider selbst nicht vor Ort, sondern in Südafrika, weil ich eben keine Akkreditierung bekommen habe. Ich glaube nicht, dass das diesmal an der kritischen Berichterstattung liegt, sondern eher daran, dass die Behörden extrem überlastet sind und sehr langsam arbeiten. Aber ich habe im Vorfeld unseres Gesprächs mit ein paar Künstlern in Simbabwe telefoniert: Keiner von ihnen war jetzt vollkommen überschwänglich. Für mich klingt das eher nach vorsichtigem Optimismus, der da momentan herrscht. Und einen ähnlichen Eindruck hat auch Taremeredzwa Takudzwa Chirewa, die Direktorin des Goethe-Zentrums in Harare:
    "Es keimt wieder etwas Hoffnung auf, und viele Künstler fühlen sich ein wenig freier, in dem was sie sagen, wie sie sich ausdrücken und wann sie sich äußern. Aber diese politische Wende hat für uns auch noch etwas Surreales, und es wird Zeit brauchen, bis wir etwa Automatismen der Selbstzensur abgelegt haben. Gleichzeitig aber spüre ich durchaus so etwas wie Aufbruchsstimmung in der Kulturszene: neue Energie und neue Ideen, die wir bis jetzt nicht umsetzen konnten und Hoffnung, die wir frühen nicht hatten."
    Sie hat mir dann auch noch erzählt, dass sich diese Stimmung auch auf ihre Arbeit auswirkt, also dass sie nun freier plant und ebenfalls neue Ideen für Projekte entwickelt. Denn bisher saß ihr wirklich ständig die Angst im Nacken: Das Goethe-Zentrum in Harare stand ja unter ständiger Beobachtung der Regierung, bei kritischen Veranstaltungen saß dann auch mal der Geheimdienst im Publikum, so wie bei allen unabhängigen Kulturinstitutionen in Simbabwe. Und auch das hat sich jetzt schon verändert.