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Kulturgeschichte des Bades
Tatort Badewanne

Kupferkessel und Seifenspender hängen neben Werken von Dürer und Picasso: Eine Ausstellung erzählt die Geschichte des Bades und zeigt die Badewanne als Tatort, Badende als Lustobjekte und paart kunsthistorische Klassiker mit Gegenwartskunst. Ein wilder Genremix mit epochenübergreifenden Gesten.

Von Christian Gampert |
"Der Tod des Marat" - Ein Gemälde von Jacques-Louis David.
Tod in der Badewanne - der Revolutionsheld Jean Paul Marat gezeichnet von Jaques Louis David (imago stock&people)
Das beste Kapitel der Ausstellung vereint drei ikonische Arbeiten: den ermordeten Marat in seiner Wanne, in jesushafter Pose, gemalt von dem französischen Klassizisten Jacques Louis David oder vielmehr seiner Werkstatt. Die leere Badewanne, in der 1987 der Politiker Uwe Barschel starb – mit klinischer Sachlichkeit nachgebaut und dann fotografiert von Thomas Demandt. Und, als skulpturale Installation, eine mit schwarzem Öl gefüllte Wanne von Mona Al Qadiri, aus der hilfesuchend zwei Hände ragen.
Ort für politische Kontakte
Die Badewanne soll ja eigentlich ein Ort der Entspannung sein. Hier nun wird sie als gefährliche Zone sichtbar, in der es zu Mord und Totschlag kommt. Politische Kontakte wurden aber schon in antiken Bädern geknüpft; die Griechen kasteiten gestählte Männerkörper mit kaltem Wasser, während die Römer eher Warmduscher waren. Im französischen Absolutismus dagegen benutzte man aus Angst vor Epidemien kein Wasser, sondern kleine Flacons und Puderdosen. So verbindet die Ausstellung ganz bewusst Kulturgeschichte mit Gegenwartskunst, kunsthistorische Klassiker mit Gender-Analyse. Es kommt eben darauf an, wie man das inszeniert, meint Kuratorin Luisa Heese.
"Uns war wichtig, diese beiden Bereiche auch abzudecken. Also sowohl mit kulturhistorischen Exponaten zu arbeiten, die eben auf bestimmte Praktiken hinweisen, aber das Ganze eben auch in der Reflektion von Künstlern und Künstlerinnen zu zeigen."
Die Reinigung, das Reinwaschen ist zwar der angebliche Hauptzweck des Bades, und zwar körperlich wie geistig, hygienisch wie religiös – man denke an die jüdische Mikwe. Aber im Lauf der Jahrhunderte spielt die Präsentation der Körper dann eine immer größere Rolle – und die Macht der meist männlichen begehrlichen Blicke darauf.
Unterschiedliche Kommunikationsformen
Attraktive Frauenkörper gibt es in der Kunstgeschichte meist unter dem Vorwand mythologischer Motive – die Schau kann das aber nur anreißen. Die selbstvergessen Badende ist im französischen 19. Jahrhundert dann ein Topos. Aber bereits in der frühen Neuzeit, etwa bei Dürer, sieht man im Frauen- und im Männerbad unterschiedliche Kommunikationsformen. Das wiederholt sich seltsamerweise in der imposanten Videoinstallation der 1963 geborenen polnischen Künstlerin Katarzyna Kozyra, die die Männer- und Frauenabteilung in einem Budapester Dampfbad beobachtet: Die Frauen sind unter sich deutlich entspannter und weniger auf Selbstdarstellung aus.
Wer schaut auf wen? Und wer präsentiert sich wie? Das ist auch in der Schwulen- und Lesben-Kultur der Gegenwart die Frage; die Bilder des Amerikaners Patrick Angus oder des neuen Wilden Reiner Fetting zeigen Posen, die uns aus der Antike merkwürdig vertraut vorkommen. Im Bad scheint es epochenübergreifende Gesten zu geben.
Fußwaschung und Schaumbadorgie
Der heilende Schlamm, aber auch die lustvolle Nutzung des Drecks kommen dann mit der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota ins Spiel – und schon Joseph Beuys griff im Umfeld der Fluxus-Aktionen auf das religiöse Ritual der Fußwaschung zurück, wobei der schamanische Meister seinen Jüngern von der Kunstakademie die Füße säuberte.
Schließlich: Das orientalische Bad war, wie der Orient überhaupt, ein Sehnsuchtsort der Europäer des 19. Jahrhunderts, freilich immer unter einer vereinnahmenden Perspektive. Solche Harems-Bilder – von Émile Bernard oder Jules Migonney - werden in einem eigenen Raum präsentiert, und zwar vor einer aggressiven Wandtapete der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar. Sie zeigt lauter ostentativ verhüllte Frauen – die orientalische Kultur schlägt zurück.
Dass die ungeheuer vielfältige, vielleicht zu vielfältige Ausstellung dann auch andere Orte wie einen kühlen Kneipp-Raum im Friedrichsbad mit Kunst bespielt, macht die Sache auch für ein Event-Publikum interessant. Ein repräsentativer Brunnen im Baden-Badener Zentrum ist übrigens gerade per Shampoo-Beigabe in ein Schaumbad verwandelt. Angeblich hat die Ausstellung damit aber nichts zu tun. Es müssen unbekannte Aktionskünstler gewesen sein.