Kulturstaatsministerin Monika Grütters versuchte heute, die Wogen zu glätten. Sie bedauere die Verwerfungen, die es in den letzten Wochen in der öffentlichen Debatte gegeben habe, zeigte aber auch Unverständnis angesichts der massiven Kritik: Der Kunsthandel sei von Anfang an in die Gesetzgebung mit eingebunden gewesen. Grütters stellte jedoch klar, dass das Gesetz notwendig und zwingend sei.
"In den vergangenen anderthalb Jahren haben wir ein Kulturgutschutzgesetzt erarbeitet, zum einen, weil uns der Koalitionsvertrag dazu ausdrücklich verpflichtet, und da ist im Übrigen auch der Abwanderungsschutz explizit erwähnt, zum anderen aber auch, weil das kulturelle Erbe auch unseres Landes der staatlichen Fürsorge durchaus bedarf. "
Schutz vor Abwanderung sei noch keine Enteignung, stellte Grütters klar. Allerdings sei sie nach wie vor offen für Veränderungen. Der Diskussionsprozess sei noch nicht abgeschlossen, betonte Grütters. Die Kulturstaatsministerin will mit ihrem Gesetz den Kulturgutschutz stärken - das betrifft zum einen die Einfuhr von illegalem Raubgut aus Kulturstätten aus aller Welt. Hier soll künftig nur noch über die Grenze nach Deutschland kommen, was eine klare Ausfuhrgenehmigung des Herkunftslandes vorweisen kann.
Kulturgutschutz für Leihgaben in Museen erlischt voraussichtlich
Auf der anderen Seite soll auch deutsches Kulturgut vor der Abwanderung ins Ausland geschützt werden. Auch Kunstwerke in Privatbesitz, die als national wertvoll eingestuft werden, dürfen danach nicht mehr ins Ausland verkauft werden. Deutschland will darüber hinaus, wie bereits in vielen anderen Ländern üblich, pauschal alle Museumssammlungen unter Abwanderungsschutz stellen, darunter auch private Dauerleihgaben in Museumsbesitz. Daran war in den vergangenen Wochen heftige Kritik von Sammlern und Kunsthändlern geübt worden, von kalter Enteignung war die Rede, Georg Baselitz und andere Künstler hatten angekündigt, ihre Leihgaben aus den Museen zurückzuziehen. Hierzu stellte Grütters klar:
"Da möchte ich nur sagen, wir haben ausdrücklich Formulierungen da rein genommen, dass das im Benehmen mit den privaten Leihgebern geregelt werden soll. Und dass sie dieser Unterschutzstellung ausdrücklich widersprechen können. Das kann Herr Baselitz auch tun. "
Dieser Passus war allerdings im ursprünglichen Gesetzentwurf so nicht enthalten gewesen. Früher kursierende Fassungen, an denen sich die Kritik entzündet hätte, seien nicht autorisiert gewesen, erklärte Grütters dazu. In der nachgebesserten Version erlischt der automatisch mit dem Ende des Leihvertrages, es sei denn, der Eigentümer beantragt diesen ausdrücklich.
National wertvolles Kulturgut muss definiert werden
Grütters verteidigte jedoch vehement das Recht des Staates, national wertvolles Kulturgut zu definieren und unter Abwanderungsschutz zu stellen. Dies sei überall auf der Welt üblich. Italien, England und Frankreich hätten etwa viel schärfere Gesetze. In Deutschland werde zudem schon seit 1955 Kulturgut als national wertvoll in eine Liste eingetragen, zuständig dafür sind die Länder. Bisher sei aber nicht ausdrücklich geregelt, was national wertvolles Kulturgut ist.
Auslandsverkäufe wahrscheinlich nicht mehr möglich
Dies solle nun im Gesetz klar und rechtsverbindlich definiert werden, in Anlehnung an die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz. Danach gilt als national wertvoll, wenn ein Kulturgut "besonders bedeutsam für das kulturelle Erbe Deutschlands, der Länder oder einer historischen Region" ist, oder: wenn es "ein besonders bedeutsames Werk eines Künstlers von internationalem Rang ist, das dauerhaft in Deutschland verwahrt wird" – allerdings nur dann, wenn sein Verbleib im Bundesgebiet "im besonderen öffentlichen Interesse liegt". Also auch nichtdeutsche Künstler könnten darunter fallen, sagte Grütters. Die Hürde aber müsse hoch sein, versicherte die Kulturstaatsministerin.
"Ich finde, dass die Humboldt-Tagebücher national wertvolles Kulturgut sind. Oder das Schott-Archiv. Oder die Schutzmantel-Madonna, die sich Deutschland nicht hätte leisten können, als sie zur Abwanderung anstand, weil ein Fürstenhaus in Insolvenz oder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet.."
Die Schutzmantel-Madonna von Hans Holbein, eins der bedeutendsten Altmeister-Gemälde der Welt, sollte vor vier Jahren vom Adelshaus Hessen-Darmstadt für eine hohe zweistellige Millionensumme ins Ausland verkauft werden, am Ende brachte der Mäzen Reinhold Würth das Geld auf, um das Gemälde in Deutschland zu halten. Solche Auslandverkäufe sollen nach dem neuen Gesetz nicht mehr möglich sein.