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Kulturhauptstadt 2014
Poetry Slam im lettischen Riga

Im neuen Jahr präsentiert sich Riga als eine der beiden Kulturhauptstädte Europas. Ein reges Sängertreiben wird es geben, aber auch viele Projekte der freien Kunstszene. So treffen sich Texter und Sänger zum Beispiel im "Totaldobze Art Centre".

Von Markus Nowak |
    Meistar Straße in der Altstadt von Riga, mit Blick (rechts) auf eine Wandmalerei.
    Meistar Straße in der Altstadt von Riga (picture alliance / dpa / Valda Kalnina)
    Ein Poetry-Slam in Riga. Die Letten gelten nicht erst seit der "singenden Revolution" von 1991 als singendes Volk. Und es sind Poetry Slams gerade bei jungen Letten eine beliebte Alternative zu den klassischen Sängerfesten. Regelmäßige treffen sich dazu Texter und Sänger im "Totaldobze Art Centre", einem unabhängigen Kulturzentrum. Wo einst Radioempfänger für die ganze Sowjetunion gebaut wurden, ist heute die freie Kunstszene der lettischen Hauptstadt beheimatet. Mitbegründet hat es Kaspars Lielgalvis. Früher lebte er von seinen Zeichnungen und Grafiken, heute führt er die Geschäfte des "Totaldobze".
    "Mir geht es darum, dass wir eine Plattform bieten für Experimente oder die Zusammenarbeit von verschiedenen Stilrichtungen und unterschiedlichen Künstler. Das fehlt in Riga. Denn alle Institutionen, Galerien oder Konzertveranstalter sind nur auf eine Subkultur oder Richtung fokussiert."
    Neben einer provisorischen Veranstaltungshalle hat das "Totaldobze" eine Bar mit Dachterrasse und zwei Dutzend Ateliers. Von den Wänden und der Decke bröckelt darin der Putz. Und die Fenster sind undicht. Dennoch arbeiten und leben hier rund 20 Künstler. Wie Anda Lace: In ihrer Atelierwohnung stapeln sich die mit Acryl bemalten Leinwände. Die 30-Jährige ist aber auch als Performancekünstlerin an unabhängigen Theatern der Stadt beteiligt.
    "Warum ich hier bin? Weil ich es schön finde. Im Ernst: Die Räume sind groß und günstig. Und ich lasse mich von diesem Ort inspirieren. Außerdem fühle ich mich hier auch schon zu Hause."
    Das "Totaldobze Art Centre" ist für die freie Rigaer Kunstszene mittlerweile zu einer festen Größe geworden. Wenn Riga 2014 den Titel Kulturhauptstadt Europas trägt, wird daher auch das "Totaldobze" und weitere Teile der freien Kreativszene in das offizielle Programm eingebunden. Dass sie dadurch kommerziell wird, glaubt Kaspars Lielgalvis nicht.
    "Wenn uns Riga 2014 als Teil des Programmes haben möchte – das ist doch gut. Wir sind auch Teil der Stadt. Mir geht es auch nicht darum, dass wir hier nur Underground- oder nichtkommerzielle Kultur machen. Wir können uns nicht nur darauf fokussieren, das kostet zu viel Zeit."
    "Force majeure" – das ist der Titel des Kulturhauptstadtprogrammes 2014. Und eigens dafür wurden Werbefilme produziert. Force majeure, also höhere Gewalt. Ein Titel, der nicht von ungefähr kommt, sagt die Projektverantwortliche für Riga 2014, Diāna Čivle:
    "Der Titel ist eine kleine Provokation. Ich sage immer, dass es uns um positive Macht geht. Kultur ist so eine positive Macht. Sie kann das Leben von Menschen verändern und vieles für eine Stadt und ein Land machen. Es geht also um die positive Macht von Kultur."
    Als Riga den Zuschlag für den Kulturhauptstadttitel bekam, steckte das Land in der Finanzkrise. Als Reaktion auf diese entstand das "Survival Kit". Ein Festival für zeitgenössische Kunst, das sich vor allem aus Eigeninitiative der Künstler speist und auch während des Kulturhauptstadtjahres Ausstellungen im Stadtbild oder kreative Projekte unter Einbeziehung der Öffentlichkeit bieten soll.
    Mit Poetry Slams, Installationen, Performances und Diskussionen etwa über die Zukunft der Stadt will sich auch das "canapes culture centre" beteiligen. Seit einem Jahr betreibt der 29-jährige Filmemacher Daniels Kanepes in einer ehemaligen Musikschule diese Bar, zugleich Bühne für weniger bekannte Musiker und Kino für unabhängige Filmprojekte. Seiner Meinung nach birgt das Kulturhauptstadtprogramm mit Einbeziehung der unabhängigen Kreativszene auch seine Tücken.
    "Viele Leute werden Riga erst entdecken, denn es ist eine wunderschöne Stadt. Aber zugleich habe ich Angst davor. Denn es kann passieren, dass die Stadt zu touristisch wird. Wir haben nach dem EU-Beitritt beinahe die ganze Altstadt verloren, da wohnt kaum ein Rigaer mehr."