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Kulturjubiläen: Beethoven
Mehr als Musik, Gesang und bengalisches Feuer

Eine Gruppe engagierter Bonner Bürger will bis zum Jubiläumsjahr 2020 Beethoven als gesellschaftspolitisch denkenden Künstler neu vermitteln - denn er hat dem aufgeklärten Bürgertum seinerzeit eine Stimme gegeben.

Von Susann El Kassar |
    Auf dem Münsterplatz in der Bonner Innenstadt sitzen eine Reihe von Menschen und warten. Ein Flügel ist aufgebaut, überdacht mit einem Zelt gegen den Regen.
    Der Bonner Verein "Bürger für Beethoven" möchte Beethovens Jubiläumsjahr zu einem besonderen Jahr für seine Geburtsstadt Bonn machen. (Deutschlandradio / Susann El Kassar)
    Wenn Beethoven gefeiert wird, dann darf sie nicht fehlen: die "Ode an die Freude". So auch am 12. August in Bonn, auf dem Münsterplatz.
    Etwa siebzig Menschen erinnern daran, dass am 12. August 1845 genau an dieser Stelle das erste Beethoven-Denkmal enthüllt wurde. Seitdem blickt Beethoven aus einigen Metern Höhe auf den Münsterplatz und die Bonner herunter.
    Organisiert wurde diese eher ungewöhnliche Gedenkfeier vom Verein "Bürger für Beethoven". Vorsitzender Stephan Eisel las vor, was Zeitzeugen damals über das Großereignis geschrieben haben. Und er blickt neidisch darauf, mit welchem Pomp die Enthüllung 1845 gefeiert wurde:
    "Nur noch mal, um die Maßstäbe deutlich zu machen: Großartiges Volksfest, die ganze Anwohnerschaft war auf den Beinen, Böllerschüsse, Musik, Gesang, bengalisches Feuerwerk, vierspänniger Wagen mit der Statue. Überall erschallte der allgemeine Freudenjubel. So stellen wir uns die Beethovenstadt Bonn vor."
    Stephan Eisel hat ein klares Ziel vor Augen: Er will Beethoven in Bonn noch größer machen. Aber das Verhältnis zwischen dem offiziellen Bonn und Beethoven ist getrübt - und das schon lange. Für den Bau des Beethoven-Denkmals hatte die Stadt in den 1840-ern kein Geld gegeben, das Geburtshaus sollte 1889 abgerissen werden und dem Beethovenfest wurden vor fast 30 Jahren alle städtischen Zuschüsse gestrichen. Das Jubiläumsjahr 2020 soll all das wiedergutmachen. Und Bonn könnte mit Beethoven ja wieder ein ähnliches Gewicht zurückgewinnen wie vor 1990. Als Bonn noch Bundeshauptstadt war. Stephan Eisel wünscht sich nachhaltige Strukturen:
    Beethovens 250. Geburtstag: eine "nationalen Aufgabe"
    "Man könnte einen Beethovenpreis installieren, einen nationalen Beethovenpreis, man könnte eine Stiftungsprofessur Beethoven an der Universität einrichten, man könnte einen Beethoven-Musikcampus einrichten, an solchen Dingen ist uns gelegen."
    Die Hoffnung der Bonner Beethovenfreunde, dass endlich daraus etwas werden könnte, gründet auf zwei Sätzen, die immerhin im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD stehen. Darin wird Beethovens 250. Geburtstag zu nicht weniger als einer "nationalen Aufgabe" erklärt. Dieses staatliche Bekenntnis geht laut Eisel auf eine Initiative der Bürger für Beethoven zurück. Ein Impuls also aus Bonn für Bonn.
    "Politisch ist die Ursache, dass die Österreicher den 250. Geburtstag von Mozart 2006 als nationales Ereignis gefeiert haben. Und dann haben wir gesagt, was bei Mozart möglich ist, muss dreimal bei Beethoven möglich sein. Waren alle überzeugt, so kam es in den Koalitionsvertrag!"
    Es ist wohl das erste Mal, dass in Deutschland der runde Geburtstag eines klassischen Komponisten offiziell zur "nationalen Aufgabe" erklärt wird. Aber wer, wenn nicht Beethoven eignet sich dafür, auf der ganz großen Bühne gefeiert zu werden? Als Komponist verfolgte er den Anspruch, die Welt mit den Mitteln der Kunst neu zu erschaffen und nicht weniger als die Menschheit mit seinen Idealen zu erreichen. "Freude schöner Götterfunken" ist nicht zufällig die Europa-Hymne, Beethoven ging es um Freiheit, Gleichheit und Aufklärung.
    Beethoven hat dem aufgeklärten Bürgertum eine Stimme gegeben
    Beethoven - das ist eben nicht nur Musik, der Komponist hat auch dem aufgeklärten Bürgertum eine Stimme gegeben. Und vielleicht erklärt das den Feier-Furor der Bonner Beethoven-Bürger. Neben der Bürgerinitiative gibt es natürlich auch eine offizielle Beethoven Jubiläumsgesellschaft. Der Leiter des Beethovenhaus Bonn, Malte Boecker, ist zugleich Chef des Aufsichtsrats dieser Gesellschaft. Er sieht in 2020 eine Chance:
    "Ich glaub, die große Entdeckung, die noch möglich ist, ist nach all den Klischees die wir von Beethoven haben, die eines gesellschaftspolitisch denkenden Menschen, wo Kunst auch 'ne Bedeutung hat für die Gesellschaft."
    Boecker liegt daran, den populären Komponisten 2020 neu bekannt zu machen, und zwar nicht über die ewiggleichen Konzerte und Feierrituale. Für ihn kommt frischer Wind zum Beispiel durch den Austausch mit anderen Künsten. Aber wie auch immer man es anstellt, Beethoven ist immer eine Nummer größer.
    "Es gibt keinen, der Ihnen den Beethoven in Gänze erklären kann, das schaffen wir auch als Institution nicht, dafür ist das Phänomen zu groß, die Kreativität, für die er steht, ist einfach zu groß, als dass man die aus einer Richtung gepackt kriegt."