In der Istanbuler Innenstadt tobt ein Kampf der Kulturen. Die islamisch-konservative Stadtverwaltung plant mehr Platz für das osmanische Kulturerbe an zentralen Plätzen, die bislang Enklaven der republikanischen Moderne waren.
Vor vier Wochen begannen Baufirmen mit der Untertunnelung des zentralen Taksim-Platzes. Ein Ort, den Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan für das Sündenbabel Istanbuls hält, denn dort beginnt das beliebte Kneipenviertel Beyoğlu. Tische und Stühle dürfen die Lokalbesitzer dort schon lange nicht mehr vor ihre Türen stellen. Der Regierungschef erklärt bei öffentlichen Auftritten gern, dass er sich für die Belange der konservativen Bevölkerung einsetzt. Die würde durch das unmoralische Treiben von der Innenstadt ferngehalten.
"Einfache Familien, Männer, Frauen und Kinder sollen sich dort wohlfühlen können. Ich weiß ganz genau, was nachts auf dem Taksim-Platz so vor sich geht. Da müssen wir für Ruhe und Ordnung sorgen."
Wie diese neue Ordnung aussehen soll, kann sich jeder im Internet ansehen. Auf der Webseite der Oberstadtverwaltung von Istanbul stellt eine Animation die Neugestaltung des Taksim-Platzes vor. Ein klotziges Gebäude mit Zinnen und Türmchen soll dort entstehen. Der Industriedesigner und Historiker Gökhan Karakuş hält diese Stadtplanung für kitschigen Historismus.
"Es gab dort zu osmanischen Zeiten eine Kaserne für die Artillerie. Mit einer Infrastruktur wie etwa Pferdeställen, die den damaligen Transportmöglichkeiten entsprachen. Der Platz wurde in den 30er-Jahren nach dem Ethos des damaligen Modernismus umgestaltet. Es entstand nach den Plänen des Franzosen Henri Proust ein öffentlicher Park, den Kultureinrichtungen säumten."
Gökhan Karakuş ist Kurator einer Ausstellung im Istanbuler Museum Salt, die sich der republikanischen Geschichte des Taksim-Platzes widmet. Salt gehört der privaten türkischen Garanti-Bank, die das Museum im ehemaligen Gebäude der osmanischen Bank eingerichtet hat. Neben einer permanenten Ausstellung zum osmanischen Bankwesen widmen sich wechselnde Gastkuratoren Teilen der türkischen Geschichte, die bislang von den staatlichen Museen vernachlässigt wurden. Das Archiv einer armenischen Fotografin war dort schon zu sehen und eine der ersten Gruppenausstellungen zeitgenössischer türkischer Künstler, die in der Nachputschzeit in Ankara nach einem Tag verboten worden war. Die von Gökhan Karakuş zusammen mit der Architekturtheoretikerin Pelin Derviş kuratierte aktuelle Ausstellung trägt den Titel. "Vollzug der Moderne. Das Atatürk-Kulturzentrum". Sie fokussiert den Ethos des Taksim-Platzes auf den zwischen den 40er- und 70er-Jahren dort entstandenen zentralen Kulturpalast.
"Vollzug der Moderne als Titel bezieht sich auf den gesamten Platz, dessen Kopf das Atatürk-Kulturzentrum bildet. Auf dem Platz können Versammlungen und Parties stattfinden. Das Konzept des Kulturpalastes wurde von Architekten und Designern ganz nach den damaligen Vorstellungen vom modernen Leben gestaltet. Es sollte ein öffentlicher Raum für moderne Kunst, die Oper und für Konzerte entstehen, der diese Funktion auch in der Architektur widerspiegeln sollte."
Die Ausstellung rekonstruiert akribisch die einzelnen Bauphasen des Gebäudes. Der 1994 verstorbene Architekt Hayati Tabanlioğlu widmete dem Gebäude sein Lebenswerk. Immer wieder stockten die Bauarbeiten wegen fehlender Finanzmittel. Tabanlioğlu war an der Technischen Universität Istanbul Student des in den 40er-Jahren in der Türkei lehrenden deutschen Architekten Paul Bonatz. Er beteiligte später deutsche Designer wie Johannes Dinnebier, heute eine Koryphäe auf dem Gebiet des Lichtdesigns, an der Gestaltung des Gebäudes. Nach der Fertigstellung 1969 brannte der Kulturpalast nach nur einem Jahr Spielzeit komplett ab. Nach dem Wiederaufbau diente er von 1978 bis 2005 als Veranstaltungsort für Konferenzen, Opern, Konzerte, modernes Ballett und Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Als Denkmal des modernistischen Republikanismus ist er jedoch seit sieben Jahren Gegenstand eines unkonstruktiven Richtungsstreites betont Stadtplaner Korhan Gümüş.
"Es fehlen uns konstruktive und kreative Synergien. Das Gebäude muss restauriert werden. Es steht aber seit sieben Jahren ungenutzt da, weil es kein wirkliches Konzept gibt. Für den ganzen Taksim-Platz nicht. Sie haben jetzt mit der Baustelle begonnen und werden im Nachhinein die Pläne nach der aktuellen Stimmungslage entwerfen lassen."
Die momentane Stimmungslage verlangt offensichtlich nach der Errichtung einer Kaserne aus osmanischen Zeiten. Das suggeriert jedenfalls der virtuelle Bauplan der Oberstadtverwaltung von Istanbul im Internet. Der Taksim-Platz und ein angrenzender Park würden von einem eckigen riesigen Gebäude im Stil einer Kaserne umgrenzt. Statt Pferdeställen sollen Läden und Cafés die in der Mitte belassene Fußgängerzone säumen. Der Atatürk Kulturpalast wird nach diesen Plänen deutlich im Schatten der wieder auferstehenden osmanischen Vergangenheit stehen. Das entspricht nur zu deutlich den Visionen der islamisch-konservativen Regierung. Ob es jedoch tatsächlich dazu kommen wird, ist noch nicht endgültig entschieden. Bereits 2005 sollte der Atatürk Kulturpalast eigentlich zugunsten eines Einkaufszentrums abgerissen werden. Aufgrund der öffentlichen Proteste musste die Istanbuler Stadtverwaltung diese Entscheidung revidieren.
Vor vier Wochen begannen Baufirmen mit der Untertunnelung des zentralen Taksim-Platzes. Ein Ort, den Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan für das Sündenbabel Istanbuls hält, denn dort beginnt das beliebte Kneipenviertel Beyoğlu. Tische und Stühle dürfen die Lokalbesitzer dort schon lange nicht mehr vor ihre Türen stellen. Der Regierungschef erklärt bei öffentlichen Auftritten gern, dass er sich für die Belange der konservativen Bevölkerung einsetzt. Die würde durch das unmoralische Treiben von der Innenstadt ferngehalten.
"Einfache Familien, Männer, Frauen und Kinder sollen sich dort wohlfühlen können. Ich weiß ganz genau, was nachts auf dem Taksim-Platz so vor sich geht. Da müssen wir für Ruhe und Ordnung sorgen."
Wie diese neue Ordnung aussehen soll, kann sich jeder im Internet ansehen. Auf der Webseite der Oberstadtverwaltung von Istanbul stellt eine Animation die Neugestaltung des Taksim-Platzes vor. Ein klotziges Gebäude mit Zinnen und Türmchen soll dort entstehen. Der Industriedesigner und Historiker Gökhan Karakuş hält diese Stadtplanung für kitschigen Historismus.
"Es gab dort zu osmanischen Zeiten eine Kaserne für die Artillerie. Mit einer Infrastruktur wie etwa Pferdeställen, die den damaligen Transportmöglichkeiten entsprachen. Der Platz wurde in den 30er-Jahren nach dem Ethos des damaligen Modernismus umgestaltet. Es entstand nach den Plänen des Franzosen Henri Proust ein öffentlicher Park, den Kultureinrichtungen säumten."
Gökhan Karakuş ist Kurator einer Ausstellung im Istanbuler Museum Salt, die sich der republikanischen Geschichte des Taksim-Platzes widmet. Salt gehört der privaten türkischen Garanti-Bank, die das Museum im ehemaligen Gebäude der osmanischen Bank eingerichtet hat. Neben einer permanenten Ausstellung zum osmanischen Bankwesen widmen sich wechselnde Gastkuratoren Teilen der türkischen Geschichte, die bislang von den staatlichen Museen vernachlässigt wurden. Das Archiv einer armenischen Fotografin war dort schon zu sehen und eine der ersten Gruppenausstellungen zeitgenössischer türkischer Künstler, die in der Nachputschzeit in Ankara nach einem Tag verboten worden war. Die von Gökhan Karakuş zusammen mit der Architekturtheoretikerin Pelin Derviş kuratierte aktuelle Ausstellung trägt den Titel. "Vollzug der Moderne. Das Atatürk-Kulturzentrum". Sie fokussiert den Ethos des Taksim-Platzes auf den zwischen den 40er- und 70er-Jahren dort entstandenen zentralen Kulturpalast.
"Vollzug der Moderne als Titel bezieht sich auf den gesamten Platz, dessen Kopf das Atatürk-Kulturzentrum bildet. Auf dem Platz können Versammlungen und Parties stattfinden. Das Konzept des Kulturpalastes wurde von Architekten und Designern ganz nach den damaligen Vorstellungen vom modernen Leben gestaltet. Es sollte ein öffentlicher Raum für moderne Kunst, die Oper und für Konzerte entstehen, der diese Funktion auch in der Architektur widerspiegeln sollte."
Die Ausstellung rekonstruiert akribisch die einzelnen Bauphasen des Gebäudes. Der 1994 verstorbene Architekt Hayati Tabanlioğlu widmete dem Gebäude sein Lebenswerk. Immer wieder stockten die Bauarbeiten wegen fehlender Finanzmittel. Tabanlioğlu war an der Technischen Universität Istanbul Student des in den 40er-Jahren in der Türkei lehrenden deutschen Architekten Paul Bonatz. Er beteiligte später deutsche Designer wie Johannes Dinnebier, heute eine Koryphäe auf dem Gebiet des Lichtdesigns, an der Gestaltung des Gebäudes. Nach der Fertigstellung 1969 brannte der Kulturpalast nach nur einem Jahr Spielzeit komplett ab. Nach dem Wiederaufbau diente er von 1978 bis 2005 als Veranstaltungsort für Konferenzen, Opern, Konzerte, modernes Ballett und Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Als Denkmal des modernistischen Republikanismus ist er jedoch seit sieben Jahren Gegenstand eines unkonstruktiven Richtungsstreites betont Stadtplaner Korhan Gümüş.
"Es fehlen uns konstruktive und kreative Synergien. Das Gebäude muss restauriert werden. Es steht aber seit sieben Jahren ungenutzt da, weil es kein wirkliches Konzept gibt. Für den ganzen Taksim-Platz nicht. Sie haben jetzt mit der Baustelle begonnen und werden im Nachhinein die Pläne nach der aktuellen Stimmungslage entwerfen lassen."
Die momentane Stimmungslage verlangt offensichtlich nach der Errichtung einer Kaserne aus osmanischen Zeiten. Das suggeriert jedenfalls der virtuelle Bauplan der Oberstadtverwaltung von Istanbul im Internet. Der Taksim-Platz und ein angrenzender Park würden von einem eckigen riesigen Gebäude im Stil einer Kaserne umgrenzt. Statt Pferdeställen sollen Läden und Cafés die in der Mitte belassene Fußgängerzone säumen. Der Atatürk Kulturpalast wird nach diesen Plänen deutlich im Schatten der wieder auferstehenden osmanischen Vergangenheit stehen. Das entspricht nur zu deutlich den Visionen der islamisch-konservativen Regierung. Ob es jedoch tatsächlich dazu kommen wird, ist noch nicht endgültig entschieden. Bereits 2005 sollte der Atatürk Kulturpalast eigentlich zugunsten eines Einkaufszentrums abgerissen werden. Aufgrund der öffentlichen Proteste musste die Istanbuler Stadtverwaltung diese Entscheidung revidieren.