Sie schreien ihre Wut hinaus. Auf die Extremisten, die vor Schulen und Universitäten nicht halt machen. Auf den Staat, der die Anschläge nicht verhindern kann. Auf ihren Bannern steht: "Lasst uns leben! Lasst uns studieren!" Auf den Straßen Islamabads protestieren Schüler, Studenten, Eltern, Lehrer und Dozenten, darunter auch Pervez Amirali Hoodbhoy, ein Physik-Professor.
"Diese Mörder glauben, die Himmelspforten stehen ihnen offen, wenn sie andere Menschen ermorden. Um die Extremisten zu besiegen, bedarf es keiner Armee-Offensive. Wir müssen ihr Gedankengut besiegen. Dieses Gedankengut, dass sie in unseren Moscheen, in Städten und in Dörfern verbreiten."
Der Wissenschaftler meint damit auch die etwa 20.000 Koranschulen in Pakistan – in die vor allem arme Pakistaner ihre Kinder schicken. Die grassierende Armut lässt sich auch an der Alphabetisierungsrate ablesen. Offiziellen Zahlen zufolge können 40 Prozent der Pakistaner weder lesen noch schreiben.
Koranschulen sind beliebt, weil sie kostenlos sind und Kinder dort verpflegt werden. Häufig aber werden sie auch indoktriniert. Eine der berüchtigsten dieser Schulen befindet sich sogar mitten in Islamabad. Der Leiter dieser Schule sagte vor etwas mehr als einem Jahr im Interview mit dem ARD-Hörfunk, Osama bin Laden sei kein Terrorist, sondern ein "Kämpfer für den Islam".
Andere sogenannte Gelehrte beteten vor einem Jahr mit ihren Schülern für die Männer, die die Charlie Hebdo Redaktion in Paris angegriffen hatten – die Cartoonisten hätten ihre gerechte Strafe bekommen, waren sie sich sicher. Der Kulturkampf in Pakistan – er findet vor allem an Schulen statt.
Das andere Pakistan
Die Bacha-Khan-Universität steht in diesem Kulturkampf für ein anderes, modernes Pakistan. Hier studieren Frauen und Männer auf einem Campus. Die Uni sieht sich als Hort für kreatives und kritisches Denken. Bacha Khan war ein Mitstreiter Gandhis. Sein Sohn gründete eine säkulare, linksgerichtete Partei, die sich den Taliban und ihrer Ideologie entgegenstellt.
Wohl auch deshalb haben die Angreifer ihr Ziel und auch den Zeitpunkt bewusst ausgesucht – sie wählten den Todestag Bacha Khans. Die Studenten der Universität sehen sich aber auch längst als Kämpfer. Ejaz Ahmed zum Beispiel, seinen Laptop hat er immer dabei. Ejaz lebt im Wohnheim auf dem Bacha-Khan-Campus. Am Mittwoch kam er mit dem Schrecken davon:
"Dieser Angriff richtete sich gegen eine neue, ganze Generation. Sie wollen unser Land zerstören. Aber wie schlimm es auch immer ist: Wir müssen weiter studieren. Wir müssen studieren und kämpfen. Am Ende werden unsere Stifte ihre Gewehre besiegen."
Ein Stift gegen eine Waffe
Worte, die nicht neu sind in Pakistan: Vor etwas mehr als einem Jahr sagten die Eltern von Kindern, die das Massaker in einer Schule in Peschawar überlebt hatten, Ähnliches. Ein Stift gegen eine Waffe – diese Worte gehen zurück auf die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai.
"Als wir die Waffen der Terroristen sahen, war uns klar, wie wichtig Stifte und Bücher sind."
Doch Kämpferinnen wie Malala spalten das Land. Sie mache Pakistan schlecht, ihr Buch sei unislamisch, sie sei eine Marionette der Amerikaner. Das befanden nicht etwa Extremisten, sondern unter anderem der Verband der Privatschulen, der Malalas berühmte Biografie nicht im Unterricht behandeln will.
Ob dahinter Angst vor den Extremisten oder echte Ablehnung steckt, lässt sich nur vermuten. Schulen und Universitäten mit einer liberalen Ausrichtung müssen jedenfalls streng bewacht werden. Am Mittwoch waren es wohl einige der mehr als 50 Sicherheitsleute der Bacha-Khan-Universität, die mit ihrem Einsatz noch Schlimmeres verhindert haben.
Selbst Lehrer sind inzwischen bewaffnet. Viele Pakistaner sind der Meinung, dass Bildung nicht nur ein Schlüssel zur Zukunft ist, sondern dass Bildung auch im wahrsten Sinne des Wortes erkämpft werden muss.