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Kulturkampf in Polen
Mit Kunst gegen die Propaganda des Nationalen

Wer in Polen gegen die nationalistisch ausgerichtete Regierung Position bezieht, dem drohen Strafen. Das hält Kulturschaffende nicht davon ab, Protest zu üben und Kunst zur kreativen Provokation zu nutzen. Sie organisieren sich dazu zum Teil in Bewegungen - auch global über die Landesgrenzen hinaus.

Von Jan Opielka |
    Protestanten am 24.07.2017 vor dem Präsidentenpalast in Warschau schwenken Plakate und fordern von Präsident Duda ein drittes Veto gegen die Justizreform.
    Demonstration in Polens Hauptstadt Warschau gegen die umstrittene Justizreform (dpa/Jan A. Nicolas)
    Mit der "Ode an die Freude" die Herzen der Menschen erreichen - das hatten sich die Veranstalter des Protestes gegen die umstrittene Justizreform im Sommer des Jahres als Ziel gesetzt. Der regelmäßige Protest eines Verbunds aus mehreren Dutzend Organisationen und vielen Künstlerinnen und Künstlern zeigte Wirkung: Der Europäische Gerichtshof EuGH kippte jüngst wesentliche Teile der Reform.
    "Kunst ist eine effektive Plattform"
    Auch Karolina Micula hat sich engagiert. Die 30-jährige Musikerin ist dabei noch in einer anderen Bewegung aktiv: Dem landesweit agierenden "Frauenstreik", der sich für Frauenrechte stark macht. Demonstrierende Frauen im ganzen Land haben bislang die von der Regierung und zivilgesellschaftlichen Gruppen vor einiger Zeit forcierte Verschärfung des Abtreibungsrechts gestoppt. Solche Erfolge und der laute, aber auch kreative Protest, sagt Micula, zeigen, dass Bildung und Aufklärungsarbeit bedeutend seien, und Kunst dafür eine effektive Plattform biete.
    "Die Kunst ist ein Weg, in eine Sensibilität zu gelangen und bestimmte Inhalte zu vermitteln, mit denen die Menschen sich auseinandersetzen können. Wir sehen inzwischen, dass die Menschen immer mehr verstehen, dass es keinen Sinn macht, vor dem Parlament in Warschau zu protestieren statt lokal zu handeln. Es ist wichtig, dass wir uns mit unseren Spektakeln und Liedern nicht nur in Warschau zeigen, sondern in ganz Polen."
    Alternativ und international
    Doch für dieses Engagement müssen politisch engagierte Künstler unter der ins Autoritäre abgleitenden polnischen Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit PiS mitunter mit Strafen bezahlen. Der Raum zugelassener Kritik scheint sich zu verengen. Der Poet und Publizist Jaś Kapela etwa hatte vor einigen Monaten den Text der polnischen Nationalhymne in eine Variante umgewandelt, die für die universellen Menschenrechte eintritt - und wurde wegen Verunglimpfung des Nationalliedes zu einer Geldstrafe verurteilt. Dies zeigt für den 34-Jährigen symbolisch, dass es in seinem Land insgesamt eine antiliberale Eintrübung des gesellschaftlichen Klimas gibt:
    "Unsere Regierung bewegt sich in Richtung Nationalismus, und daher wird alles, was gegen den Nationalismus ist, bestraft. Und alles, was der nationalistischen Ideologie entspricht, wird geduldet, auch wenn es gegen Gesetze unseres Landes verstoßen sollte. Die Gesetze werden sehr selektiv angewendet. Doch wir können mit Hilfe der Kunst eine Art Laboratorium für gesellschaftliches Leben und für gesellschaftliche Alternativen schaffen. Die Globalisierung hat es mit sich gebracht, dass wir uns auch international austauschen können: Eine Grafikerin aus Berlin kann mir etwa für einen Protest in Warschau mit einem Plakat aushelfen. Das alles geschieht, denn globale Probleme müssen wir in alternativen globalen Gemeinschaften bekämpfen."
    Kapela provoziert auch mit seiner Poesie und Essayistik viel und gerne. Zugleich beobachtet er, dass sich die protestierenden Gruppen immer besser vernetzen und auch mit Aktivistinnen und Künstlern zusammenarbeiten. Diese internationale Vernetzung findet auch in anderen Bereichen der Kultur statt, etwa bei engagierten Filmemachern.
    Menschrechtsverletzungen in Dokumentarfilmen
    Das Dokumentarfilmfestival "Watch Docs" in Warschau zeigte Anfang Dezember rund 70 Streifen aus der ganzen Welt, die Menschenrechtsverletzungen anprangern. Die renommierte Helsinki-Stiftung, die das Filmfestival ausrichtet und wegen ihrer fundierten Kritik zum Thema Menschenrechte der polnischen Regierung ein Dorn im Auge ist, fördert auch den internationalen Austausch zwischen Filmemachern und Menschenrechtsorganisationen. Die Plattform dafür heißt "Future Docs".
    WatchDocs-Festivalleiter Maciej Nowicki sagt: "Die Dokumentarfilmer sind immer näher dran an den Menschenrechtsaktivisten. Die Filmemacher schaffen dabei einen Raum der Freiheit gegenüber der dominierenden politischen Propaganda. Und bis zu einem gewissen Grad sind Länder wie Venezuela, der Kongo und Polen ja durchaus ähnlich. Propaganda und Fake News, soziale Polarisierung, eine Gegenwehr gegen autoritäre Bewegungen – all dies sind ja global wirkende Realitäten."
    Die Plattform "Future Docs" ist eine der Antworten auf diese Globalisierung der Probleme. Dass sie dabei exemplarisch Kunst in die Politik bringt, scheint auch für viele Kulturschaffende in Polen mehr denn je ein Erfordernis der Zeit.