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"Kulturpass" in Frankreich
Kampf gegen das "kulturelle Gefängnis"

Präsident Emmanuel Macron setzt alles daran, Frankreichs Jugendliche an die Kultur heranzuführen. Mit einem "Kulturpass" soll unter anderem das Bewusstsein für die gemeinsame Identität gestärkt werden. Die Fehler, die Italien mit dem gleichen Projekt unterlaufen sind, will man vermeiden.

Von Jürgen König |
    Touristen warten vor der gläsernen Pyramide im Hof des Louvres
    "Eine unerschöpfliche Quelle für das Nachdenken, für die Emanzipation, für das Glück": Frankreich möchte sein kulturelles Erbe auch für benachteiligte Jugendliche zugänglich machen. (dpa/picture-alliance/Johanne Hoelzl)
    Es gebe keine französische Kultur, sondern viele Kulturen in Frankreich – mit diesem Satz hatte der Wahlkämpfer Emmanuel Macron im linken wie im rechten Lager für erhebliche Aufregung gesorgt. Doch Macron ließ sich nicht beirren, sondern propagierte in seinen Auftritten immer wieder, diesen "vielen Kulturen in Frankreich" mehr Raum zu geben als bisher und dafür umgekehrt auch die kulturellen Institutionen zu öffnen: für alle.
    "Was wir für die Kultur machen werden, meine Freunde: Wir werden allen einen Zugang zur Kultur verschaffen und einen Weg dorthin bereiten - das will ich. In ganz Frankreich muss der Staat seine Verantwortung übernehmen, wir könnten zum Beispiel unsere Bibliotheken auch am Abend und an den Wochenenden öffnen! Aus demselben Grund möchte ich dem Beispiel Italiens folgen: Jeder Jugendliche soll mit 18 Jahren einen Kulturpass erhalten, im Wert von 500 Euro - und die kann er für Kultur ausgeben - welcher Art von Kultur auch immer, das steht ihm völlig frei!"
    Zuschuss von amerikanischen Internetriesen?
    Etwa 800.000 Jugendliche, so die Schätzungen, werden diesen Kulturpass in Frankreich jedes Jahr bekommen, würden alle ihn in Anspruch nehmen, wären alljährlich 400 Millionen Euro nötig. In Italien nutzten nur etwa 60 Prozent der Jugendlichen ihren Kulturpass in voller Höhe aus, bezogen auf Frankreich würde das immer noch Gesamtkosten von 240 Millionen Euro pro Jahr bedeuten. Bezahlen sollen sie die Kulturinstitutionen. Einen kräftigen Zuschuss erwartet man von den Internetriesen Google, Amazon, Facebook und Apple - die Verhandlungen dazu sollen schon laufen.
    Spätestens im neuen Jahr soll es den Kulturpass geben: Jeder Jugendliche bekommt ihn zu seinem 18. Geburtstag geschenkt. Er teile die kulturpolitischen Ziele des Präsidenten völlig, betonte Premierminister Edouard Philippe bei seiner Regierungserklärung.
    "Auch die Kultur führt uns zusammen - unsere Sprache, unser Erbe, das, wofür Frankreich in der ganzen Welt bewundert wird. Und was all jene hassen, die unser Land in den letzten Jahren mit blankem Terror mehrmals angegriffen haben. Sie hassen das alles, Zeichnungen, Bücher, Musik, die Theater, weil sie ganz genau wissen, dass es eine unerschöpfliche Quelle ist: für das Nachdenken, für die Emanzipation, für das Glück."
    Kultur als Hilfestellung bei der Sinnsuche
    Die neue Kulturministerin, Francoise Nyssen, stellte im Kulturausschuss der Nationalversammlung ihre Prioritätenliste vor - und auch bei ihr stehen an oberster Stelle: die Pflege der kulturellen Vielfalt und der möglichst einfache Zugang zur Kultur für alle.
    "Das Ziel ist, jedem die Mittel zu geben, um kulturelles Neuland zu entdecken, um das kennenzulernen, was man bisher noch nicht kannte. Und dabei unabhängig zu werden von möglichen sozialen und finanziellen Einschränkungen durch die Familie. Das ist die Verantwortung des Staates: Das kulturelle Gefängnis zu bekämpfen, die Vielfalt zu zeigen, die es gibt: in den Büchereien, in den Museen, im Theater, im Kino. Und dabei haben die Jugendlichen Priorität. Denn sie stehen den Herausforderungen unserer Gesellschaft am hilflosesten gegenüber: Arbeitslosigkeit, Terrorismus, Klimawandel - die Jugend muss sich damit auseinandersetzen und ist doch noch dabei, ganz grundsätzlich nach Sinn zu suchen, nach Freiheit auch - ihr muss man helfen: deshalb werden wir sie in den Mittelpunkt unserer Politik stellen."
    Aus den Erfahrungen, die Italien mit dem Kulturpass machte, will man lernen. Dort wurden immer wieder Gutscheine verkauft - das soll in Frankreich nicht möglich sein: Das Geld kann nur über eine App ausgegeben werden. Und ein gewisses Maß an Vielfalt wird auch vorgeschrieben: Zwischen mehreren Musik-Downloads muss Geld auch für andere Kulturgenüsse ausgegeben werden.