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Kulturpolitik
Mit Unterschriften gegen das Theatersterben

Bei der geplanten Theater- und Orchesterreform im Osten Mecklenburg-Vorpommerns geht es vor allem darum, Geld zu sparen. Kritiker der Pläne befürchten einen Verlust an Kultur.

Von Silke Hasselmann |
    "Das ist eine ganz große Qualität, die diese Oper ausmacht: Das unmittelbare Dabeisein, unglaublich viel Tempo, sehr viel Witz, und man kann sich darauf gefasst machen, dass man sich ständigen Überraschungen gegenüber sieht, denn bei Rossini ist so ziemlich alles möglich."
    So schwärmte die Dramaturgin Katja Pfeifer über die Stralsunder Inszenierung des "Barbiers von Sevilla", und weit über 1.000 Opernfreunde schwärmen seit dem Frühjahr mit. Nun die Vorfreude auf die neue Spielzeit in der Hansestadt und "Das schlaue Füchslein", "Carmen", "Don Pasquale". Die dortigen Opernfans können zudem auf Beständigkeit zählen, selbst wenn ihr Haus in dem geplanten "Staatstheater Nordost" aufgeht. Denn der Bereich Oper/Opernorchester soll eigenständig weiterproduzieren.
    Aufdiktierte Spartenverknappung
    Dagegen würden die Stralsunder Schauspiel-, Ballett- und Konzertfreunde nur noch Inszenierungen anderer Häuser sehen. Denn wenn das Theater Vorpommern mit den Häusern Stralsund, Greifswald und Putbus zusammengeführt ist mit der Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz, müssen sich alle Häuser auf nur noch ein bis zwei Sparten konzentrieren und die anderen Bühnen mitbespielen. So steht es im "Eckwertepapier über Theater und Orchester im östlichen Landesteil", erstellt im Auftrag von Kultusminister Mathias Brodkorb (SPD).
    "Wir stehen vor der Frage: Kommen wir zu einem Zusammenbruch der Strukturen, jedenfalls an manchen Stellen? Oder ist das eine geordnete Umstrukturierung? Das ist ja gerade der Sinn der Reform, die Struktur so umzustellen, dass für den Zuschauer möglichst wenig Kulturverlust eintritt.
    Die entscheidende Frage ist nur die: Ist es ein hinnehmbarer Verlust, dass die Oper, die in Stralsund inszeniert wird, auch in Neustrelitz gespielt wird oder umgekehrt ein Schauspiel aus Neustrelitz auch mal in Greifswald gezeigt wird. Ist das ein Verlust an Kultur oder nicht?"
    Mit Unterschriften für den Kulturerhalt
    Ja, meint das TheaterNetzwerk Mecklenburgische Seenplatte und überreichte dem Neustrelitzer Bürgermeister gerade rund 4.000 Unterschriften unter das Bürgerbegehren zum Erhalt der Theater- und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz.
    Die Stadt als einer von drei Gesellschaftern solle darauf hinwirken, "die TOG samt der Tochtergesellschaft Deutsche Tanzkompanie GmbH Neustrelitz als eigenständiges produzierendes Vier-Sparten-Theater zu erhalten".
    Einen Verlust an Kultur bei einem Staatstheater Nordost fürchtet auch die Stralsunder Bürgerinitiative "TheaterLeben" und übergab Mitte Juli knapp 6000 Unterschriften an den Bürgermeister der Hansestadt. Denn, so Sprecherin Inkeri Beland im NDR:
    "Ich denke, bei allen wirtschaftlichen Überlegungen können wir es uns eben nicht leisten als Stadt, auf Theater in dieser Form zu verzichten. Auf die vier Sparten, auf die Autonomie, auf die regionalen Künstler. Wir holen uns Arbeitsplätze in die Stadt. Wir holen uns einen kulturellen Geist in die Stadt mit neuen Einwohnern. Wir holen uns Wirtschaft und Besucher in die Stadt. Davon leben wir. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie es finanzierbar sein kann. Das ist das Städtetheater-Modell, das wirklich realistisch durchgerechnet ist. Das übersteigt die derzeitige Wirtschaftslage der Stadt nicht."
    Stralsunds Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) hält das Bürgerbegehren rechtlich für unzulässig und verhandelt weiter mit dem Land über ein Staatstheater Nordost, auch wissend, sich die jeweiligen Städte und Landkreise ihre Theater- und Orchestergesellschaften in jetziger Form nicht leisten können.
    Laut einer Studie der Landesregierung werden das Theater Vorpommern und die Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz bis 2022 bei einem Defizit von zusammen knapp 30 Millionen Euro landen, wenn nichts passiert.
    Hilfe aus Schwerin
    Schwerin bietet den kommunalen Gesellschaftern Hilfe an und will den künftigen Zufluss von Finanzmitteln rechtsverbindlich festschreiben, darunter viele Millionen Euro für Theaterneubauten oder Sanierungen. Die Bedingung: Es kommt zu weiteren Fusionen jetziger Theater-Gesellschaften - und damit auch zu einem "Staatstheater Nordost". Oder es gibt kein zusätzliches Geld vom Land, sagt Kultusminister Mathias Brodkorb.
    "Die andere Möglichkeit wäre zu sagen 'Nee, wir wollen alles so lassen, wie es ist'. Aber das bedeutet, mehrere Millionen auf den Tisch zu legen. Ich habe bloß bis heute noch niemanden getroffen, der mir sagen kann, wo das Geld herkommen soll. Da müsste eine Stadt sagen: 'Mein Theater ist mir so wichtig. Da bin ich auch bereit, diese Gelder an anderer Stelle wegzunehmen und dem Theater zu geben.' Diese Kraft hat bisher noch keiner aufgebracht, und das ist ein bisschen unser Dilemma."