Burkhard Müller-Ullrich: Nach dem sauren Regen, dem Waldsterben und dem Rinderwahnsinn kommt eine neue Katastrophe auf uns zu: das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Die EU-Kommission will das mit den USA aushandeln und umgekehrt, aber in Europa sind viele Menschen dagegen, so wie sie überhaupt gegen die Globalisierung sind. Auch im Bundestag ging es heute bei der Frage, ob TTIP und das kanadische Vorbild CETA Fluch oder Segen sind, hoch her. SPD-Chef Gabriel zeterte über eine unheilvolle Allianz von Linken und AfD gegen Europa und freien Welthandel, Bundespräsident Gauck regte zum Auftakt seines Staatsbesuchs in Kanada eine stärkere Diskussion über Vor- und Nachteile der Globalisierung an. Und was, Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, hat das alles mit Kultur zu tun?
Olaf Zimmermann: Na ja, TTIP und auch CETA betreffen die Kultur unmittelbar. Das wird auch heute von niemand mehr bestritten. Und eigentlich will zumindest im Deutschen Bundestag auch Sigmar Gabriel nicht, dass die Kultur und der Medienbereich von CETA und TTIP letztendlich betroffen sind. Aber man muss noch den Weg finden, wie man quasi wieder rauskommt aus dem, was man einmal ja schon vereinbart hat. Das heißt, die Verhandlungen laufen ja schon seit anderthalb Jahren, und man hat auch schon der Europäischen Kommission quasi einen Auftrag gegeben und bei diesem Auftrag hat man nicht richtig aufgepasst, und so ist jetzt der Kultur- und Medienbereich mit hineingerutscht.
Müller-Ullrich: Zu der Methode, wie man da rauskommt oder wie man weiterkommt, gehört für Sie, dass Sie beigetreten sind einer Organisation, die heißt „Stopp TTIP" - Sie als Kulturrat -, eine Organisation, die, um es kurz zu machen, links-grün dominiert ist. Die Frage ist, Herr Zimmermann: Sind Sie da wirklich in guter Gesellschaft?
Zimmermann: Ja, das glaube ich schon, dass wir da in guter Gesellschaft sind, weil die Fragen, links, rechts, oben, unten, die spielen dabei gar keine so große Rolle. Uns vereint, dass wir dieses Freihandelsabkommen in dieser Form, wie es jetzt letztendlich verhandelt wird, dass wir das verhindern wollen, und es sind ja 250 Organisationen, die sich in Europa zusammengetan haben, die diese europäische Bürgerinitiative auf den Weg bringen wollen.
Müller-Ullrich: ... darunter sämtliche Attac-Filialen in Europa, darunter die Bürgerinitiative FrackingFreies Hamburg, FrackingFreies Hessen, die Grünen, Die Linken.
Zimmermann: So ist es!
Müller-Ullrich: Ganz Unrecht habe ich nicht, oder?
Die Union hat sich bisher dieser Debatte vollkommen verschlossen
Zimmermann: Nein, haben Sie nicht. Aber wir hatten gerade heute in der Mitgliederversammlung des Deutschen Kulturrats die Kulturstaatsministerin zu Besuch. Wir haben sehr intensiv gerade auch über das Thema TTIP gesprochen und ich habe sie gefragt und habe gesagt, warum können wir nicht auch mit der Union über diese Fragen offener sprechen. Warum wird bei der SPD auf dem Parteikonvent doch sehr offen letztendlich über diese Frage, ist TTIP, ist CETA gut, oder eben nicht so gut, diskutiert und auch gestritten, weil darüber kann man natürlich auch streiten. Die Union hat sich bisher dieser Debatte vollkommen verschlossen. Die Kulturstaatsministerin hat uns versprochen, ein gutes Wort einzulegen beim Generalsekretär, damit wir auch mit ihm über diese Fragen mehr diskutieren können. Vielleicht würde sich das Bild dann auch ändern.
Müller-Ullrich: Okay. Was die Frau Grütters sagt, das fragen wir sie dann noch mal selbst. Aber von Ihnen hätte ich gern gewusst, Herr Zimmermann: Wie ist das mit der Zeit? Im Grunde ist das Abkommen ja noch gar nicht ausverhandelt. Das heißt, im Augenblick finden Vorgespräche statt. Und das ist ja auch der Grund, weswegen eine europäische Bürgerinitiative zunächst mal, man kann es scharf sagen, abgemeiert wurde von der EU-Kommission.
Zimmermann: So ist es.
Müller-Ullrich: Das heißt, man hat gesagt, ihr könnt euch zwar gegen Rechtsakte wenden - das kann ja eine solche europäische Bürgerinitiative, wenn sie eine Million Stimmen aus sieben Staaten zusammenkriegt -, aber im Augenblick handelt es sich noch nicht um Rechtsakte, sondern nur um Vorgespräche. Stimmt ja auch, oder?
Europäische Bürgerinitiative quasi abgelehnt
Zimmermann: Nein, nein! So hat sie das ja nicht gesagt, die Kommission. Sie hat die europäische Bürgerinitiative quasi abgelehnt. Wir werden da auch jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof gegen klagen. Aber sie hat gesagt, dass das Verhandlungsmandat zu TTIP und CETA keine Rechtsakte seien, sondern interne Vorbereitungsakte zwischen EU-Organen, und das würde, sollte sich das quasi bestätigen, bedeuten, dass die Zivilgesellschaft überhaupt keine Einflussmöglichkeit auf Verhandlungen hat, die die Europäische Kommission bei Freihandelsabkommen führt, und das ist natürlich zutiefst undemokratisch, und ich glaube auch nicht, dass das Bestand haben wird. Hier wird versucht, uns die Möglichkeit zu nehmen, [Anm. d. Red.: Die Abschrift des Interviews weicht in dieser Passage aufgrund einer Korrektur von der Sendefassung ab], uns europaweit zu organisieren, weil die Europäische Kommission offensichtlich Sorge hat, dass wir erfolgreich wären.
Müller-Ullrich: ..., sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, dem ich zunächst mal danke und noch eine ganz winzige Frage dranhänge. Herr Zimmermann, hat es nur Nachteile, dieses TTIP, oder gibt es auch ein paar Chancen, wenn man Freihandel treibt?
Zimmermann: Ein Freihandelsabkommen kann auch sehr positiv sein. Da gibt es überhaupt gar keine Fragen. Wir wollen ja einen weltweiten vernünftigen Handel unter vernünftigen Standards. Das bedeutet aber, dass auch nicht wir nur sagen können, diese Standards sind wichtig, die wir zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika machen. Es kann auch nicht nur darum gehen, dass es uns danach besser geht, sondern wir müssen natürlich auch in die Welt schauen, welche Wirkungen das in der Welt hat. Das kommt ja noch erschwerend hinzu. Dieses Freihandelsabkommen schadet nicht nur der Kultur, sondern es schadet ganz besonders auch den Menschen in der Dritten Welt, und da finde ich, dass das nicht der richtige Weg ist.
Müller-Ullrich: Herr Zimmermann, vielen Dank.
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