Die Hoffnung stirbt zuletzt. Daran haben unverbesserliche kubanische Optimisten noch Anfang letzter Woche geglaubt. Doch bereits die Eröffnungsrede des scheidenden Parteichefs Raúl Castro auf dem 8. Kongress der Kommunistischen Partei in Havanna machte klar, dass der Generationenwechsel nicht zu einem kulturpolitischen Wandel führen wird. Als er sich mit der ständig wachsenden Zahl oppositioneller Meinungen im Internet beschäftigte, formulierte er:
"Die Straßen, Parks und Plätze gehören den Revolutionären und werden ihnen immer gehören, und wir werden unserem heroischen Volk niemals das Recht nehmen, die Revolution zu verteidigen."
Auf den Straßen und Plätzen hat sich in den vergangenen Monaten massiver Widerstand von Kulturschaffenden artikuliert. So zum Beispiel am 27. November vergangenen Jahres, als Hunderte von ihnen vor dem Kulturministerium gegen die wachsende Repression und die fehlende Meinungsfreiheit protestierten. Eine solche Manifestation hatte es in den rund 60 Jahren seit dem Sieg der Revolution nicht gegeben.
Kulturschaffende fordern mehr Demokratie
Das Regime schien von dem Massenprotest derart überrascht, dass es zunächst einen Dialog anbot, aber kurz darauf mit einer Hetzkampagne reagierte. Die Demonstranten formierten sich daraufhin zur Bewegung 27N und formulierten kurz vor dem Parteitag ihre Forderungen nach mehr Demokratie in einem öffentlichen Manifest. Die Antwort lieferte Raúl Castro in seiner Rede auf dem Kongress, als er auf die Bedeutung der sozialen Netze einging.
"Es darf keinen Raum - weder für Naivität noch für maßlosen Enthusiasmus - für die neuen Technologien geben, ohne dass die Informationssicherheit garantiert ist. Die Lüge und die falschen Nachrichten kennen keine Grenzen, sondern zeigen Kuba als eine sterbende Gesellschaft ohne Lösungen, um einen sozialen Aufstand hervorzurufen."
Mit den gleichen Argumenten pflegt das Regime kritische Äußerungen und Aktionen oppositioneller Kulturschaffender zu desavouieren: Sie verbreiteten Fakenews, seien Unruhestifter, Terroristen und von den USA bezahlt, die sowieso den Zusammenbruch des Systems herbeiführen wollten.
Furcht vor politischer Öffnung bleibt
Eigentlich wäre es für die Regierung an der Zeit gewesen, ein Zeichen des vorsichtigen Wandels nach Washington zu senden, damit US-Präsident Biden die von Trump verhängten und für Kuba verheerenden Zwangsmaßnahmen beendet. Denn die kubanische Ökonomie liegt am Boden, der Bevölkerung geht es so schlecht wie vor 30 Jahren - in der euphemistisch "Período Especial" genannten "Sonderperiode in Friedenszeiten". Die katastrophale gegenwärtige Lage ist eine Folge missratener Wirtschaftspolitik, verstärkt durch die US-Sanktionen und die Pandemie.
Doch Präsident und nunmehr Parteichef Díaz-Canel und seine post-revolutionäre Generation scheinen genauso wie ihre Vorgänger zu fürchten, dass die geringste politische Öffnung eine Bresche im System verursachen könnte, die sie nicht mehr zu schließen vermögen. Deshalb ließen sie von der Staatssicherheit kurz vor dem Parteitag zahlreiche kulturpolitische Aktivistinnen und Aktivisten verhaften oder unter Hausarrest stellen. Und sie hinderten Tania Bruguera, die gegenwärtig berühmteste Künstlerin der Insel daran, an der Universität Harvard einen Online-Vortrag über Kunst und Zensur in Kuba zu halten.
Ein besonders zukunftsweisendes kulturpolitisches Signal sendete der Parteitag gestern aus: TV-Moderator Humberto López, der berüchtigtste Scharfmacher der kubanischen Medien, wurde ins Zentralkomitee berufen. Das Ergebnis dieses Parteitags hat niemand treffender resümiert als die bekannte Bloggerin Yoani Sánchez: "Castro geht, aber der Castrismo bleibt."