Michael Jansen, Urbanist beim ICOMOS, dem Internationalen Rat für Denkmalpflege, hat wenig Hoffnung auf einen baldigen Wiederaufbau in Syrien:
"Vor drei Wochen bin ich aus Afghanistan zurückgekommen. Der Krieg dort endete 2002, also vor 14 Jahren. Aber eine Stunde Null gibt es bis heute nicht. Kabul ist in schlimmem Zustand, wie immer. Die UNESCO bringt uns immer im Green Village unter. Dort ist alles gut, und außerhalb ist alles schlecht. Das ist eben der Unterschied. Wir müssen in dieser Region mit völlig neuen Situationen umgehen."
In den neuen Konflikten gibt es keine Friedensverträge mehr
Das liege unter anderem daran, sagt Jansen, dass es in den neuen Konflikten wie in Afghanistan oder auch in Syrien keine Friedensverträge mehr gebe, die einen Krieg auch formell beenden. Theoretisch könnten die Konflikte endlos immer weiter schwelen, zumal in Syrien sechs bis acht Kriegsparteien beteiligt sind. Man könne nie genau sagen, wer für welche Zerstörungen verantwortlich ist und eventuell später erneut angreift. Ist unter solchen Umständen überhaupt Wiederaufbau zu denken? Der Archäologe Mamoun Fansa, der selbst in Aleppo aufgewachsen ist, macht die emotionale Dimension der Frage deutlich. Er verliert nämlich, wie er sagt, allmählich die Geduld mit den Debattierclubs der UNESCO und des ICOMOS.
"Ich muss mal sehen, dass es irgendwann mal in Aleppo beginnt, sonst mach ich Selbstmord oder irgendwas. Aber es geht nicht weiter so!"
Planung für Wiederaufbau auch jetzt schon sinnvoll
Also genug debattiert? Friedrike Fless, Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts, findet es in der Tat sinnvoll, sich schon jetzt über den Wiederaufbau Gedanken zu machen, auch wenn der Bürgerkrieg in Syrien noch andauert.
"Wir waren Jahrzehnte Gast in Syrien, haben dort forschen dürfen und fühlen uns jetzt auch verpflichtet, auch was zurückzugeben und die Kollegen zu unterstützen, den Wiederaufbau ihres Landes einfach planen zu können. Und egal wo, also in Syrien selber oder hier oder in anderen Ländern, dass wir sie zusammenbringen."
Doch wie beginnen? Prinzipielle Skrupel sind auch auf dieser Tagung bei vielen Referenten zu beobachten. Schon die Frage: Wie wird wiederaufgebaut? Wer soll daran beteiligt sein? Etwa das Assad-Regime? Oder eine internationale Kooperation, die auf eine Ablösung des Regimes wartet? Die Archäologin Ulrike Wulff-Reidt ahnt, dass es heikle Fragen zu klären gibt. Wer bestimmt, wie die aufgebauten Städte am Ende aussehen, sofern es keine Weltkulturdenkmäler sind, bei denen die UNESCO entscheidet?
"Wir müssen da, glaube ich, sehr aufpassen, dass wir diese Altstädte nicht mit unseren romantischen Ideen verbinden. Viele Leute sagen, ich will nicht mehr in einem Haus wohnen, in dem es kein Bad gibt oder in dem es keine Toilette gibt. Das müssen wir ernst nehmen. Aber: Wir können sie davon überzeugen, dass diese Gebäude Qualitäten hatten, aber das muss in einem Diskurs ausgehandelt werden, das können wir ihnen nicht vorschreiben."
Kommunikation mit den Menschen vor Ort das Ein und Alles
Auf der Tagung und der angeschlossenen Denkmalsmesse nebenan werden viele Detailvorschläge und Beispiele ausgebreitet – pädagogische Initiativen für die Bevölkerung und Architekten vor Ort, Konzepte für sanften Tourismus, eine Art Polizei für den Kulturgüterschutz bis hin zu Billig-Rekonstruktionen aus dem 3D-Drucker. Mada Saleh, syrische Expertin für Wiederaufbau an der TU Berlin, glaubt, dass die Kommunikation mit den Menschen vor Ort das Ein und Alles bei diesem Wiederaufbau ist. Vorschnelle Festlegungen und Pläne könnten sogar schaden, glaubt sie.
"Konkrete Pläne zu machen ist in so einer Situation immer problematisch. Die meisten Einwohner von Aleppo sind jetzt nicht mehr dort. Sie sind unter anderem hier in Deutschland, auch ehemalige Bewohner der Altstadt. Man kann jetzt mit ihnen sprechen, aber Pläne müssen deshalb immer wieder angepasst werden an die Situation, die sich dauernd verändern kann."
Viele Pläne und Stadtmodelle für den Wiederaufbau in Afghanistan und im Irak sind an westlichen Schreibtischen entstanden. Ideale Importstädte, die zwar gut gemeint, aber letztlich eine Entmündigung ihrer künftigen Bewohner sind. Das soll sich in Syrien nicht wiederholen.