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Kulturstreit zwischen Italien und Frankreich
Wem gehört Leonardo?

Frankreich und Italien planen 2019 Ausstellungen zum 500. Todesjahr Leonardo da Vincis. Beide beanspruchen jeweils dessen Kunstwerke für sich. Darüber gibt es Streit. Die populistische italienische Regierung zweifelt einen bereits geschlossenen Vertrag an.

Von Thomas Migge |
    Das weltberühmte Ölgemälde "Mona Lisa" von Leonardo da Vinci hängt im Louvre Museum in Paris.
    Das weltberühmte Ölgemälde "Mona Lisa" von Leonardo da Vinci hängt im Louvre Museum in Paris. (imago/Eibner Europa)
    "Leonardo ist ja nicht nur ein in der ganzen Welt bekanntes Genie, sondern auch ein bedeutender Italiener. Wir müssen stolz auf ihn sein und diesen Stolz zeigen. Wir müssen dagegen aufbegehren, wenn immer wieder in Zweifel gezogen wird, dass er ein Italiener ist."
    Lucia Borgonzoni ist Staatssekretärin im Kulturministerium und militantes Mitglied der rechtsradikalen Regierungspartei Lega. Sie bezeichnet sich als überzeugte Nationalistin und Gegnerin der Europäischen Union. Für Borgonzoni ist es deshalb ein Unding, dass der 500. Todestag des Italieners Leonardo da Vinci nicht in Italien, sondern in Frankreich mit einer großen Ausstellung gefeiert werden soll.
    Borgonzoni versteht sich als kulturpolitischer Arm des bärbeißigen Innenministers Matteo Salvini. Der Chef der Partei Lega ist seit langem gar nicht gut auf die Franzosen zu sprechen, wirft er ihnen doch vor, den Italienern gegenüber in Sachen Immigration arrogant aufzutreten.
    Unhaltbare Bedingungen
    Salvini und auch Borgonzoni bedienen sich bei ihrem antifranzösischen Sprech der in weiten Kreisen Italiens grassierenden Ressentiments gegen den Nachbarn. Die Franzosen: Arrogante Leute, deren Kultur, so schrieb die Tageszeitung "Padania", herausgegeben von der Lega, "nichts ohne den Einfluss Italiens wäre".
    Ganz in diesem Sinn will Staatssekretärin Borgonzoni bereits für das Leonardo- Jahr 2019 getroffene Abmachungen mit Frankreich canceln:
    "So wie das im Moment aussieht, werde ich dafür sorgen, dass Leonardos Kunstwerke nicht nach Frankreich entliehen werden, weil die Bedingungen, die vor meiner Amtszeit unter dem vorherigen Kulturminister ausgehandelt wurden, unhaltbar sind. Unhaltbar ist auch der Umstand, dass neben der "Mona Lisa" von Leonardo noch viele andere italienische Kunstwerke im Louvre sind, Kunst, die eigentlich nach Italien gehört."
    Der sozialdemokratische Kulturminister hatte vor rund einem Jahr mit seinem französischen Amtskollegen entschieden, im Herbst 2019 fast alle wichtigen Werke Leonardos an den Louvre für eine große Ausstellung zu entleihen. Diese Werke wären in der ersten Jahreshälfte 2019, so die Idee des damaligen Kulturministers, in italienischen Gedenkausstellungen gezeigt worden. Es stimmt also nicht, wenn die Staatssekretärin nun behauptet, dass Italien im Gedenkjahr Leonardos ohne dessen Kunstwerke bliebe.
    Ob es nun zu der Leonardo-Schau im Louvre kommen wird, ist derzeit mehr als unsicher.
    Ausgeprägter Kulturnationalismus
    Mit ihrem nationalistischen Vorstoß in Sachen Kulturpolitik steht Staatssekretärin Borgonzoni nicht allein. Ihr Verhalten in Sachen Louvre ist nur die Eisbergspitze eines neuen Kulturnationalismus der nach ganz rechtsaußen tendiert.
    So äußerte sich etwa vor kurzem in einer TV-Talkshow Aurora Lussana, Legapolitikerin aus der Lombardei, zu der nachweisbar homophoben, antisemitischen, ausländerfeindlichen Organisation der neofaschistischen Jugend "Casapound" folgendermaßen:
    "Casapound ist nicht verboten. Sie ist nichts anderes als eine Kulturorganisation. Die machen etwa Veranstaltungen zu Alain de Benoit, dem Vordenker der Neuen Rechten in Frankreich, aber auch zur Sozialpolitik von Mussolini. Das ist eines der aktivsten Kulturzentren Roms."
    Der neue italienische Kulturnationalismus könnte bei der internationalen Zusammenarbeit viel kaputt machen. Nicht nur ist offenbar ein Vertragsbruch bezüglich der Leonardo-Schau im Louvre möglich, sondern auch auf dem internationalen Kunstmarkt.
    Verunsicherte Ausstellungsmacher
    So soll zum Beispiel ein im vergangenen Jahr vom damaligen italienischen Kulturminister genehmigter Verkauf eines Gemäldes von 1820 an die New Yorker Frick Collection rückgängig gemacht werden. Das Bild zeigt den römischen Prinzen Camillo Borghese, ein Werk von François Gérard.
    Das Bild sei ein nationales Kulturgut, argumentiert jetzt das römische Kulturministerium und will den Verkauf rückgängig machen. Auch andere bereits getätigte Verkäufe italienischer Kulturgüter sollen in diesem Sinn angefochten werden.
    Dieses nationalistische Auftreten, auch in der internationalen Kulturpolitik, verunsichert Ausstellungsmacher, Kunsthändler sowie institutionelle und private Sammler. Ein Verhalten, das Italien kulturpolitisch innerhalb der EU und weltweit in eine Außenseiterrolle drängen könnte.