Mit einem Team von Mitarbeitern hat der Kulturwissenschaftler Martin Tröndle die Studie "Nicht-Besucher-Forschung" durchgeführt, die gerade veröffentlicht worden ist. Es sei schwer, die Zahl der Nicht-Besucher herauszufinden, berichtete Tröndle im Dlf. Es gebe Erhebungen dazu, wie viel Prozent kulturelle Veranstaltungen besuchten, aber konkrete Zahlen gebe es nicht. "Klar ist wohl, dass die Mehrheit Nicht-Besucher sind."
Für die "Nicht-Besucher-Studie" seien nicht nur Museen, sondern auch Theater, Konzerthäuser, Rock- und Popkonzerte einbezogen worden. Es seien Leute mit einem Fragebogen befragt worden, warum sie bestimmte Veranstaltungen nicht aufsuchten. Und für einige Nicht-Besucher hätte es dann Freikarten für Opernhäuser in Berlin gegeben. Vor und nach dem Besuch seien Interviews geführt worden. "So haben wir versucht, das Erleben von Kunst abzufragen."
Zeit und Geld nur vorgeschobene Gründe
Geld- und Zeitmangel als Gründe für den Nicht-Besuch seien oft vorgeschobene Gründe, so Tröndle. "Mit einer tieferen Analyse zeigt sich, es ist weder Geld noch Zeit. Die Nicht-Besucher haben mehr freie Zeit als die Besucher und auch Geld ist nicht ausschlaggebend."
Es sei auch die Bildung der Eltern für die Studie abgefragt worden. "Da zeigt sich, man kann nicht davon ausgehen, dass wenn die Eltern studiert haben, dass die Kinder dann der Hochkultur zugeneigt sind. Sondern es zeigt sich vielmehr, wenn die Eltern eher Kunst- oder Kulturwissenschaften oder Geisteswissenschaften studiert haben und sich damit auseinandersetzen, dann gehen die Kinder dahin." Wenn sich die Eltern damit nicht beschäftigten, gingen die Kinder nicht hin, so der Kulturwissenschaftler.
Musikgeschmack und Freundeskreis ausschlaggebend
Das sei aber nur ein Faktor von vielen. "Ganz wichtig ist schlicht und ergreifend der Musikgeschmack, der ausschlaggeben ist, ob jemand solche Veranstaltungen besucht. Dann aber auch der Freundeskreis - also ob im Freundeskreis darüber gesprochen wird oder nicht. Und die Möglichkeit, mit jemandem so eine Veranstaltung besuchen zu können."
Ganz wichtig sei der Begriff der Nähe, betonte Tröndle. Wenn die möglichen Besucher Nähe erfahren würden - durch das Elternhaus, die Schule, die eigene Bildung - dann gingen sie zu den Veranstaltungen. "Sobald da Distanz ist, gehen sie nicht hin. Die Frage ist, müssten die Kulturinstitutionen nicht nur die Kunst in den Mittelpunkt stellen, sondern immer gleichzeitig auch noch fragen: Zeugen wir dadurch Nähe zu unseren potenziellen Besuchern?"
Ein Großteil der Befragten habe angegeben, sich grundsätzlich für Kunst und Kultur zu interessieren. Deswegen, so das Fazit der Studie, "könnte man eigentlich die Besucherzahl um 75 Prozent steigern. Das ist natürlich immens viel."