Ein Ereignis wie die Pandemie mache "auf recht irritierende Weise" den großen Anteil derjenigen sichtbar, die sich grundsätzlich von der Vernunft der Institutionen und der Vernunft der medialen Berichterstattung abgekoppelt hätten, sagte Andreas Bernard.
"Das ist schon etwas, was mich persönlich sehr verstört hat. Da hat jetzt Corona wie eine Art Beschleuniger gewirkt."
Im Verhalten von Corona-Leugnern sei oftmals eine extreme Widerspenstigkeit zu erkennen, sagte Bernard, der an der Leuphana-Universität in Lüneburg lehrt. "Man hat das Gefühl: Wenn sich Leute einmal in diese verschwörungstheoretische Erzählung eingegroovet haben, dann kann sie im Grunde fast keine konkrete Erfahrung mehr von dieser Spur abbringen. Also die Renitenz ist doch sehr verwunderlich."
Bei genauerem Blick auf das Weltbild passionierter Impfgegner kämen nicht selten Spuren einer para-religiösen Erzählung zum Vorschein, so der Kulturwissenschaftler – "und zwar in solchen Kategorien wie dem "natürlichen Körper" oder dem Körper, der sich durch natürliche Prozesse heilt."
Die Impfung sei eine Errungenschaft der Medizin, die durch eine plötzliche, in einem Piks vollzogene Operation den Körper immun machen soll gegen eine Ansteckungskrankheit. In der Skepsis gegenüber dieser medizinischen Errungenschaft könne durchaus eine Traditionslinie zu einem religiösen Weltbild erkannt werden, sagte Bernard.
Impfgegner schon im frühen 18. Jahrhundert
Bereits die erste Impfung der modernen Seuchengeschichte, die Pockenprävention im frühen 18. Jahrhundert, habe sofort eine große Gegnerschaft auf den Plan gerufen, erklärte Bernard und erläuterte: "Es gab eine Bewegung gegen das Impfen, die damals gesagt hat, das Impfen würde die göttliche Vorsehung durchkreuzen. Und wer geimpft werde, könne sich sozusagen nicht mehr nach dem göttlichen Plan zu dieser Krankheit verhalten."
Mit Blick auf die Gegenwart habe Bernard das Gefühl, dass Gegner der - von diesen so bezeichneten - "Systemmedien" nicht so schnell wieder verschwänden. "Es könnte schon im Rückblick sein, dass man sagen wird: 'Corona war der Moment, als dieser Riss durch die Gemeinschaft sichtbar geworden ist und dann auch geblieben ist.' Und mit diesem Riss muss man dann umgehen lernen."
Das Interview in voller Länge:
Christiane Florin: Warum muss eine Pandemie erzählbar sein?
Andreas Bernard: Ich glaube, dass man auf jeden Fall in der Geschichte der Epidemien merkt, dass die Bekämpfbarkeit von Seuchen oder Pandemien immer an die Darstellbarkeit und Erzählbarkeit gekoppelt ist. In den Sommermonaten, als man sagte, Corona sei unter Kontrolle, hat das bedeutet, dass man alle Ansteckungswege und die ganzen Ausbreitungsweisen der Krankheit rekonstruieren konnte. Das war gleichbedeutend damit, dass man auch medizinisch oder epidemiologisch sagen kann: Wir haben die Pandemie unter Kontrolle.
Seit dem Spätherbst ist es genau andersherum. Es hieß seit Oktober, November: Es ist wieder außer Kontrolle geraten in Deutschland. Das war gleichbedeutend damit, dass man genau diese Darstellbarkeit und Erzählbarkeit nicht mehr gewährleisten konnte, weil Ansteckungswege plötzlich zu stark wucherten. Man konnte die Wege nicht mehr genau rekonstruieren. Dieser Zusammenhang interessiert mich: Inwiefern beim In-den-Griff-Kriegen von Epidemien der medizinische Aspekt und der darstellende oder narrative Aspekt immer zusammenhängen.
Florin: Welche Rolle spielt Angst in dieser großen Erzählung der Pandemie in Deutschland?
Bernard: Eine große. Wenn man ein paar Jahrzehnte zurückgeht, in die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, kann man immer sagen, dass die medizinische oder epidemiologische Herausforderung bei Seuchen in einem doppelten Sinne wuchert: Wenn Sie an die Anfangszeit von HIV, von Aids denken Anfang der 80er-Jahre: Es war eine unbekannte Krankheit, von der wir noch nicht wussten, wen sie trifft, wie die Ansteckungsgefahr ist, wer gefährdet ist und wie tödlich sie ist. Diese medizinische Unsicherheit hatte eine diskursive Wucherung zur Folge. Die Älteren werden sich erinnern, wie Anfang der 80er-Jahre etwas an Bedeutungszuschreibungen fast explodiert ist. Man wusste nicht genau: Wer bekommt das jetzt? Kann ich überhaupt einem Homosexuellen die Hand geben? Oder sterbe ich dann drei Tage später? Ein "Exzess der Signifikanten", so hat es eine Aids-Forscherin beschrieben. Das heißt, Angst vor der medizinischen Ungeklärtheit von Ansteckungskrankheiten äußert sich auch in einer Wucherung der Bedeutungszuschreibungen, der Interpretationen.
Auf der anderen Seite: Zu dieser Zeit, als HIV, Aids aufkam, hat man genau den anderen Fall gesehen: Die Pocken, die seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Europa eine extrem tödliche, extrem verheerende Seuche waren, sind in den Jahrzehnten bis 1980 unter Kontrolle gekommen. Durch Impfprogramme und Erfassungsprogramme hat man die allerletzten Winkel der Erde von den Pocken befreien können. In Ostafrika, 1977 in Somalia, war der letzte Patient. Da kann man genau sehen, wie auf umgekehrte Weise die medizinische Sicherheit und das medizinische Nicht-mehr-Angst-haben-Müssen auch zu einer Art diskursiven Beruhigung oder interpretatorischen Beruhigung führen. So sieht man es, glaube ich, in den Corona-Zeiten auch: Je unsicherer die Bekämpfung medizinisch ist, desto mehr wuchern wieder die Zweifel und Interpretationen.
"Die Renitenz der Corona-Leugner ist verwunderlich"
Florin: Wir sehen allerdings auch, dass die Erzählung nicht so greift, wenn es nicht auch die dazugehörige Erfahrung gibt. Menschen haben weniger Angst vor einer Pandemie, wenn sie zum Beispiel niemanden kennen, der daran schwer erkrankt oder daran gestorben ist. Das ist die Situation, glaube ich, im Moment: dass diejenigen, die die Maßnahmen kritisiert haben, etwas stiller werden, weil auch sie jetzt Menschen kennen, die schwer erkrankt oder gestorben sind. Wie bedeutsam ist die Erfahrung, damit eine Erzählung geglaubt wird?
Bernard: Man kann sagen: Das war das Kommunikations- oder Darstellungsproblem im Zusammenhang mit Corona im letzten Dreivierteljahr. Es gab einen unwägbaren Spalt zwischen den Daten, die man erzeugt hat - die Neuinfektionen pro Tag, die Verteilung der Infektionen nach Alter oder nach Regionen - und den persönlichen Erfahrungen. Diese Erfahrung, was es bedeutet, wenn man von dieser Krankheit betroffen ist, fehlte bei manchen Leuten, anders als bei ganz deutlich verheerenden Seuchen wie Cholera, an der 50 Prozent der Leute gestorben sind.
Wenn man zum Beispiel den Fußballsport nimmt: Man hat jede Woche gehört, es habe sich ein Spieler von diesem oder jenem Verein infiziert, sieben Spieler des Vereins seien in Quarantäne usw. Aber nie hat man gehört, dass ein Spieler erkrankt ist. Dieser Spalt hat natürlich zu Zweifeln animiert.
Jetzt wäre die Frage: Wenn in einem Bundesland wie Sachsen jetzt plötzlich Hunderte von Toten jeden Tag zu beklagen sind, hat das dann Einfluss auf Leute in dieser Region, die extrem stark die Corona-Krankheit oder die Handhabung dieser Krankheit angezweifelt haben? Jeder kennt ja den einen oder anderen Corona-Leugner im persönlichen Umfeld. Da spürt man doch eine extreme Renitenz. Man hat das Gefühl: Wenn sich Leute mal in diese verschwörungstheoretische Erzählung eingegrooved haben, dann kann sie im Grunde fast keine konkrete Erfahrung mehr von dieser Spur abbringen. Also die Renitenz ist doch sehr verwunderlich.
Florin: Da war ich in meiner Einschätzung offenbar etwas zu optimistisch. Schauen wir uns die Rolle der Religionen an. Pandemien galten viele Jahrhunderte lang, bis ins 20. Jahrhundert hinein, als Naturkatastrophen, auch als Strafe Gottes. Aids, Sie haben es vorhin angesprochen, wurde vom damaligen Papst in den 1980er-Jahren auch als Strafe für den Lebenswandel von Homosexuellen angesehen. Auch andere Religionen haben darin eine Strafe für Homosexuelle gesehen. Wie ist die religiöse Deutung der Pandemie von heute?
Bernard: Ich glaube, dass man in einer direkten, unvermittelten Bedeutung nur noch wenig Spuren einer religiösen Interpretation der Corona-Pandemie finden kann. Vor allem in einem Land wie Deutschland oder in Mitteleuropa wird man eher auf vermittelte religiöse Erzählungen zurückgreifen müssen, die sich zum Beispiel in den Argumenten der Impfgegner finden.
Die Impfgegner des frühen 18. Jahrhunderts und die "göttliche Vorsehung"
Florin: Impfgegnerschaft als Ersatzreligion.
Bernhard: Ja, ich glaube, wenn man sich das Weltbild genauer ansieht, das sich in der passionierten Impfgegnerschaft zeigt, dann wird man schon Spuren einer para-religiösen Erzählung finden können. Und zwar in solchen Kategorien wie dem "natürlichen Körper" oder dem Körper, der sich durch natürliche Prozesse heilt. Die Impfung ist eine Errungenschaft der Medizin, die durch eine plötzliche, in einem Piks vollzogene Operation den Körper immun machen soll gegen eine Ansteckungskrankheit. Ich glaube, in der Skepsis gegenüber dieser medizinischen Errungenschaft kann man schon eine Traditionslinie zu einem religiösen Weltbild erkennen.
Es ist auch ganz interessant, wie alt die Bewegung der Impfgegnerschaft ist. Die erste Impfung in der modernen Seuchengeschichte gab es im frühen 18. Jahrhundert gegen die Pocken. Sofort, also praktisch am Tag nach dem Bekanntwerden dieser Impfpraxis, gab es eine sehr, sehr große Gegnerschaft. Es gab eine Bewegung gegen das Impfen, die damals gesagt hat, das Impfen würde die göttliche Vorsehung durchkreuzen. Und wer geimpft werde, könne sich sozusagen nicht mehr nach dem göttlichen Plan zu dieser Krankheit verhalten. Da könnte man schon eine Linie ziehen. Also man kann sagen, dass in der Skepsis vor dem Impfen und in der Beschwörung solcher "natürlich leiblicher" Heilungskräfte und Heilprozesse sich eine Art religiöses Weltbild erhalten hat.
Florin: Die Skepsis kam damals aus den Religionsgemeinschaften selbst. Ich habe im Buch von Laura Spinney über die Spanische Grippe nachgelesen. Da erzählt sie vom Bischof der spanischen Stadt Zamora. In dieser Stadt haben (im Herbst 1918) die Gesundheitsbehörden versucht, Hygieneregeln ähnlich wie wir sie heute kennen, durchzusetzen. Aber der Bischof der Stadt pochte darauf, dass täglich Messen abgehalten werden. Er hat zum Heiligen Rochus gebetet, dem Schutzpatron der Pest- und Pockenkranken. Es gab eine Prozession, die sich hinterher als Superspreader-Event herausgestellt hat, so würde man heute sagen. Es gab in der Stadt so viele Tote, dass das Holz nicht mehr reichte, um die Särge herzustellen. Als das Ärgste vorbei war, hat der Bischof für Gottes Barmherzigkeit gedankt, und er wurde mit dem Ehrenorden der Stadt ausgezeichnet.
Das ist ungefähr hundert Jahre her. Wenn man das jetzt vergleicht damit, wie die großen Religionsgemeinschaften heute in Deutschland zumindest auf die Pandemie reagieren, dass sie sich an Hygienevorschriften halten, dass es für Gottesdienste Hygienekonzepte gibt zum Beispiel, dann haben sie dazugelernt?
Bernard: Ja, es sieht so aus. Oder man ist sozusagen noch weltlicher geworden in seiner sozialen Praxis. Aber das Interessante besteht ja darin, sowohl in Bezug auf die von Ihnen zitierte Geschichte als auch in Bezug auf die unmittelbare Gegenwart, dass gottesdienstliche oder liturgische religiöse Praktiken wie auch zum Beispiel die Beichte, immer an die Präsenz der Körper gebunden sind. Ich glaube, daher gibt es grundsätzlich große Herausforderung für religiöse, soziale Praktiken, wenn die unmittelbare körperliche Anwesenheit wegen einer Epidemie nicht mehr möglich oder verboten ist. Das ist ganz interessant: Wenn man sich zum Beispiel ansieht, inwiefern in den liturgischen Schriften die Beichte im Christentum oder im Katholizismus an die Präsenz der Körper gebunden wurde. Es ist ein ganz neues Phänomen, jetzt von Corona verstärkt, dass es möglich ist, online zu beichten.
Die Suche nach dem Sündenbock
Florin: Auch wenn Religionen nicht mehr so einflussreich sind, wenn man vom Einfluss der Para-Religionen ausgeht, wie Sie es vorhin getan haben, muss man ja sagen: Religiöse Motive sind noch da. Donald Trump spricht vom "China-Virus" die "Querdenker" machen für alles Angela Merkel oder die angebliche jüdische Weltverschwörung verantwortlich. Warum stirbt mit dem Siegeszug der Wissenschaft nicht die archaische Suche nach dem Sündenbock?
Bernard: Das ist eine der interessantesten Fragen in der Geschichte der Seuchen überhaupt. Denn man kann sagen: Bis ins 18. Jahrhundert galt dieses Narrativ, das man aus der Antike kennt: dass die pestartigen Seuchen oder die lepra-artigen Seuchen eine Strafe Gottes für das schuldige Verhalten der Menschen in einer bestimmten Weltregion sind. Das lässt natürlich im Zuge der Aufklärung im 18. Jahrhundert nach. Man kann aber die Spuren sehr lange erkennen. Zum Beispiel die Pocken, die im 18. Jahrhundert eine verheerende Wirkung in Europa gehabt haben, wurden immer wieder mit dem "liederlichen Lebenswandel" der betroffenen Individuen in Zusammenhang gebracht, die dann durch die schrecklichen Pockennarben, wenn sie die Krankheit überstanden hatten, auch als sichtbares Zeichen der Gottesstrafe interpretiert worden sind. Diese direkten Bezüge der Schuld an einer epidemischen Krankheit hören dann eigentlich auf. Aber im vermittelten Sinne bleiben sie natürlich immer bestehen. Das ist das große Skandalon der Pandemie: dass sie Menschen dahinrafft wie ein großer Verbrecher. Aber man kann den Verbrecher eben nicht dingfest machen. Man kann keine Intentionen dieser Tötungen finden.
Eine Sache, die natürlich interessant ist, ist dann das Aufkommen der Bakteriologie im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Damit kam die Erkenntnis, dass nicht in erster Linie schlechte Lebensverhältnisse oder schlimme hygienische Bedingungen Ansteckungskrankheiten hervorrufen, sondern diese mikroskopisch sichtbaren Bazillen. In dem Moment ist die Schuldfrage noch schwieriger geworden. Man kann einerseits sagen: Die Tatsache, dass ein bestimmtes Bakterium ein bestimmtes Individuum erwischt, ist einfach nur noch zufällig, nur noch kontingent. Da kann man gar keinen Sinn mehr dahinter finden. Auf der anderen Seite ist es gerade die Bakteriologie, die mit diesen Metaphern arbeitet: die "Einschleppung des Bakteriums", die "Verseuchung" durch das Bakterium. Das zieht dann wieder politische Metaphern hinterher.
Dann gibt es eine ganz neue Schuld, wie zum Beispiel dann Ende des 19. Jahrhunderts, dass gesagt wurde, die Bakterien kämen immer vom Osten oder aus den jüdischen Vierteln. Dann ist da durch die Bakteriologie und ihre Sprache, ihre Metaphorik plötzlich eine ganz neue, hochgefährliche Schuldfrage da. Nämlich: Woher kommen diese Bakterien, die dann eingeschleppt werden? Und das hat dann gerade, wenn man die Geschichte des Antisemitismus im späten 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ansieht, die problematischsten Konsequenzen gehabt.
"Die Impffrage ist eines der komplexesten ethischen Probleme"
Florin: Die Schuldfrage wird auch jetzt noch mal anders gestellt, da es einen Impfstoff gibt. Wie sehen Sie das mit der Einteilung in "nicht Geimpft" und "Geimpfte" bzw. mit der Diskussion über die Rückgabe von bisher eingeschränkten Grundrechten an diejenigen, die geimpft sind? Ist das eine Privilegierung? Eine Belohnung der Vernünftigen?
Bernard: Die Impffrage ist eines der komplexesten ethischen Probleme, die es gibt. Es gibt schon bei Kant zahlreiche, von heute aus gesehen unglaublich interessante Stellen über die Ethik des Impfens. Das Interessante ist ja, dass durch das leichte Risiko, das der Einzelne auf sich nimmt, er dazu beiträgt, dass die Gemeinschaft besser durch die Pandemie kommt und die Pandemie gemeinsamen überwindet. Im Impfen stellt sich diese politische Grundkonstellation des Verhältnisses zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft auf die alleranschaulichste Weise (dar). Das führt dann zu diesen Diskussionen, die wir jetzt haben: Wenn der Einzelne dieses Ereignis auf sich nimmt, sich impfen lässt, sich den möglichen Nebenwirkungen aussetzt, soll er dann durch einen bestimmten Impfpass oder eine bestimmte Impfbeglaubigung Vorteile haben, wie man jetzt gerade diskutiert: Sollen die Geimpften ins Restaurant gehen dürfen, ins Kino gehen, in die Bars, zum Friseur?
Ich habe jetzt keine Antwort darauf. Aber ich kann auf jeden Fall sagen, dass deswegen pandemische Zeiten wie im Moment im politischen Sinne hochinteressant sind, weil sie auf eine Weise diese Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft stellen, wie man sie eigentlich sonst nie in der Deutlichkeit sieht.
Florin: Was bleibt davon?
Bernard: Was man gesehen hat, ist, dass so ein Ereignis wie eine Pandemie auf doch recht irritierende Weise sichtbar macht, wie groß der Anteil derjenigen ist, die sich grundsätzlich abgekoppelt haben von der Vernunft der Institutionen oder von der Vernunft der medialen Berichterstattung. Das ist schon etwas, was mich persönlich sehr verstört hat. Da hat jetzt Corona wie eine Art Beschleuniger gewirkt. Da wäre ich jetzt wahrscheinlich nicht allzu optimistisch, was die Nach-Corona-Zeit betrifft. Denn ich habe schon das Gefühl, dass es eine Vielzahl von Leuten gibt, die jetzt gemerkt haben: "Ah, da gibt es sehr viele andere, die auch grundsätzlich gegen die ,Systemmedien', wie es heißt, und gegen die Politik eingestellt sind." Die werden nicht wieder verschwinden. Es könnte schon im Rückblick sein, dass man sagen wird: Corona war der Moment, als dieser Riss durch die Gemeinschaft sichtbar geworden ist und dann auch geblieben ist. Und mit diesem Riss muss man dann umgehen lernen.
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