Jörg Biesler: Direkt vor der Sendung habe ich mit der Koordinatorin der unionsgeführten Bildungsministerien der baden-württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann gesprochen, die sich direkt nach der Pressekonferenz auf den Rückweg gemacht hat. Die schlechte Tonqualität wegen des Mobiltelefons im fahrenden Auto bitte ich deshalb zu entschuldigen. Susanne Eisenmann hatte schon im Vorfeld des Treffens gefordert, das Geld für die Digitalisierung müsse nun endlich kommen, müsse schnell kommen, und ich habe sie zunächst gefragt, ob sie denn nun damit zufrieden ist, dass ihre Parteifreundin, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, 2019 mit der Auszahlung beginnen will.
Susanne Eisenmann: Ja, natürlich, wir hatten ein sehr konstruktives zweistündiges Gespräch heute mit der Bundesbildungsministerin, und wir haben uns tatsächlich darauf verständigt, dass die Ausgestaltung des Digitalpaktes, und damit auch die Auszahlung ab 2019, mit hoher Priorität bearbeitet werden muss. Da gibt es natürlich noch offene Fragen und offene Themen, aber das ist für 2019 mit der Auszahlung in der Hinsicht, so wie wir es uns wünschen, nachdem wir ja schon jetzt auch längere Zeit drauf warten.
Biesler: Ja, Sie hatten ja auch schon geklagt darüber, dass da nichts in die Gänge kommt. Das heißt aber doch jetzt unterm Strich, dass mindestens ein Jahr verlorengegangen ist, weil die Strukturen in Deutschland so schwierig sind. Weil, wenn Bund und Länder zusammenarbeiten wollen, Sie da erst lange verhandeln müssen.
Eisenmann: Nein, das ist schlicht falsch. Das hat nichts mit Bund und Ländern oder der Struktur zu tun. Ganz im Gegenteil: Wir haben seit 2017, Juli 2017, also seit einem Jahr einen fertig verhandelten Bereich, das Eckpunktepapier zwischen Bund und Länder verhandelt, nur der Bund hat jetzt ein Jahr lang sich nicht geäußert, wie man mit dem Digitalpakt umgehen muss.
Digitalpakt: "Erfreulicher Schritt, auch wenn er spät kommt"
Biesler: Der Bund hat gesagt, er will es nicht einfach in die Länderhaushalte einzahlen, sondern er will das konkret und zweckgebunden machen, und das kann man nach derzeitiger Lage nicht.
Eisenmann: Doch, selbstverständlich. Das kann man nach Artikel 91c problemlos machen. Dafür brauche ich noch nicht mal eine Grundgesetzänderung.
Biesler: Das wollte der Bund unbedingt.
Eisenmann: Das wollte der Bund nicht, und deshalb war es kein strukturelles Problem, sondern das war ein Problem, dass die Bundesregierung, Frau Karliczek, heute deutlich gemacht hat, welchen Weg sie gehen möchte und wir nun in die Detailverhandlungen einsteigen können, und das ist insgesamt tatsächlich ein erfreulicher Schritt in die richtige Richtung.
Biesler: Auch wenn er spät kommt, das sagen Sie selbst.
Eisenmann: Auch wenn er spät kommt.
Biesler: Ja. Viel wichtiger vielleicht noch als das Geld für die Digitalisierung ist ja die Zukunft der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Zukunft. Da kann man in gewisser Weise von einer Zwickmühle sprechen: Die Bildung ist ja einerseits das Terrain, auf dem sich die Länder unterscheiden können, das oft auch die Wahlkämpfe in den Ländern bestimmt, gleichzeitig wissen wir aber alle, dass Unterschiede nicht nur im Wert und in der Schwierigkeit des Abiturs oft ein Problem sind. Das hat ja auch das Bundesverfassungsgericht bereits moniert. Wie kommen Sie da raus?
Eisenmann: Also es gibt zunächst mal den Beschluss der Kultusministerkonferenz, den wir jetzt auch in Erfurt noch mal bestätigt haben, nämlich dass wir konkret an einer Ländervereinbarung mit der Option eines Länderstaatsvertrags arbeiten, wo wir uns auf Standards und gemeinsame Vorgehensweisen verständigen wollen. Das wird jetzt über den Sommer hinweg als Eckpunktepapier erarbeitet zwischen den Ländern, und es ist die konkrete Zielsetzung tatsächlich, die Zusammenarbeit zwischen den Ländern in den ganz unterschiedlichen Bereichen auf einheitliche Standards zu bringen. Das heißt, da wird konkret dran gearbeitet. Auch dies ist ein Beschluss aus Erfurt, der mir persönlich auch sehr am Herzen lag.
"Menschen wünschen sich föderales Bildungssystem"
Biesler: Sind denn 16 unterschiedliche Schulsysteme noch zeitgemäß?
Eisenmann: Warum nicht?
Biesler: Weil zum Beispiel Schülerinnen und Schüler und Eltern darüber klagen, dass sie Schwierigkeiten haben, wenn sie das Bundesland wechseln und das Bundesverfassungsgericht sagt, in jedem Bundesland hat das Abitur einen anderen Wert.
Eisenmann: Deshalb arbeiten wir ja an einem gemeinsamen Standard, aber ich glaube, das Thema eines föderalen Systems, nämlich dass Bildung vor Ort entschieden wird, ist etwas, was die Menschen auch gezielt wünschen. Wenn ich mir beispielsweise Italien und Frankreich anschaue, sehr zentralisiert organisierte Länder, geht zunehmend Bildungshoheit in die einzelnen Regionen, und deshalb glaube ich, ist es der richtige Weg, Standards zu entwickeln. Diese Herausforderung nehmen wir an – Stichwort: Ländervereinbarung, Länderstaatsvertrag. Auf der anderen Seite sind aber regionale Unterschiede durchaus sinnvoll, und deshalb glaube ich, dass der Weg und das föderale Bildungssystem genau das richtige ist, um vor Ort entscheiden zu können, aber trotzdem gemeinsam vorzugehen, und das ist das, was wir jetzt auch in den nächsten Monaten ganz konzentriert tun werden.
Biesler: Das heißt, Sie definieren einheitliche Ziele, damit man sagen kann, ein Abitur in Nordrhein-Westfalen oder in Hessen ist genauso viel wert wie in Bayern oder in Sachsen-Anhalt, aber die Wege dahin werden weiterhin unterschiedliche bleiben.
Mehr Vergleichbarkeit - nicht nur beim Abitur
Eisenmann: Exakt. Das ist ein Beispiel. Das Abitur ist nur ein Beispiel. Es gibt ja auch viele andere Themen, wo wir uns, glaube ich, zutrauen sollten, dass wir uns annähern, bei Erhalt der regionalen Spezifika, aber vergleichbare Standards in unterschiedlichen Bereichen definieren, um tatsächlich diese Vergleichbarkeit stärker herstellen zu können.
Biesler: Dazu soll der Nationale Bildungsrat auch dienen, um solche gemeinsamen Standards zu entwickeln. Wie der aber nun aussehen soll, darüber konnten Sie sich heute noch nicht einigen. Vor allem die Stimmenverteilung war ja im Vorfeld strittig. Da geht es darum, dass die Länderhoheit nicht angetastet wird. Wir haben gerade schon über die Länderhoheit gesprochen. Können Sie das denn Schülern und Eltern zumuten, dass jetzt Machtfragen dominieren, obwohl so viele Sachfragen von der Digitalisierung bis zur Inklusion noch auf Bearbeitung warten?
Eisenmann: Der Nationale Bildungsrat ist ja kein Entscheidungsgremium, das ist ja auch nie vorgesehen. Er ist auch im Koalitionsvertrag als rein beratendes Gremium fixiert. Das heißt, dort wird man mit Praktikern, mit Wissenschaftlern, mit Partnern die Bildung gestalten, darüber diskutieren, was die richtigen Vorgehensweisen und die richtigen Ziele sind, aber das ist ein rein beratendes Gremium. Deshalb sollte man vielleicht die Zielsetzungen in dem Nationalen Bildungsbeirat auch nicht überhöhen. Sie können lediglich Empfehlungen aussprechen. Damit ist noch überhaupt nichts umgesetzt. Mir ist nur wichtig, dass deutlich wird, dass dieses Vorgehen jetzt nicht zwingend zu Veränderungen führt. Da führt ein Länderstaatsvertrag zwischen 16 Bundesländern, wo dann das Commitment tatsächlich ist, das setzen wir um, zwangsläufig zu ganz anderen Beschlüssen. Und deshalb ist unser Nationaler Bildungsrat wichtig, dass wir als Partner verankert sind und dass wir dementsprechend uns auch wiederfinden, und darüber haben wir heute gesprochen. Tatsächlich sind wir da noch nicht einig, aber das werden wir jetzt in den nächsten Monaten auch in aller Ruhe miteinander verhandeln, auch dies ist ein Ergebnis aus Erfurt.
Noch kein konkretes Datum für Länder-Staatsvertrag
Biesler: Ist denn abzusehen, wann es den Staatsvertrag geben wird?
Eisenmann: Wir werden uns im Oktober von der Extra-Kultusministerkonferenz über Eckpunkte verständigen wollen, und deshalb wird es jetzt über den Sommer hinweg sehr detailliert und gründlich entwickelt und verhandelt. Parallel dazu das Thema Nationaler Bildungsrat, wo wir uns darauf verständigt haben, dass Vertreter der KMK gemeinsam mit dem Bundesbildungsministerium über die Ausgestaltung dieses Beratungsgremiums sich verständigen wollen. Beides werden wir jetzt in den nächsten Monaten dementsprechend angehen.
Biesler: Es ging ja im Vorfeld – Sie haben gerade gesagt, der Nationale Bildungsrat ist ein Beratungsgremium – sehr intensiv um die Frage, wer die Stimmenmehrheit in diesem Nationalen Bildungsrat hat. Warum war die so wichtig, obwohl es nur um Empfehlungen geht?
Eisenmann: Weil es um die Grundsatzfrage geht, wenn das föderale System und die Bildungshoheit und die hohe Bedeutung der Bildungshoheit der Länder im Koalitionsvertrag auch fixiert ist, dann muss es auch auf Augenhöhe sein. Ich meine, die Länder investieren jedes Jahr 100 Milliarden Euro in die Bildung, und da geht es tatsächlich um die Frage, wie die Abbildung und die Zusammensetzung ist, und darüber haben wir noch Dissens. Der ist definiert, und jetzt werden wir in den nächsten Monaten sehen, wie wir da zu einem Kompromiss kommen.
Biesler: Wird das jetzt schneller gehen mit dem Kompromiss, nachdem die Bundesbildungsministerin und die Länderministerinnen und -minister sich kennengelernt haben?
Eisenmann: Also ich glaube, es war sehr konstruktiv heute, wir haben die Aufgaben klar definiert und haben sehr offen miteinander diskutiert, und deshalb war das ein sehr, sehr guter Start, und ich bin optimistisch, dass wir die großen Aufgaben, die wir heute gemeinsam definiert haben, auch gemeinsam realisieren können.
Biesler: Susanne Eisenmann, Kultusministerin Baden-Württembergs und Sprecherin der unionsgeführten Bildungsministerien zu den Beratungen von Kultusministerkonferenz und Bundesbildungsministerin heute in Erfurt.
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