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Kultusministerin Susanne Eisenmann
Verbeamtung soll Gymnasiallehrer an Grundschulen locken

In Baden-Württemberg fehlen Grundschullehrer. Deswegen will das Kultusministerium frisch ausgebildete Gymnasiallehrer für eine Übergangszeit in die Grundschulen locken - dafür winkt eine spätere Verbeamtung. "Das Konzept ist sehr neu und sehr gut", sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann im Dlf.

Susanne Eisenmann im Gespräch mit Stephanie Gebert |
    Schüler der Geschwister-Scholl- Schule in Tübingen melden sich 2012 während des Unterrichts.
    Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? In Baden-Württemberg will man "überschüssige" Gymnasiallehrer in Grundschulen locken, wo es dringend Bedarf gibt (dpa / Franziska Kraufmann)
    Stephanie Gebert: Den Grundschulen fehlen die Lehrkräfte. Darauf reagieren die Bundesländer mit ganz unterschiedlichen Maßnahmen: Die einen setzen vermehrt auf Pensionäre, die länger unterrichten sollen, andere wollen Quereinsteiger motivieren. Baden-Württemberg hat sich auch etwas einfallen lassen: Dort fehlen im kommenden Schuljahr etwa 500 Grundschullehrkräfte, das Land will Gymnasiallehrerinnen und -lehrer locken. Der Anreiz: Wer nach seinem Abschluss erst mal an der Grundschule unterrichtet, wird später als Gymnasiallehrer verbeamtet. Die Idee stammt aus dem Haus von Kultusministerin Susanne Eisenmann von der CDU. Ich grüße Sie!
    Susanne Eisenmann: Hallo, guten Tag!
    Gebert: Auf welche Lehrerinnen, auf welche Lehrer setzen Sie da, für die dieses Angebot attraktiv sein soll?
    Eisenmann: Wir haben in dem ganz entscheidenden Bereich einen deutlichen Überhang an ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer, übrigens in ganz Deutschland, nämlich Gymnasiallehrer, die mit Schwerpunkt Deutsch oder Englisch studiert haben, die weit über den Bedarf hin ausgebildet sind, sodass wir denen hier, auch in Baden-Württemberg, nur begrenzt ein Angebot für eine Übernahme im Gymnasialbereich machen können. Im vergangenen Schuljahr waren über 2.000, die wir nicht mit einer Anstellung ein Angebot machen konnten, und an genau die wenden wir uns.
    "Ein überarbeitetes und gutes Qualifizierungskonzept"
    Die Zahl derer wird immer größer, und die Ausbildung kann uns genau dort helfen, wo wir einen großen Mangel haben, nämlich im Grundschulbereich, und deshalb bieten wir denen, die keine Anstellung bekommen konnten, eine parallele Zusatzqualifikation an im Grundschulbereich und geben die Zusage, wenn sie dieses über die nächsten drei Jahre machen, dann eine verbeamtete Festanstellung, dann im Gymnasialbereich, und das ist, glaube ich, ein sehr reizvolles und ein sehr hochwertiges Angebot.
    Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann spricht und gestikuliert.
    Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) (picture alliance / dpa / Franziska Kraufmann)
    Gebert: Auf diese Zusatzqualifikation würde ich ganz gerne mal kommen für die Gymnasiallehrkräfte. Damit es jetzt schnell geht, sollen diese Zusatzqualifikationen von zwei auf ein Jahr zusammengedampft werden. Leidet da nicht zwangsläufig die Qualität?
    Eisenmann: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben ein sehr hochwertiges Qualifizierungskonzept für fertig ausgebildete Gymnasialkräfte, die sich darauf beziehen, dass sie natürlich schulspezifisches Lernen und Lehren an der Grundschule vermittelt bekommen, Schriftspracherwerb, die besonderen Organisationsformen eines Klassenlehrerprinzips, auch Themen wie Inklusion und Elternarbeit werden da gezielt in einem Jahr sehr hochwertig vermittelt, nur wir setzen eben nicht, wie andere Bundesländer, auf Seiteneinsteiger, die überhaupt keine Pädagogik in der Ausbildung genießen konnten.
    Das wäre unter Qualitätsgesichtspunkten, aus unserer Sicht, ein Fehler, aber wir haben ein sehr überarbeitetes und sehr gutes Qualifizierungskonzept für eben diese jungen Kolleginnen und Kollegen.
    Gebert: Und was sollen Grundschullehrerinnen und -lehrer davon halten, die ja eine spezielle Ausbildung machen, speziell auch die Didaktik für Jüngere, für Kinder, und Kollegen, die kommen, machen das in einem Jahr, und dann können sie lehren?
    Zusatzqualifikation für die Arbeit an der Grundschule
    Eisenmann: Also zunächst einmal, wir reden von fertig ausgebildeten Gymnasiallehrkräften, die studiert haben, mit Pädagogik und Didaktik, und die bekommen natürlich eine Zusatzqualifikation, weil es noch mal was Besonderes ist, kleinere Kinder in diesem Bereich zu unterrichten; aber wir reden nicht von Seiteneinsteigern, die noch nie vor einer Klasse gestanden sind.
    Wir haben seit 2017 bis 2021 aufgrund einer extrem starken Pensionierungswelle einen großen Lehrermangel im Grundschulbereich, und das ist die Aufgabe, diesen Mangel mit qualifiziertem Personal für die nächsten Jahre zu beheben, damit wir qualifizierten Unterricht in den Grundschulen überhaupt gewährleisten können.
    Gebert: Frau Eisenmann, dieses Lückenstopfen, je nachdem, welche Schulform gerade Lehrernot hat, zeigt das nicht, dass wir die Ausbildung verändern müssen und zu so einer Art Einheitslehrer kommen müssen, die überall eingesetzt werden können?
    Eisenmann: Gut, das ist eine Diskussion, die muss man tatsächlich und die kann man führen. Wir haben in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten in Geschichte ein unterschiedliches Ausbildungssystem, aber das ist eine Diskussion, die unabhängig von diesem Thema tatsächlich geführt werden kann, die auch in Baden-Württemberg durchaus diskutiert wird. Nur wir müssen jetzt reagieren, dass man für September 2018 gewährleisten muss, dass mindestens, jetzt schon erkennbar, gut 500 Lehrerinnen und Lehrer im Grundschulbereich fehlen, und da hilft mir die Diskussion über die Entwicklung von Studien zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht weiter.
    Gebert: Trotzdem, es geht um eine kurzfristige Lösung jetzt, langfristig ist doch aber die Frage, wie man den Beruf des Grundschullehrers, der -lehrerin attraktiv machen kann, genug Anwärter findet. Die GEW hat auf Ihre Idee, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, schon reagiert und sagt, es müssen mehr Studienplätze geschaffen werden, und wir müssen eben nicht nur kurzfristig reagieren, sondern langfristige Konzepte aufsetzen.
    Eisenmann: So ist es auch. Dieses tun wir ja bereits. Also zum einen geht es jetzt um eine kurzfristige Maßnahme für die nächsten drei Jahre, wo dieser Mangel erkennbar ist, und ich glaube, das Konzept von uns ist sehr neu und mit Sicherheit auch sehr, sehr gut. Darüber hinaus ist es so, dass wir die Ausbildungskapazitäten jetzt bereits für Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer erhöht haben. Das sehe ich genauso. Nur die Kolleginnen und Kollegen kommen erst 2021, 22 auf den Markt, und da reagieren wir drauf, dass wir erkennbar ab diesem Zeitpunkt wieder steigende Schülerzahlen haben.
    "Mit dem Mangel muss ich jetzt umgehen"
    Tatsächlich ist es so, man hätte auf diesen Mangel, der in ganz Deutschland absehbar aufgrund von starken Pensionierungswellen vor zwei, drei Jahren bereits die Ausbildungskapazitäten erhöhen müssen. Das hat man nicht getan. Nur mit dem Mangel muss ich jetzt umgehen, aber für die Zukunft haben wir sie bereits erhöht, und wenn es notwendig ist, werden wir sie auch erhöhen. Bewerberinnen und Bewerber für den Grundschulbereich haben wir ausreichend, aber richtig ist, wir müssen die Studienkapazitäten dann auch im benötigten Umfang anbieten. Damit haben wir jetzt seit diesem Schuljahr auch begonnen.
    Gebert: Nun schauen wir noch mal kurz auf Ihr Angebot. Die Bedingungen, damit Lehrkräfte verbeamtet eingestellt werden, ist ja, dass sie erst eine gewisse Zeit als Grundschullehrer arbeiten ...
    Eisenmann: Genau.
    Gebert: ... bis der Mangel behoben ist. Nun wissen wir auch, dass das mit dem anvisierten Ausbau des Ganztags länger dauern könnte durchaus. Auf welchen Zeitrahmen müssen sich Gymnasiallehrer und -lehrerinnen genau einstellen nach Ihren Berechnungen?
    Eisenmann: Wir haben diesen Mangel bis zum Jahr 2021 erkennbar und dann auch nachweisbar, weil dann auch die Pensionierungswelle, die das zentrale Problem auslöst, überwunden ist.
    "Konkrete Fixierung bis zum Jahr 2021"
    Gebert: Was ist mit dem Ausbau des Ganztags?
    Eisenmann: Zu diesem Gesamtthema in der Berechnung des Bedarfs, den wir haben, sind natürlich die Ganztagsnotwendigkeiten alle bereits mit eingerechnet. Also wenn ich sage, dass uns erkennbar zum kommenden Schuljahr, im September diesen Jahres, 500 Kolleginnen und Kollegen im Grundschulbereich fehlen, dann entsteht diese Zahl nicht nur aus Unterrichtsverpflichtung, sondern auch aus Themen wie Ganztag, aus Themen wie Inklusion. Das ist ja klar, das ist ja Teil unserer Bedarfsberechnung, und es ist natürlich in dem Zusammenhang mit berücksichtigt; aber der Mangel bleibt, und deshalb das Angebot und auch die konkrete Fixierung bis zum Jahr 2021.
    Gebert: Das heißt, die Lehrer können davon ausgehen, sie arbeiten bis 2021 als Grundschullehrer, und dann werden sie verbeamtet als Gymnasiallehrer? Diese Garantie geben Sie?
    Eisenmann: Genau so, das ist Teil, das ist die Aussage, an die wir uns selbstverständlich auch halten, und deshalb ist es mit Sicherheit ein sehr reizvolles Angebot, mit der verbindlichen Zusage selbstverständlich.
    Gebert: Kultusministerin aus Baden-Württemberg, Susanne Eisenmann, war das. Sie will für das kommende Schuljahr Gymnasiallehrkräfte dazu bringen, erst mal als Grundschullehrer zu arbeiten, und als Lohn winkt dann eine Einstellungszusage mit Verbeamtung. Ich danke für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.