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Kultusministerkonferenz
"Wir halten den Bildungsförderalismus für gut"

Die sächsische Kultusministerin Brunhild Kurth ist seit heute Präsidentin der Kultusministerkonferenz. In ihrer Amtszeit will sie vor allem an einheitlichen Bildungsstandards arbeiten, um mehr Vergleichbarkeit zwischen den Ländern herzustellen. Am Kooperationsverbot mit dem Bund will sie nicht rütteln.

Brunhild Kurth im Gespräch mit Regina Brinkmann | 14.01.2015
    Brunhild Kurth
    Brunhild Kurth (dpa / picture alliance)
    Regina Brinkmann: Was muss eigentlich Schulbildung leisten? Über diese Frage wird gerade intensiv in den sozialen Medien diskutiert, angestoßen hat die Diskussion eine Schülerin aus Köln mit einem Twitter-Beitrag. Darin schreibt sie: Ich bin fast 18 und habe keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherung, aber ich kann eine Gedichtanalyse schreiben, in vier Sprachen! Was Schüler über die Gedichtanalyse hinaus beherrschen sollten, das ist klassischerweise ein Thema für die Kultusminister. Die stimmen sich über solche und andere Fragen auch länderübergreifend ab, und zwar in der Kultusministerkonferenz. Und das tun sie ab heute unter einer neuen Präsidentin. Die sächsische Kultusministerin Brunhild Kurth hat gerade in Berlin ihr neues Amt angetreten. Sie ist CDU-Politikerin und hat selbst viele Jahre lang als Lehrerin gearbeitet. Frau Kurth, inwieweit trifft die Beschwerde dieser Schülerin und die Diskussion darüber in den sozialen Medien auch bei Ihnen als neue KMK-Präsidentin einen Nerv?
    Brunhild Kurth: Wenn es um das wahrhaftige Leben geht und wie Schülerinnen und Schüler darauf vorbereitet werden, dann ist Schule immer gut für Kritik. Auch in anderen Punkten meinen viele Menschen, Schule könne die Gesellschaft besser machen oder noch besser aufs Leben vorbereiten. Ich habe diese Kritik schon öfter gehört und halte nicht sehr viel davon, da es in der Schule zum einen natürlich um eine Gedichtanalyse geht und zum anderen auch darum geht, dass an Schule über den Unterricht hinaus eine gewisse Schulkultur gelebt wird, dass Schüler an der Schule, ja, das wahre Leben erfahren, darauf vorbereitet werden, mit ihren Lehrerinnen und Lehrern über aktuelle Themen sprechen, all das gehört für mich zur Schule dazu. Das eine tun in der Schule und das andere nicht lassen, das ist ein Prinzip, das an den Schulen auch gelebt wird.
    "Schüler mit einer gewissen Kompetenz zu sehen"
    Brinkmann: Sie haben sich ja einiges für dieses Jahr vorgenommen. Unter anderem wollen Sie die einheitlichen Bildungsstandards weiter forcieren. Was genau haben Sie da vor und was bringt das den Schülern?
    Kurth: Bildungsstandards gibt es ja, die Kultusministerkonferenz hat diese abschlussbezogenen Standards aufgestellt, es fehlen noch die Naturwissenschaften für die Abiturprüfung, diesen Arbeitsprozess werden wir in diesem Jahr anschieben. Es geht jetzt darum, die Standards, die als Empfehlung der Kultusministerkonferenz existieren, so zu diskutieren, dass sie in den Ländern umgesetzt werden, um die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel am Ende der vierten Klasse in den Fächern Mathematik und Deutsch mit einer gewissen Kompetenz zu sehen, mit einem bestimmten Wissen ausgestattet zu haben. Darum geht es ja letzten Endes, wenn wir über Vergleichbarkeit sprechen.
    Brinkmann: Ihre Vorgängerin im Amt, die grüne NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann, hat in ihrer Präsidentschaft ja unter anderem die historische Bildung in den Schulen in den Mittelpunkt gestellt. Brauchen wir nicht aufgrund der Islamismus-Debatten, Pegida-Demos und auch den Anschlägen in Paris auch eine deutlichere Stärkung der Auseinandersetzung mit der politischen Gegenwart in unseren Schulen?
    Kurth: Diese Auseinandersetzung wird ja in unseren Schulen tagtäglich gelebt. Und wir dürfen nicht nachlassen in dieser Auseinandersetzung. Schule steht immer mitten in der Gesellschaft, Schule ist nicht abgekapselt von den aktuellen Ereignissen. Das heißt, dass die gesellschaftlichen Erscheinungen, die wir jetzt zu verzeichnen haben, natürlich diskutiert werden müssen mit den Schülerinnen und Schülern. Ein Lehrer kann sich nicht davor scheuen oder dieses Thema ausgrenzen. Wir brauchen kein spezielles Fach Politische Bildung oder aber müssen jetzt extra Aktivitäten den Schulen auferlegen. Das ist gelebte Schulkultur, das ist Kultur im Unterricht, das ist ein Miteinander von Lehrerinnen und Lehrern und Schülern, aktuelle Situationen dürfen nicht ausgeblendet werden an Schulen.
    "Es geht mir zu schnell immer nur um das Geld"
    Brinkmann: Der Bereich Schule ist ja weiterhin Ländersache, nur im Bereich Wissenschaft und Forschung konnte das Kooperationsverbot gelockert werden. Wie stellen Sie sich die weitere Kooperation mit dem Bund jetzt vor? Haben Sie vielleicht schon ein paar Ideen in der Schublade, wie Sie beim Bund neues Geld für Ganztagsschulen, Inklusion und andere wichtige Bereiche locker machen können, ohne dass der sich dabei groß einmischen darf?
    Kurth: Wenn wir von der Zusammenarbeit Bund und Kultusministerkonferenz sprechen, geht es mir zu schnell immer nur um das Geld, was gebraucht wird. Wir haben mit dem Bund einen sehr intensiven Austausch über die Zusammenarbeit aus den unterschiedlichsten Gebieten, ob es jetzt um berufliche Bildung geht, ob es um Standortdiskussionen und andere Aspekte geht. Wir haben den Bildungsföderalismus und wir halten den Bildungsföderalismus so, wie er jetzt gelebt wird, auch für gut, weil jedes Land seinen individuellen Entwicklungsweg gehen kann und nichts oktroyiert bekommt vom Bund. Das ist gut so auf der einen Seite, auf der anderen Seite ist es gut, dass wir Kultusminister miteinander im Gespräch sind und uns über die Schulter schauen. Und es gibt zum Beispiel die BAföG-Millionen, die den Ländern jetzt erlassen werden, und so kann jedes Jahr für sich entscheiden, wie es das Geld, was es dadurch einsparen kann, für Hochschule, Universität und für den Schulbereich einsetzt.
    Brinkmann: Reicht das Ihnen aus oder werden Sie doch noch mal irgendwann beim Bund anklopfen?
    Kurth: Wir sind ständig im Gespräch mit dem Bund. Es geht dabei nicht um die Aufhebung des Föderalismus im schulischen Bereich. Da denke ich nur an Winfried Kretschmann, der gesagt hat, also, wir sind meilenweit davon entfernt, die Föderalismusdiskussion wieder ganz oben anzustellen. Wir wollen mit dem Bund ins Gespräch kommen und sind mit dem Bund im Gespräch darüber,...
    Brinkmann: Bei welchen Themen?
    Kurth: ... wie wir gemeinsame Projekte zum Beispiel im berufsbildenden Bereich finden können, die duale Berufsausbildung ist ein Thema, das Deutschland noch viel mehr publik machen sollte in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Dort sind wir gemeinsam gut unterwegs, mit der Bundesbildungsministerin sind wir darüber im Gespräch. Es geht natürlich auch um die Berufsorientierung, um Studienorientierung, wo es auch finanzielle Unterstützung vom Bund geben wird. Dieses Geld kann in den Ländern dann ganz speziell eingesetzt werden.
    Brinkmann: So weit Brunhild Kurth, sächsische Kultusministerin und ab heute neue Präsidentin der Kultusministerkonferenz, über ihre Pläne und Ziele für ihre Amtszeit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.