Stephanie Gebert: Ob das neue Jahr 2019 Gutes bringt, das können die Schulen nicht mit Sicherheit sagen. Eigentlich war ihnen versprochen worden, dass ab Januar endlich das digital Zeitalter eingeläutet werde – mit WLAN und Tablets. Doch der Digitalpakt lässt weiter auf sich warten. Bund und Länder sind sich nicht einig, wie die notwendigen fünf Milliarden Euro fließen sollen. Der Bund will dafür eine Grundgesetzänderung, die Länderchefs lehnen das ab.
Heute hat die Länderkammer deshalb den Vermittlungsausschuss angerufen. Helmut Holter ist bis zum Jahresende Präsident der Kultusministerkonferenz und Bildungsminister in Thüringen. Ein Jahr lang war der Digitalpakt eines seiner großen Projekte. Ich habe ihn gefragt, wie seine Gemütslage an solch einem Tag ist:
Helmut Holter: Ach, es hätte alles so schön sein können, aber ich bin etwas runtergezogen, weil das, was wir – die Bildungsministerinnen und Bildungsminister der Länder mit Frau Karliczek, der Bundesbildungsministerin – erarbeitet haben, nun wieder in die Warteschleife gelegt wurde.
Gebert: Klar ist, dass jetzt der Vermittlungsausschuss angerufen wird, weil die Länder die Grundgesetzänderung ablehnen. Gibt es denn aus Ihrer Sicht eine pragmatische Lösung, wie das Geld, wie die fünf Milliarden trotzdem fließen können?
Holter: Ja, es gibt eine Lösung, indem die Große Koalition darauf verzichtet, die Grundgesetzänderung als Basis für die Mittelausreichung an die Länder für den Digitalpakt anzuwenden. 2017 war es ja so, als der Digitalpakt das Licht der Welt erblickte, dass da noch nicht von der Grundgesetzänderung die Rede war, dass man auf der Basis von Artikel 91c dann auch die Bundesgelder an die Länder weiterreichen konnte. Dieser Artikel besagt, dass der Bund auch in der Informationstechnik der Länder und in Informationstechnologie investieren kann – und auf dieser Basis wäre auch der Digitalpakt für die Schulen finanzierbar.
Gebert: Jetzt sagt aber der Bund, er würde ganz gerne kontrollieren, wofür das Geld tatsächlich fließt, und gucken, dass es nicht für anderes ausgegeben wird.
Holter: Ja, diese Sorge des Bundes kann ich ja nachvollziehen, weil es da auch schlechte Erfahrungen gibt, aber auf der einen Seite haben wir uns alle in die Hand versprochen, dass das Geld eins zu eins in den Schulen ankommt, und zweitens kann man ja auch in einer Bund-Länder-Vereinbarung genau diese Kontrollmechanismen einbauen.
Geld ist herzlich willkommen
Gebert: Wir haben aus anderen Bundesländern wie zum Beispiel Bayern gehört, dass dort erst mal selbst Geld investiert wird, um die Schulen digital auszurüsten, solange dieser Digitalpakt jetzt in der Warteschleife hängt. Wie werden Sie das als Bildungsminister für Thüringen handhaben?
Holter: Da ist wichtig, was Bayern macht und was auch andere Länder machen. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass in den Ländern gar nichts passiert für die Digitalisierung der Schulen. In Thüringen sieht die Sache so aus, dass es Schulen gibt, die voll digitalisiert sind, das werden bei uns Pilotschulen werden, die beispielgebend für andere Schulen dienen sollen. Ich werde nächste Woche im Kabinett meine Digitalisierungsstrategie für die Thüringer Schulen. Und auf dieser Grundlage sollen dann die entsprechenden Konzepte erarbeitet werden. Wir warten nicht auf den Digitalpakt, aber das Geld, diese fünf Milliarden insgesamt, das sind 27 Millionen für Thüringen pro Jahr, ist natürlich herzlich willkommen – und wir brauchen das auch, um alle Schulen entsprechend ausrüsten zu können.
"Die Kultusministerkonferenz hat ihre Hausaufgaben gemacht"
Gebert: Sie haben auch schon gesagt in einem Interview, dass es kaum vermittelbar ist an Schüler, Eltern, Lehrer, dass dieser Digitalpakt jetzt nach wie vor erst mal nicht kommen mag. Wofür ist eigentlich das Gremium der KMK, der Kultusministerkonferenz, gut, wenn sie sich nicht einigen können seit Monaten, seit Jahren ja, im Grunde genommen, wie das Geld fließen kann?
Holter: Das ist nicht ganz richtig, die Kultusministerkonferenz hat ihre Hausaufgaben gemacht. 2017 ist der Digitalpakt geboren worden, die Kultusministerkonferenz hat sich zu den Eckpunkten zügig verständigt. Dann war der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nicht bereit fünf Milliarden zu geben. Dann kam die Bundestagswahl, wiederum wurde das verzögert durch die verspätete Bundesregierung und jetzt gibt es die dritte Verzögerung. Wir haben aber zeitgleich gearbeitet, haben die Bund-Länder-Vereinbarung, die notwendig ist, damit die fünf Milliarden fließen können, ausgearbeitet. sie steht, wir konnten sie bloß nicht unterschreiben, weil uns die gesetzliche Grundlage fehlt, weil die Große Koalition gesagt hat, wir wollen die Länder mit ins Boot nehmen über den Artikel 104c des Grundgesetzes, das ist die Geschichte.
Es liegt nicht an den Bildungsministern und auch nicht an dem Bundesbildungsministerium, sondern es liegt an der Verabredung der Unionsparteien und der SPD, die Grundgesetzänderung durchzuhauen. Wenn sie jetzt die Größe zeigen und sagen, wir verzichten darauf, dann könnte das Geld sofort fließen.
"Meine Sorge besteht darin, dass sich Bund und Länder festbeißen"
Gebert: Wie lange müssen wir jetzt darauf warten, dass das Geld kommt?
Holter: Spannende Frage. Wir haben in der Kultusministerkonferenz gesagt, wenn es denn zum Schuljahresbeginn 2019/20 fließt, dann haben wir viel gekonnt. Spannend wird, ob das Vermittlungsverfahren zügig durchgeführt wird.
Meine Sorge besteht darin, dass sich Bund und Länder festbeißen, nicht am Digitalpakt, sondern an den Grundfragen, der Grundgesetzänderung, Zusätzlichkeit, dass ab 2020 Bund und Länder zu gleichen Teilen gemeinsam Programme finanzieren sollen. Und einzelne Länder sagen ja auch, der Föderalismus wird insgesamt ausgehöhlt.
Das darf nicht passieren, wenn das passiert, dann muss ein anderer Weg gefunden werden und darüber haben wir beide gesprochen. Umsatzsteuerpunkte oder eben, ohne Grundgesetzänderung kann das Geld in die Länder kommen.
Gebert: Derjenige, der Ihnen nachfolgen wird im kommenden Jahr, wird das ja nun auf seiner Agenda haben. Möglicherweise ist es der Kultusminister Hessens, der aktuelle, Alexander Lorz, aber wer das Amt tatsächlich übernimmt, werden die Koalitionsverhandlungen zeigen. Aber was geben Sie denn demjenigen oder derjenigen mit auf den Weg für die Amtszeit?
Holter: Ich gebe ihm oder ihr auf der einen Seite mit auf den Weg, dass der Digitalpakt, die Bund-Länder-Vereinbarung von uns Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitikern ausgearbeitet ist, dass wir wirklich als KMK auch Druck machen auf die nächsthöhere Ebene, sprich die Ministerpräsidenten und die Bundesregierung, den Bundestag, dass das Vermittlungsverfahren schnell durchgeführt wird.
Zweitens kann ich nur empfehlen, dass in den Ländern an der konzeptionellen Arbeit weitergemacht wird, um auch in den Startlöchern weiterhin zu stehen. Das kann ich dem, ja, hoffentlich Herr Lorz, oder wer dann immer Bildungsministerin oder Bildungsminister in Hessen wird, auf dem Weg mitgeben.
Gebert: Helmut Holter, der aktuelle Präsident der Kultusministerkonferenz und Bildungsminister Thüringens, ich danke für das Gespräch!
Holter: Dankeschön!
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