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Kunden und Banken zahlen für neue Steuer

In elf europäischen Ländern soll man in Zukunft für Börsengeschäfte Steuern zahlen. Von der Finanztransaktionssteuer sind aber auch die Handelspartner betroffen. "Wenn zwei US-Banken in New York eine französische Anleihe handeln, dann sind die beiden steuerpflichtig", erläutert Bert van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik in Freiburg.

Bert van Roosebeke im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Weil sich die EU der 27 nicht darauf einigen konnte, preschte Frankreichs sozialistischer Präsident Hollande vor: mit seiner Steuer auf Geschäfte mit französischen Aktien. Das sorgte teils für Unmut, auch bei der Bundeskanzlerin, wollte sie doch weiter eine gemeinsame Lösung erzielen. Die gibt es nun, gemeinsam zumindest im Sinne von elf Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Am Telefon begrüße ich Bert van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik in Freiburg. Guten Tag, Herr Roosebeke.

    Bert van Roosebeke: Schönen guten Tag.

    Dobovisek: Wir haben es gerade gehört: Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Banken steht in Gefahr. So vermuten es jedenfalls die Banken selbst. Wie ist da Ihre Sicht auf diese Dinge?

    van Roosebeke: Das dürfte schon teilweise stimmen, muss man sagen. Es ist natürlich in der Tat so, dass deutsche Banken diese Steuer entrichten werden müssen. Allerdings hat die Kommission sich sehr viel Mühe gegeben, den ursprünglichen Vorschlag noch mal abzuändern, und hat das jetzt letztlich so gefasst, die Richtlinie, dass sehr viele Banken, die auch nicht aus einem der elf Mitgliedsstaaten stammen, die gerade die Steuer einführen werden, also dass auch Banken aus diesen nicht elf Staaten die Steuer entrichten werden müssen. Wenn das alles so zutrifft oder eintrifft, wie die Kommission sich das erhofft, wird sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Banken gerade nicht so schlimm verändern.

    Dobovisek: Wie soll das funktionieren, wenn zum Beispiel eigentlich deutsche Banken hundertprozentig unabhängige Filialen zum Beispiel in London und Luxemburg haben?

    van Roosebeke: Die Kommission hat gerade deswegen dieses neue Ausgabeprinzip eingefügt. Das muss man sich schon vor Augen führen, was das heißt. Das heißt: Wenn zwei Banken, die, sagen wir jetzt mal, mit einem der elf Mitgliedsstaaten überhaupt gar nichts zu tun haben, in einem Land außerhalb dieser elf Mitgliedsstaaten ein Finanzprodukt handeln, das aber aus den elf Mitgliedsstaaten stammt, dann sind diese zwei Partner komplett steuerpflichtig. Das ist eine Änderung, die schon ziemlich weitgehend ist, und da wird man jetzt, glaube ich, erst mal warten und schauen müssen, wie zum Beispiel Großbritannien auf diese Änderung reagieren wird, weil explizit so abgesprochen war das nicht.

    Dobovisek: Aber geht die europäische Finanztransaktionssteuer weit genug, wenn denn nur elf der 27 Staaten mitmachen?

    van Roosebeke: Ich glaube, da muss man noch etwas abwarten. Es sind in der Tat nur elf Mitgliedsstaaten, aber das Ausgabeprinzip, das ich Ihnen gerade versucht habe zu erläutern, hat schon sehr weit reichende Folgen. Vielleicht kann man das an einem Beispiel einfach mal anschaulich machen: Wenn zwei US-Banken in New York eine französische Anleihe handeln, dann sind die beide steuerpflichtig. Dann haben wir de facto in der Tat nur elf Mitgliedsstaaten, die da ein Gesetz in die Welt gesetzt haben, aber die Folgen werden sich nicht nur auf Banken oder auf Versicherungen aus diesen elf Staaten beschränken.

    Dobovisek: Elf machen mit, die anderen bleiben zunächst mal vor der Tür. Werden wir das in Europa öfter erleben, eine verstärkte Zusammenarbeit, wie es genannt wird, oder anders formuliert ein Europa der zwei oder sogar noch mehr Geschwindigkeiten?

    van Roosebeke: Ich würde schon damit rechnen. Hauptgrund ist letztlich die Euro-Krise und die Fragen, was müssten wir, was sollen wir innerhalb der Euro-Zone machen, um unsere Fiskalpolitik, unsere Haushaltspolitik enger aufeinander oder enger untereinander abzustimmen, und ich rechne schon damit, dass hier mindestens die Euro-Zone sich stärker integrieren wird und sich von den Nicht-Euro-Ländern etwas absetzen wird.

    Dobovisek: Aber was bedeutet das für unseren Alltag in Europa? Bricht da Europa in Einzelfragen auseinander?

    van Roosebeke: Nicht unbedingt. Es hängt wirklich im Detail von den Regelungen ab, die getroffen werden. Wenn die Verordnung, die die Kommission vorgeschlagen hat, so verabschiedet wird, muss man fairerweise sagen, es wird ein neues System eingeführt, das man auch den Nicht-Euro-Ländern auferlegt. Also dass wir sozusagen zwei Regelungssysteme haben, das werden wir nur beschränkt haben. Ob das eine gute Entwicklung ist, das ist auch mal da hingestellt, dass sich elf Länder eigentlich dafür entscheiden, mehr oder weniger ihre Überzeugung den anderen aufzuerlegen.

    Dobovisek: Ist das aus Ihrer Sicht unfair?

    van Roosebeke: Ich finde das Verfahren etwas unfair dahingehend: Das hat ja eine lange Vorgeschichte, Ihr Korrespondent hat es gerade etwas geschildert. Man versucht seit eineinhalb Jahren, diese Steuer einzuführen. Man hat es in allen Ländern nicht hingekriegt, deswegen hat jetzt die gesamte EU es einer kleinen Gruppe erlaubt, da voranzuschreiten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Großbritannien das etwa Deutschland und Frankreich erlaubt hat, um dann anschließend die eigenen Banken sehr umfassend besteuert zu sehen.

    Dobovisek: Dann frage ich mal anders herum: Ist das denn ein Fehler, dass elf vorpreschen und die anderen nicht mitmachen?

    van Roosebeke: Aus wessen Sicht ein Fehler? Ich meine, man hat das mit 27 nicht hingekriegt. Wenn man der Meinung ist, wir brauchen die Steuer unbedingt, dann ist es ja richtig, dass man das macht. Ich fände es schwer und das würde auch der Idee einer verstärkten Zusammenarbeit widerspiegeln, wenn die Auswirkungen dieser verstärkten Zusammenarbeit sich auf die Banken und auf die Wirtschaft dieser elf Länder beschränken würden, und das tut der Vorschlag der Kommission gerade nicht.

    Dobovisek: Kommen wir zurück zur Finanztransaktionssteuer selbst. Welche Folgen wird diese Steuer für die Kleinanleger haben, die auf Deutsch gesagt nur ein bisschen spielen wollen an der Börse?

    van Roosebeke: Na gut, also ich meine, es werden ja nur die Banken belastet, aber das ist auch klar. Die Banken werden versuchen, diese Belastung an die Kunden weiterzugeben. Ich gehe davon aus, dass die Kunden letztlich die Rechnung genauso mitzahlen werden wie die Banken.

    Dobovisek: Das bedeutet konkret in Zahlen? Was kommt da auf die Kleinanleger zu, wenn ich zum Beispiel für 1500 Euro Aktien kaufen möchte?

    van Roosebeke: Sie werden mit 0,1 Prozent belastet.

    Dobovisek: Das heißt, das ist verschwindend gering?

    van Roosebeke: Das ist nicht gerade hoch. Nun gut, die kleinen Kunden stehen auch nicht gerade im Fokus. Ziel ist natürlich, mit den 0,1 Prozent den Hochfrequenzhandel mehr oder weniger lahmzulegen. Ob das dann so notwendig und förderlich ist, das sei auch mal da hingestellt.

    Dobovisek: Bert van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik über die Pläne der Europäischen Kommission für eine Steuer auf Börsengeschäfte. Ich danke Ihnen.

    van Roosebeke: Gern geschehen!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.