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Kundgebung in Berlin
Kulturschaffende demonstrieren gegen Russland

Die Idee zur Demo entstand spontan: Versammelt haben sich dann etwa 200 Kulturschaffende vor der russischen Botschaft in Berlin. Sie kritisieren die Bombardements in Aleppo - und fordern, Putin als Kriegsverbrecher in Den Haag anzuklagen.

Von Verena Kemna |
    Protest gegen den Syrien-Krieg in Berlin vor der russischen Botschaft
    Protest gegen den Syrien-Krieg in Berlin vor der russischen Botschaft (Deutschlandradio/Verena Kemna)
    Eine Gruppe junger Syrer fordert die Befreiung ihrer Heimat von Assad und Putin. Sie stehen nur wenige Meter von der russischen Botschaft entfernt, an prominenter Stelle "Unter den Linden". Die jungen Frauen und Männer schwenken Banner. Sie fordern "Freiheit für Syrien" und sie klagen an. So auch die syrische Studentin Wafa Mustafa, die vor einigen Monaten aus ihrer Heimat geflohen ist. Der Aufruf prominenter Künstler, Schriftsteller und Politiker kommt eigentlich zu spät, meint die 26-Jährige.
    "Das hier ist gut, ich wünschte mir, sie hätten das schon früher gemacht. Aber es ist ok. Ein erster Schritt, auch, wenn er spät kommt, ist immer gut. Wir können immer noch etwas tun."
    Die junge Frau steht mit ihren Landsleuten einige Meter von der eigentlichen Kundgebung entfernt. Dort haben sich etwa 200, meist Weißhaarige in schwarze und graue Mäntel gehüllte Männer und Frauen versammelt. Mittendrin prominente Gesichter wie Volker Schlöndorff oder Marianne Birthler. Die Idee zur Kundgebung sei ganz spontan beim Abendessen unter Freunden entstanden, mit dabei der Schriftsteller Peter Schneider, sagt der Regisseur.
    "Peter Schneider war drei Monate in der Türkei als Stipendiat und hat uns von dort erzählt und am Ende des Abends haben wir das Gefühl gehabt, ja wie und Aleppo? Was ist denn mit Aleppo, das ist doch da ganz nah und da sind die Millionen Flüchtlinge in der Türkei und da müsste man doch mal was machen. Und warum machen wir eigentlich schon so lange nichts mehr?"
    Aufruf sieht einen "lupenreinen" Massenmord in Aleppo
    Viele, die mitmachen, seien es Professoren, Künstler, Schriftsteller, stellen sich die gleiche Frage. Sie halten Plakate hoch, fordern, dass der russische Präsident Wladimir Putin sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten muss. Putins Vernichtungskrieg sei ein "lupenreiner" Massenmord, heißt es im Aufruf, den auch Schlöndorff unterzeichnet hat. Er kennt Aleppo, Damaskus, Palmyra, hat im Libanon vor Jahren die Zerstörung Beiruts erlebt.
    Demonstranten vor derrussischen Botschaft in Berlin
    Demonstranten vor der russischen Botschaft in Berlin (Deutschlandradio/Verena Kemna)
    "In all diesen Konflikten gibt es eigentlich nur zwei Parteien: die Bewaffneten und die Zivilisten. Bei den Bewaffneten gibt es fast nie Opfer und bei den Zivilisten Tausende und Tausende. Das hat es bei uns auch mal gegeben im 30-jährigen Krieg, siehe "Simplicius Simplicissimus" von Grimmelshausen. Dasselbe Morden geht weiter. Und man muss einfach das aussprechen, man muss die Namen nennen. Und in dem Fall nennen wir den Namen Putin."
    Auch der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann gehört zu den Initiatoren der Kundgebung. Er hat den Aufruf als einer der ersten unterzeichnet. Ein Alt-68er auf seiner ersten angemeldeten Demonstration, so beschreibt er seinen Auftritt selbst mit ironischem Augenzwinkern.
    "Es wird dort gemordet von einer so zivilisierten Nation wie Russland. Unverständlich, was sich Putin da erhofft, aber auf alle Fälle wird es für ihn und seine Regierung einer der größten Schandpunkte seiner Amtszeit sein, was dort in dieser Stadt in Aleppo geschieht. "
    Vor allem ältere Semester bei der Demo
    Er wundert sich, dass vor allem ältere Semester auf der Straße sind.
    "Normalerweise sind es ja politisch engagierte Schriftsteller und junge Leute, früher wenigstens, die diese Demonstrationen an den Universitäten initiiert haben. Dass es jetzt die alt gewordenen 68er sind, ist eher peinlich."
    Und noch etwas ärgert den ehemaligen Kulturstaatsminister ebenso wie viele andere, die der Kundgebung gefolgt sind.
    "Wenn das gleiche von den Amerikanern veranstaltet würde, dann gäbe es hier zehntausende Demonstranten in Berlin, also es ist eine merkwürdige Gemütslage in Deutschland."
    Während die Menge skandiert "Schluss mit dem Massenmord", denkt Volker Schlöndorff an die Zerstörung von Guernica.
    "Man ist immer zu spät oder zu früh, Hauptsache ist, dass man sich äußert."
    Schon bald soll eine weitere Kundgebung folgen. Das haben die Schriftsteller, Künstler und Politiker an diesem Tag beschlossen.