Die Hinterbliebenen der Opfer des Bombardements im afghanischen Kundus sind mit ihrer Schadenersatz-Klage vor dem Bonner Landgericht gescheitert. Das Gericht kam zu dem Urteil, dass der damalige Bundeswehr-Kommandeur Oberst Georg Klein keine Amtspflichten verletzt habe, die Deutschland in dem Fall haftbar machten. Auf den Bildern, die während der Beweisaufnahme gezeigt wurden, sei nicht zu erkennen gewesen, ob sich in dem anvisierten Tanklastwagen Zivilisten oder Bewaffnete befunden hätten, berichtet unser Korrespondent Rolf Clement.
Opferanwalt will in Berufung gehen
Nach Auffassung des Gerichts hatte sich Oberst Klein bei einem Informanten des Militärs insgesamt sieben Mal rückversichert, dass es sich um Taliban und nicht um Zivilisten gehandelt habe, bevor der den Befehl gab. Der Angriff habe einem "militärischen Ziel" gegolten, den Taliban und den Tankwagen. Der Anwalt der Kläger, Karim Popal, wollte das Urteil nicht akzeptieren und kündigte an, in Berufung zu gehen.
Der Luftangriff auf zwei von Taliban-Kämpfern gekaperte Tankwagen war vor mehr als vier Jahren von Klein angeordnet worden. Dabei kamen mehr als 100 Menschen ums Leben, darunter viele Zivilisten. In dem Zivilprozess geht es erstmals um Schadenersatzklagen von Hinterbliebenen afghanischer Zivilopfer gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Kläger in dem Bonner Verfahren werfen der Bundesrepublik Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht vor.
Verantwortung von Kommandeur Klein musste geklärt werden
Beim Prozessauftakt war das Gericht nicht dem Antrag der Bundesrepublik gefolgt, die Klagen abzuweisen. Inzwischen haben die Richter zur Aufklärung des Angriffs auch Videomaterial aus US-Kampfjets begutachtet und Funkgespräche der deutschen Seite mit den US-Piloten ausgewertet, die den Angriff am 4. September 2009 flogen.
Das Gericht hat bisher auch anhand von Infrarot-Aufnahmen vom Geschehen bei den bombardierten Tanklastwagen nicht klären können, ob der damals zuständige Bundeswehr-Kommandeur Georg Klein hätte davon ausgehen können, dass viele Zivilisten vor Ort waren. Zwei Hinterbliebene hatten in dem Verfahren vom Bund eine weit höhere Entschädigung gefordert als die, die ihnen freiwillig gezahlt wurde. Dem Verteidigungsministerium zufolge wurden bereits 90 Mal umgerechnet rund 3.800 Euro an afghanische Familien gezahlt - insgesamt rund 350.000 Euro.