Die "Arte Povera" ist eine Erfindung des Kurators Germano Celant. Die Ausstellung, die er im September 1967 in Genua veranstaltete, versammelte völlig unterschiedliche italienische Jungkünstler, die im Grunde nur eines gemeinsam hatten: mit sogenannten armen, also auch billig zu habenden Materialien motzten sie (schon seit Anfang der 60-Jahre) gegen den damals dominierenden Abstrakten Expressionismus der bösen Amerikaner an. Während man in den USA wild mantschte und tropfte, wollten die armen Italiener zurück zum Gegenständlichen, Alltäglichen, auch zum Politischen.
In der Basler Ausstellung ist es nun geradezu rührend zu sehen, wie die Startpositionen der einzelnen Protagonisten eigentlich aussahen: Michelangelo Pistoletto, der an der wundersamen Schau in Genua allerdings gar nicht teilgenommen hatte, malte noch relativ brave, ein bisschen verzerrte Selbstportraits. Jannis Kounellis, heute eher als Mann des rostigen Stahls ein Begriff, pinselte geheimnisvolle Zahlenspiele auf die Leinwand. Pino Pascali baute 1965 einfach ein Maschinengewehr auf und wölbte ein riesiges weibliches Becken mit angedeuteten Schamhaaren leicht in den Raum hinein, Mario Merz bohrte Neonleuchten durch Flaschen und Regenmäntel, und Pier Paolo Calzolari legte eine Blockflöte auf eine eisgekühlte Grabplatte.
So war das, und das kam gut an, es sorgte für Bewunderung, Aufregung und Irritation. Im Grunde waren die Poveristen die kulturelle Vorhut der italienischen Studentenbewegung, die sich dann leider bald dogmatisierte, und gleichzeitig führten diese armen Künstler schon alles im Gepäck, was in der europäischen Kunst fortan wichtig sein sollte: Traditionsbruch, Minimalimus, Konzeptualismus, Fluxus, Happening. Was in Deutschland von Beuys und Vostell gemacht wurde, die sogenannten natürlichen, bei Daniel Spoerri und Dieter Roth dann auch vergammelnden Materialien, die Leuchtröhrchen, die so gerne in den Kunsthäusern zuckten: All das war schon da in der Arte Povera. Aber, Entschuldigung, war das eigentlich eine Bewegung?, fragten wir Maren Stotz vom Kunstmuseum Basel - hatten die miteinander überhaupt etwas am Hut?
"Also es ist eine lose Verbindung, die auch sehr selbständig sich immer neu formiert hat. Da gab es immer neue Verbindungen unter den Künstlern, Performancegruppen … Pistoletto hatte ein sehr kollaboratives Werkverständnis. Der hat sein Atelier geöffnet und Leute eingeladen. Und dann kommen ja auch noch die Fotografen dazu, die da immer dabei waren, um dieses Happening zu dokumentieren. Das ist eigentlich eine lose Verbindung - etwas, das sehr lebendig war."
Die lose Verbindung wird in Basel nun auch sehr lose vorgeführt, von den Anfängen bis in die 90er-Jahre, wo die Herren (Frauen waren ja nicht dabei) jeweils als Einzelmarke auf dem Kunstmarkt präsent sind: von Mario Merz ist am Ende einer dieser genialen Iglus zu sehen, Schutzraum und Abstraktionsübung in einem. In die Chronologie werden Schwerpunkt-Themen eingeschoben, man springt gern vor und zurück, nach einem Skulpturen-Raum folgt ein Kabinett mit Graphik und Malerei, und in dieser verwirrenden Vielfalt wird bald klar: Giulio Paolini war der Kopf der Bewegung. Er befragt am konsequentesten das Tafelbild auf seine heutige Verwendbarkeit, hängt blanke Holzplatten an die Wand oder kritzelt Bildbeschreibungen auf Millimeterpapier. Alighiero Boetti dagegen häkelt ganze Weltkarten aus Kleiderstoffen, und Michelangelo Pistoletto baut einen Wall aus Altkleidern, stellt zwei Glasplatten darauf und ein paar Teekesselchen darunter und nennt das Ganze: Lumpenorchester.
Also: zurück zu den armen Leuten, und mit viel Ironie immer druff auf die arrogante italienische Oberschicht. Luciano Fabro vergoldet die italienische Landkarte (und konstruiert nebenbei absurde, krähenartige Riesenfüße), Gilberto Zorio tropft gelbliches Wachs auf Papier - unter dem Titel "Odio", Hass.
Das alles kommt aus der Sammlung Ingvild Goetz und wird seit 20 Jahren zum ersten Mal gezeigt. Und man fragt sich natürlich, warum all diese Arbeiten im Lager verstauben müssen, während wenigstens die Hauptwerke doch in eine ständige Ausstellung gehören. Jetzt sind sie wenigstens auf Zeit - und schön inszeniert - in Basel zu sehen.
In der Basler Ausstellung ist es nun geradezu rührend zu sehen, wie die Startpositionen der einzelnen Protagonisten eigentlich aussahen: Michelangelo Pistoletto, der an der wundersamen Schau in Genua allerdings gar nicht teilgenommen hatte, malte noch relativ brave, ein bisschen verzerrte Selbstportraits. Jannis Kounellis, heute eher als Mann des rostigen Stahls ein Begriff, pinselte geheimnisvolle Zahlenspiele auf die Leinwand. Pino Pascali baute 1965 einfach ein Maschinengewehr auf und wölbte ein riesiges weibliches Becken mit angedeuteten Schamhaaren leicht in den Raum hinein, Mario Merz bohrte Neonleuchten durch Flaschen und Regenmäntel, und Pier Paolo Calzolari legte eine Blockflöte auf eine eisgekühlte Grabplatte.
So war das, und das kam gut an, es sorgte für Bewunderung, Aufregung und Irritation. Im Grunde waren die Poveristen die kulturelle Vorhut der italienischen Studentenbewegung, die sich dann leider bald dogmatisierte, und gleichzeitig führten diese armen Künstler schon alles im Gepäck, was in der europäischen Kunst fortan wichtig sein sollte: Traditionsbruch, Minimalimus, Konzeptualismus, Fluxus, Happening. Was in Deutschland von Beuys und Vostell gemacht wurde, die sogenannten natürlichen, bei Daniel Spoerri und Dieter Roth dann auch vergammelnden Materialien, die Leuchtröhrchen, die so gerne in den Kunsthäusern zuckten: All das war schon da in der Arte Povera. Aber, Entschuldigung, war das eigentlich eine Bewegung?, fragten wir Maren Stotz vom Kunstmuseum Basel - hatten die miteinander überhaupt etwas am Hut?
"Also es ist eine lose Verbindung, die auch sehr selbständig sich immer neu formiert hat. Da gab es immer neue Verbindungen unter den Künstlern, Performancegruppen … Pistoletto hatte ein sehr kollaboratives Werkverständnis. Der hat sein Atelier geöffnet und Leute eingeladen. Und dann kommen ja auch noch die Fotografen dazu, die da immer dabei waren, um dieses Happening zu dokumentieren. Das ist eigentlich eine lose Verbindung - etwas, das sehr lebendig war."
Die lose Verbindung wird in Basel nun auch sehr lose vorgeführt, von den Anfängen bis in die 90er-Jahre, wo die Herren (Frauen waren ja nicht dabei) jeweils als Einzelmarke auf dem Kunstmarkt präsent sind: von Mario Merz ist am Ende einer dieser genialen Iglus zu sehen, Schutzraum und Abstraktionsübung in einem. In die Chronologie werden Schwerpunkt-Themen eingeschoben, man springt gern vor und zurück, nach einem Skulpturen-Raum folgt ein Kabinett mit Graphik und Malerei, und in dieser verwirrenden Vielfalt wird bald klar: Giulio Paolini war der Kopf der Bewegung. Er befragt am konsequentesten das Tafelbild auf seine heutige Verwendbarkeit, hängt blanke Holzplatten an die Wand oder kritzelt Bildbeschreibungen auf Millimeterpapier. Alighiero Boetti dagegen häkelt ganze Weltkarten aus Kleiderstoffen, und Michelangelo Pistoletto baut einen Wall aus Altkleidern, stellt zwei Glasplatten darauf und ein paar Teekesselchen darunter und nennt das Ganze: Lumpenorchester.
Also: zurück zu den armen Leuten, und mit viel Ironie immer druff auf die arrogante italienische Oberschicht. Luciano Fabro vergoldet die italienische Landkarte (und konstruiert nebenbei absurde, krähenartige Riesenfüße), Gilberto Zorio tropft gelbliches Wachs auf Papier - unter dem Titel "Odio", Hass.
Das alles kommt aus der Sammlung Ingvild Goetz und wird seit 20 Jahren zum ersten Mal gezeigt. Und man fragt sich natürlich, warum all diese Arbeiten im Lager verstauben müssen, während wenigstens die Hauptwerke doch in eine ständige Ausstellung gehören. Jetzt sind sie wenigstens auf Zeit - und schön inszeniert - in Basel zu sehen.