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Kunst-Ausstellung "AER"
Die Besitzverhältnisse im Luftraum

Wem gehört der Luftraum im Zeitalter globaler Überwachung und Drohnenangriffe? Das wollte die bulgarisch-deutsche Künstlerin Lyoudmila Milanova ganz genau wissen: Für ihre Fotos von Wolken, die ab heute in der Ausstellung "AER" im Kölner Kunsthaus Rhenania zu sehen sind, ging sie eine "Private-Business-Partnership" ein und wurde dabei über eine US-Software-Firma an koreanische Satelliten durchgestellt.

Von Peter Backof |
    Lyoudmila Milanova
    Lyoudmila Milanova (Deutschlandradio/Peter Backof)
    "Du und Deine Stadt von oben, aus dem Orbit fotografiert!" Das gibt es schon als App. Sie heißt "SpyMeSat".
    "Der Anfang war, dass ich diese App gefunden habe, im Zuge einer Recherche mit der Frage 'Wem gehört der Luftraum' - und: 'Warum ist der hauptsächlich politisch und militärisch besetzt?' Die App besteht aus einer Weltkarte und einem Button. Und auf diesem Button steht 'Tasking?', also Satelliten beauftragen oder nicht?"
    Lyoudmila Milanova war etwas skeptisch gegenüber dem Angebot der US-Software-Firma "Orbit Logic Incorporated": Die bietet zwar an, dass man seine eigenen Satellitenfotos machen kann. Aber was heißt das schon bei einem Satellitenbild? Wer beweist, dass es genau zu dem Zeitpunkt ausgelöst wurde, als man auf den Knopf drückte? Die Medienkünstlerin wollte daher einen Authentizitätsnachweis für sich einfordern. Schließlich gehört es zur Freiheit der Kunst, in Extrawürsten zu denken - auch wenn es kompliziert wird.
    "Ich mag den Kontrast zwischen der abstrakten Idee und dem technischen Aufwand dahinter."
    Wie wäre es, wenn sie, während der Satellit sein Foto macht, zum Beispiel von Wolken über Köln, gleichzeitig am Boden stünde und dieselben Wolken fotografierte?, überlegte Lyoudmila Milanova. So aus der Parkperspektive im Sommer: Unschuldige Zirrus-, Schäfchen- und Schleierwolken.
    "Mir geht es nicht hundertprozentig darum, zu beweisen, das ist die Wolke von unten, oben, sondern einfach um die Synchronizität zwischen mir und diesem Gerät da oben. Der Luftraum wird seit fünf Jahren mit Drohnenangriffen in Verbindung gesetzt. Und weil mich das ehrlich gesagt auch langweilt - das ist einfach in aller Munde, dass die Luftperspektive eingesetzt wird zur Überwachung oder um Machtstrukturen auszuloten."
    Satellite of Love? - war früher
    Deshalb wollte sie den Luftraum nochmal neu und neutral erkunden und erkunden lassen. Die Reaktion von Orbit Logic Incorporated auf ihre erste Mail war "freundlich und herzlich". Wenn man sich die Webseite des Unternehmens ansieht, wird klar warum. Orbit Logic entwickelt unter anderem Steuerungssoftware für Drohnen und hat sicher Interesse daran, sein Image zu polieren. Satellite of Love? - war früher. Heute steht alles, was mit dem Orbit zu tun hat, eher für Bedrohung.
    "Ich denke, jedes Unternehmen schmückt sich gerne mit Kunstwerken, die aus der eigenen Produktpalette entstanden sind. Die sind ein privates Unternehmen, sitzen allerdings auf dem Gelände der NASA bei Washington DC. Wie da die Verhältnisse sind, weiß ich nicht so genau. Es war so, dass sie mir immer ziemlich wortkarg die Termine geschickt haben, dass ich außen herum gehalten wurde."
    Immerhin gut, dass sich so ein Unternehmen überhaupt auf Kunden-Sonderwünsche einlässt. Die Umsetzung: Sie bekam im Verlauf des Augusts sechs Termine genannt, musste dann immer auf eine Wiese am Rhein, ihre GPS-Daten genau angeben, hoffen, dass Wolken am Himmel waren und davon auch nicht zu viele. Denn sonst hätte die Synchronisation mit einem südkoreanischen Satelliten, für das das US-Unternehmen eine Lizenz hat, nicht geklappt.
    Lyoudmila Milanova öffnet Pandoras Büchse
    "Artist Request: Fifty Percent Clouds, am 14. August um 12 Uhr, 4 Minuten und 22 Sekunden"
    Um die Zeit erschien auf der Wiese auch eine Hobby-Fußballmannschaft. Die Künstlerin wollte sich nicht outen und so mussten die Teams erst mal um sie herum kicken. Wie lustig. Das sieht man indes aus der Satellitenperspektive nicht. Es gibt sogar, in den USA, eine Drosselung, was die Auflösung betrifft, fand die Künstlerin heraus:
    "Das nennt sich 'Remote Sensor Act': Die ganzen Satellitenbilder, die für Berichterstattung zur Verfügung gestellt werden, haben eine Auflösung von 70 Zentimetern per Pixel. Ein Standardloch, das eine Drohnen-Munition hinterlässt, ist weniger, unter 70."
    Obwohl das technisch eigentlich längst besser ginge: Mindestens doppelt so scharf.
    "Jetzt muss man spekulieren, ob man aus politischen Gründen diese Regelung nicht ändert: Weil das ja eine Möglichkeit ist, das Ganze zu kaschieren."
    Spekulieren könnte man viel. Die Fotos indes sind, was sie sind: richtig klasse. Die von unten atmosphärisch und dekorativ. Und die von oben so, wie der Blick aus einem Flugzeugfenster in extremem HD. Obwohl sie das eigentlich nicht wollte, hat Lyoudmila Milanova Pandoras Büchse geöffnet: Da wird, während man unten Fußball spielt und Wölkchen zählt, über die Luft darüber knallhart verhandelt.