Der Ruf der Putara – der Schneckentrompete der Maori. Bevor die feierliche Zeremonie losgehen kann, soll der Raum von bösen Geistern befreit werden. Ungewohnte Klänge in Köln. Hier im Rautenstrauch-Joest Museum ist eine Delegation der Maori zu Gast. Die indigene Bevölkerung aus Neuseeland holt einen Totenschädel ab – von einem ihrer Vorfahren, der nach einem Jahrhundert in der Fremde nach Neuseeland zurückkehren soll.
"Für uns als Maori ist es wichtig, diesen Vorfahren in unserer Sprache, mit unseren Ritualen und Gesängen zu begrüßen, damit er weiß, dass wir jetzt nach Hause gehen und er gereinigt wird – vom Wind, vom Regen und allen Elementen, die wir haben."
Tamahou Temara ist der Stammesälteste der vierköpfigen Delegation . Er ist mit seiner Mutter und zwei Männern angereist, die Rückführungen wie diese für das Te Papa Museum in Neuseeland koordinieren. Sie werden von einigen Sängern begleitet.
Übergabe nach strengem Protokoll
Mit einem ‚Hongi‘ – dem Aneinanderpressen der Nasen – zollen sich die Vertreter der Maori und der Stadt Köln gegenseitig Respekt. Die Übergabe des sogenannten Toi Moko erfolgt nach strengem Protokoll. Während die offiziellen Transferdokumente von beiden Seiten unterzeichnet werden, liegt der mumifizierte und tätowierte Totenschädel - pietätvoll abgedeckt - auf einem kleinen Tisch. Dann wird ein spiritueller Choral vorgetragen. Er handelt von der Einheit des Menschen mit seiner Umwelt.
Im 19. Jahrhundert haben weiße Eroberer einen schwunghaften Handel mit den sterblichen Überresten der Maori betrieben. So gelangte einer der Schädel vor hundert Jahren auch nach Köln. Das Te Papa Museum in Neuseeland arbeitet seit 2003 daran, diese menschlichen Überreste der Maori aus weltweiten Sammlungen an die indigene Bevölkerung zurückzugeben.
"450 Vorfahren sind durch unser Programm nach Hause gekommen – weitere 600 fehlen uns. Die meisten befinden sich in Großbritannien, dann folgt Deutschland."
In deutschen Sammlungen liegen noch viele Gebeine
Der Kulturausschuss des Kölner Stadtrates hatte im März auf die Bitte reagiert – und der Rückführung zugestimmt. Für Oberbürgermeisterin Henriette Reker war die Begegnung mit den Maori – Nase and Nase mit der Stammesältesten - ein besonderer Moment:
"Was ich hier heute erlebt habe an Zugewandtheit, an liebevollem Umgang, an Nähe, auch an der Fähigkeit, seine Emotionen zu zeigen – das ist schon sehr bemerkenswert und auch prägend."
Die Rückgabe der Gebeine ist für sie auch ein Weg, um Entschuldigung zu bitten für die Grausamkeiten der europäischen Kolonialpolitik:
"Es ist ja aus heutiger Sicht völlig unverständlich wie man Gebeine rauben kann und ausstellen kann. Das ist natürlich eine große Chance für uns, geschehenes Unrecht zu versuchen wieder gut zu machen und damit auch eine Grundlage für ein friedliches Zusammenleben zu bilden."
Die Übergabe fällt mitten in eine Debatte darum, wie europäische Museen mit Objekten aus der Kolonialzeit umgehen sollen. Ethnologische Sammlungen gelten vielen als sichtbares Zeichen der Ausbeutung. Denn sie beherbergen unzählige Stücke, die im 18. und 19. Jahrhundert von Forschern und Sammlern in den ehemaligen Kolonien erworben wurden - Holzskulpturen, Göttermasken, Tongefäße – aber eben auch Haare, Skelette und Schädel. Bei diesen sterblichen Überresten ist die Rückführung unbedingt geboten – meint auch Museumsdirektor Professor Klaus Schneider. Bei anderen Objekten ist er zurückhaltender, denn nicht alles sei unrechtmäßig nach Europa gelangt:
"Wo wir ein bisschen skeptisch sind, pauschalisierende Angebote an irgendwen zu machen. Dass wir also von uns aus sagen – ach, guck mal, wir haben hier die Sammlung von Textilien, die wollen wir jetzt mal zurückgeben. Ohne zu wissen, woher kommen sie? Wer hat sie unter welchen Bedingungen gesammelt? Das sind die Fragen, die muss man bei jedem Objekt leider stellen."
Museen stehen vor großen Herausforderungen
Weil diese Fragen viele Museen vor große Herausforderungen stellen, hat der Deutsche Museumsbund vor kurzem einen Leitfaden herausgegeben. Der will Museen ermutigen, die Herkunft von Objekten aus der Kolonialzeit aufzuarbeiten – und schlägt neben Rückgaben zum Beispiel gemeinsame Projekte mit Museen in den ehemaligen Kolonien vor:
"Es ist wirklich langsam an der Zeit, dass diese Debatte kommt. Lange hat man sich damit gar nicht beschäftigt und es war vergessen, dass diese Überreste überall in Sammlungen herumliegen", findet Ulrike Lindner.
Sie ist Professorin für Neuere Geschichte an der Universität zu Köln und beschäftigt sich vor allem mit dem europäischen Kolonialismus. Die Rückgabe des Schädels an die Maori sei ein guter Schritt, sagt sie. Allerdings habe Neuseeland auch ganz andere Möglichkeiten solche Rückforderungen zu stellen, als viele andere ehemalige Kolonien:
"Also es gab auch schon einige Rückgaben an Namibia, da ist eben das Problem, dass es kein zentrales Museum gibt, das diese Forschung betreibt, wo überall Gebeine von Herero und Nama in der Welt verstreut sind. Da gibt’s eben auch nicht so viel Geld für so eine zentrale Stelle und das müsste man dann in Deutschland koordinieren."
Schädel soll an Stamm zurückgegeben werden
Vielleicht können die Maori mit ihrem Projekt als Beispiel vorangehen. Sie können die Überreste ihres Vorfahren jetzt mit nach Hause nehmen. In Neuseeland wird der Schädel zuerst im Te Papa Museum aufbewahrt. Wenn seine genaue Identität geklärt ist, soll an seinen Stamm zurückgegeben werden.