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Kunst-Installationen in entmieteten Läden

Gegen Diktaturen, gegen Finanzmärkte – es war ein Jahr der Proteste, ein Jahr ungezählter Akteure also. Sie haben vieles in Bewegung gesetzt. Unsere Korrespondenten haben bewegende Protestgeschichten für uns gesammelt, weil sie besonders sind oder bei uns nicht ankamen. Heute berichtet Alkyone Karamanolis aus Athen.

Von Alkyone Karamanolis | 29.12.2011
    Der – oder die – Obdachlose, er - oder sie - ist gesichtslos, liegt zusammengekrümmt in einem Schlafsack. Ein eng gezeichnetes Rechteck am Boden begrenzt seinen Spielraum - und stilisiert ihn gleichzeitig zum Objekt. Passanten starren ihn an. Dabei gehören Obdachlose inzwischen fest zum Athener Stadtbild. Was hier verstört, ist, dass sich der – oder die - Obdachlose in einer erleuchteten Vitrine befindet. Studenten der Athener Kunsthochschule bespielen 15 Geschäfte im Athener Stadtzentrum, die in Folge der Wirtschaftskrise leer stehen. Nicht alle Arbeiten nehmen so explizit Bezug auf die aktuelle Lage im Land. Die Installation von Spyros Haralampopoulos etwa besteht aus zwei Zahnrädern. "Ich" steht in Kreideschrift auf dem einen, "irgendwer anders" auf dem anderen. Der Betrachter, der sich der Vitrine nähert, setzt die zwei Zahnräder in Bewegung, die ihrerseits eine Wassermühle antreiben. Synergien sind erwünscht. Auch, wenn sich mehrere Studenten eine Vitrine teilen, erklärt der Kunststudent Giannis Mouravas:

    "Wir haben nicht diese klare Trennung wie früher: Das hier ist mein Werk, das dort ist deines. Wir haben diesen Abstand eliminiert, damit unsere Arbeiten in Kommunikation miteinander treten und neue Lektüren möglich werden."

    Genauso wie auch die Krise nur überwunden werden kann, wenn die entsolidarisierte griechische Gesellschaft zusammen findet. Die Studenten wissen das. Schwieriger war es, die Geschäftsbesitzer zu überzeugen. Bei 130 Immobilienbesitzern hat der Kunstprofessor und Initiator der Aktion, Marios Spiliopoulos, angeklopft. Nur 15 waren einverstanden, ihr leeres Geschäft für zwei Wochen zur Verfügung zu stellen. Das sei symptomatisch für den Zustand der griechischen Gesellschaft, sagt Spiliopoulos.

    " Die griechische Gesellschaft ist von einem tiefen Misstrauen durchdrungen. Gegenüber dem Staat, den Institutionen, allem! Das ist gefährlich, denn am Ende schlägt dieser Nihilismus auf die Bürger selbst zurück, und sie verfallen in eine Apathie. Dass wir es doch geschafft haben, diese Ausstellung zu realisieren, setzt also auch ein Zeichen – gegen die Zeichen der Zeit."