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Kunst und Computer

Eine Installation verändert sich, je näher der Betrachter dem Objekt kommt. Oder er muss mit einem Touchpad die Objekte erst animieren. All das ist elektronische Kunst. Oder ein Spiel. Die Grenzen sind fließend, wie das Platine-Festival zeigt.

Von Ina Plodroch |
    Eine weiße Säule, darin leuchten dreidimensionale Pyramiden. Auf den ersten Blick: langweilig. Aber schauen reicht nicht. Der Finger muss sich auf dem Touchpad bewegen, die Pyramiden machen mit. Dann ein Klick. Weiße Lichtbälle fallen von oben herab und klingen wie ein Xylophon.

    "Und jetzt macht er alle zwei Takte genau diese zwei Töne. Wie so ein Sequenzer. Dadurch kann ich, wenn ich das an mehreren Stellen mache, und verschiedene Seiten von den Pyramiden treffe, jede Seite hat einen eigenen Ton, entsteht eine Melodie."

    Fast ein Musikinstrument, das Matthias Lohscheidt entwickelt hat. Er interessiert sich für komplizierte und innovative Technik. Daraus macht er Kunst. Oder ein Spiel.

    "Kein Level, kein Gewinner, diese ganzen Spielprinzipien fallen im Grunde weg. Da fängt es an, dass man darüber nachdenken muss, ob es noch ein Spiel ist."

    Meint Lukas Löh, Kurator des Platine-Festivals.

    "Es wird niemals ein Massenprodukt werden können, weil es eine Installation bleibt. Das ist für mich gut zusammengefasst eine alternative Spielform."

    Und diese Formen will das Platine-Festival in Köln zeigen. Parallel zur Gamescom, die Hypes der Computerspielbranche präsentiert.

    "Natürlich sind wir nicht ganz zufällig im Umfeld der Gamescom jedes Jahr, sondern weil wir zeigen wollen, dass es nicht um Massenprodukte geht, nicht darum geht, Konsolen zu konsumieren, sondern das man damit auch weitere Sachen machen kann. Eigene Installationen, sich an der Ästhetik bedienen. Und dass da ganz viel kreatives Potenzial ist, was halt ausgeschöpft werden will. Und nicht nur stumpf halt irgendwelche Spieletitel konsumieren."

    Games heißt für das Platine-Festival nicht nur Ballerspiel, Joystick in der Hand und der Blick auf den Bildschirm. An vier Tagen zeigen Grafiker, Spieleentwickler, Fotografen und Künstler ihre Projekte zwischen Spiel, klassischer Kunst und Technik.

    "Im Grunde stellen wir ja die Frage, ab wann ist ein Spiel Kunst und ab wann ist ein Kunstwerk so spielerisch, dass es schon wieder ein Spiel ist? Da lässt sich lange drüber diskutieren."

    Diese Grenzen werden auf dem Platine-Festival allerdings nicht verhandelt. Das Festival stellt aus und lädt den Besucher ein, mitzumachen. Wie zum Beispiel bei der elektronischen Kunst von Till Maria Jürgens und Vitus Schuhwerk. Sie haben einen weißen Block gebaut und eine goldene Folie darauf gelegt. Im Inneren ganz viel Technik, klar. Wenn der Besucher seine Hand über den goldenen Fetzen hält, dann bewegt sich die Folie.

    "Es misst die Entfernung von Menschen, die in der Nähe sind und je nachdem, wie heftig man interagiert, ist dann auch die Reaktion der Folie heftiger oder weniger heftig."

    Die goldene Oberfläche kuschelt sich ein, streckt sich wieder aus, als hätte sie ein Eigenleben. Sie spielt mit dem Besucher.

    "Es will einen wieder loswerden."

    Findet Vitus Schuhwerk. Seine elektronische Kunst reflektiert das digitale Leben - die goldene Folie ist kein starrer Computerbildschirm und auch keine spiegelglatte Smartphone-Oberfläche.

    "Ich würde es als interaktive Kunst bezeichnen. Es macht erst Sinn, wenn man mit dieser Folie in Interaktion tritt. Und dann reagiert sie auf die Interaktion. Und so entsteht die Verbindung zwischen der Person und diesem Objekt."

    "Das ist im Grunde der Kerngedanke, dass die Ausstellung erst funktioniert, wenn der Gast kommt."

    Kunst zum Spielen. Die Technik macht's möglich, steht aber nur selten im Vordergrund. Sie ist nur ein Mittel für die Künstler.

    "Jedes Jahr gibt es ein bisschen so eine Strömung und dieses Jahr ist es auf jeden Fall zum Beispiel tatsächlich diese ganzen Techniken. Bestes Beispiel ist die Kinect Kamera."

    Eine 3D-Kamera. Eigentlich sündhaft teuer. Durch Spielekonsolen wird die 3D-Kamera erschwinglich. Videokünstler, Fotografen, die eigentlich nichts mit Games zu tun haben, nutzen diese Technik.

    "Das ist halt total spannend, finde ich, wenn endlich solche Techniken nicht blind konsumiert werden, sondern einfach weg von dem Massenphänomen, für das es eigentlich gedacht war."

    Angewandte Technik für alle. Das Platine-Festival zeigt: Computerspiele können zu Kunst werden.

    Infos:
    Platine-Festival, bis zum 22. August, täglich 19.00 bis 23.00 Uhr, in Köln-Ehrenfeld