Gott hat Sendepause. Kein Empfang. Weißes Rauschen.
"Diese Installation, die eine zentrale Figur in der Ausstellung einnimmt, heißt "White Noise Absolution", und sie setzt sich zusammen aus einem alten Beichtstuhl, der aus einem bayerischen Wallfahrtsort stammt, und in der Mitte des Beichtstuhls, wo eigentlich der Priester Platz nehmen würde, der die Absolution erteilt – oder manchmal auch nicht –, steht stattdessen ein alter Fernseher noch aus der analogen Zeit. Und anstatt der erhofften Absolution kommt ein Störgeräusch: ein weißes Rauschen. Das ist meine persönliche Kritik am Sakrament der Beichte, dass einfach eine Person sich das Recht nimmt, über die Sünden von jemandem zu urteilen."
Der in Polen geborene Künstler Kurt von Bley beschreibt seine Installation, die in der Mitte des Raumes steht und extra dafür aufgebaut wurde. Das Winterrefektorium der ehemaligen Benediktinerabtei Brauweiler ist eines der ältesten Gebäudeteile des Klosters. Es stammt noch aus romanischer Zeit. Die sechs Basaltsäulen, welche die Decke mit dem Kreuzgewölbe tragen, fallen sofort ins Auge. Direkt unter dem Raum liegt die Klosterküche, so dass es die Mönche hier in ihrem Speisesesaal immer warm hatten. Doch gegessen wird hier schon lange nicht mehr. Jetzt wird hier Kunst gezeigt: die Ausstellung von Kurt von Bley. "Auto-da-fé" heißt sie.
Der Künstler erklärt: "Auto-da-fé ist ein Begriff aus dem Portugiesischen und heißt wortwörtlich Akt des Glaubens. Diese Bezeichnung wurde gerade zur Zeit der Inquisition in Portugal und in Spanien für die Glaubensgerichte benutzt, die über Ketzer, über Ungläubige, über Außenseiter urteilten und sie auch zum Tode verurteilten natürlich."
Bettleranstalt, "Besserungsanstalt", KZ
Kurt von Bleys stark autobiografisch geprägtes Werk beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Katholizismus – besonders mit dessen radikal konservativer Auslegung in seinem Geburtsland Polen. 1976 in Choròw – im ehemals oberschlesischen Königshütte – geboren durchziehen Verlust von Heimat und Sprache sowie die Suche nach der eigenen Identität sein Werk wie ein roter Faden. Seine Arbeiten und die wechselvolle Geschichte des Klosters passen gut zusammen.
Die Abtei Brauweiler wurde im Jahre 1024 als Benediktinerkloster gegründet. 770 Jahre lang erlebte sie einen kontinuierlichen Aufschwung, bis sie 1794 von den Truppen Napoleons besetzt und wenige Jahre später säkularisiert wurde. Damit begann eine düstere Zeit:
Die Franzosen machten aus dem Gebäude eine Bettleranstalt. Mit der Übernahme des Rheinlandes durch die Preußen wurde die Abtei dann zu einer Arbeitsanstalt – der größten im damaligen Deutschen Reich.
"Geistig Behinderte, Alkoholiker, schwer erziehbare Jugendliche und Kinder, Prostituierte, die sollten im Prinzip hier einerseits ausgebildet, erzogen werden und mussten für ihren Lebensunterhalt arbeiten",
erzählt Sascha Rüttgers, der Leiter des Kulturzentrums Brauweiler beim Landschaftsverband Rheinland.
Diese "Besserungsanstalt" blieb bis in die 1960er Jahre in den Räumen des ehemaligen Klosters. Ein zwischenzeitlich neu entstandener, gefängnisartig ausgebauter Gebäudetrakt wurde während der NS-Zeit vorübergehend als Konzentrationslager genutzt, bevor das Kölner Gestapo-Gefängnis in das Zellengebäude einzog.
Spiel mit der Zwangsjacke
Der Künstler Kurt von Bley bespielt den gesamten Ausstellungsraum und nimmt dabei auch Bezug auf die Geschichte des Hauses. So sind die sechs schweren Basaltsäulen des Winterrefektoriums vom Sockel bis zum Kapitell mit transparenter Luftpolsterfolie ummantelt, die mit zahlreichen durchsichtigen Kabelbindern an ihrem Platz gehalten wird. Oder sollte es besser heißen: fixiert wird? Denn auch, wenn die Leichtigkeit der Installation den sakralen Effekt des Raumes eliminieren soll, so erinnert sie auch an die Zeit, als Brauweiler eine psychiatrische Klinik war – die übrigens wegen öffentlich bekannt geworderner katastrophaler Zustände geschlossen werden musste.
Dazu Kurt von Bley: "Das ist ein Teil meiner Arbeit, das ist eine partielle Auslöschung, eine Bedeutungsverschiebung, die ich vornehme ..."
... die in diesem Fall mit den Assoziationen von gepolsterten Patientenzimmern, Zwangsjacke und Fixierung der Kranken spielt.
Betreut wird Auto-da-fé von Astrid Legge und Nadia Ismail, eingebunden in eine von den beiden Kuratorinnen bereits im Jahr 2012 konzipierte Ausstellungsreihe mit dem Titel "Spiritual Ground", deren Konzept Astrid Legge erklärt:
"Ansatz oder Dreh- und Angelpunkt unseres Konzeptes ist, Künstler hierher einzuladen, an diesen Ort, die sich mit der Geschichte, den vielen unterschiedlichen Facetten, die in diesem Ort verborgen sind, beschäftigen, und durch Interventionen, durch Eingriffe diese Geschichte in irgendeiner Form mitdenkend visualisieren. Politische Zweckentfremdung, missbräuchliche Nutzung, all das sind natürlich Ebenen, die dann tatsächlich auch in die Interpretationen der Künstler mit einfließen."
"Als ich angefangen habe, für diese Ausstellung zu arbeiten, war es noch nicht so aktuell, aber gerade jetzt ist es ein sehr aktuelles Thema", sagt Kurt von Bley.
"Man wird nie wirklich frei davon"
Am 31. März fand in der Nähe von Danzig eine Bücherverbrennung statt. Diese Aktion sorgte für einen großen weltweiten Aufschrei. Neben Harry Potter-Büchern wurden weitere belletristische und auch populärwissenschaftliche Bücher verbrannt sowie Gegenstände, die man mit Hexerei in Verbindung brachte.
Kurt von Bley: "Eine andere Bedeutung von Auto-da-fé ist auch die Verbrennung von herätischen, ketzerischen Büchern, und ich habe mich entschlossen, diese Ausstellung so zu nennen, weil zum einen eine Arbeit so heißt, diese Arbeit stellt ein verbranntes Gebetsbuch dar – das gehörte übrigens meiner Großmutter –, und zum anderen spiele ich auch mit der wortwörtlichen Bedeutung dieses Auto-da-fés, Akt des Glaubens. Das ist meine persönliche Auseinandersetzung mit dem katholischen Glauben, mit der katholischen Kirche. Mein persönlicher Auto-da-fé."
Und was ist mit dem weißen Rauschen, der "White noise absolution"? Auf eine Absolution wartet Kurt von Bley schon lange nicht mehr. Er ist aus der katholischen Kirche ausgetreten.
"Ich bezeichne mich selbst als Atheisten, wobei ganz viele sagen, "nein, du bist noch ganz weit davon entfernt", weil ich eben so damit beschäftigt bin – wenn es auch eine negative Art der Beschäftigung ist. Ich befürchte, man wird nie richtig frei davon."