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Kunstgewerbemuseum Berlin
Die Galerie der Moden

Es war keine einfache Aufgabe, die das Architekturbüro Kuehn Malvezzi da übernommen hatte: die Umgestaltung eines wenig geliebten brutalistischen Berliner 60er-Jahre-Baus, nämlich des Berliner Kunstgewerbemuseums am Kulturforum Potsdamer Platz. Nun wurde es wiedereröffnet.

Von Carsten Probst |
    Rolf Gutbrod war kein schlechter Architekt. Die Stuttgarter Liederhalle etwa, die er 1956 gemeinsam mit Adolf Abel baute, ist ein auf seine Weise durchaus eleganter Bau, der mit seiner asymmetrischen, frei geschwungenen Grundrissform schon ein Thema anstimmt, das wenige Jahre später auch Hans Scharoun mit seiner Philharmonie aufgreifen sollte.
    Wiederum einige Jahre später erhielt Rolf Gutbrod vom Westberliner Senat den Auftrag, den Neubau des Berliner Kunstgewerbemuseums zu entwerfen. Dieser sollte direkt vis à vis von Scharouns Philharmonie liegen. Ganz sicher spielte die Koinzidenz von Stuttgarter Liederhalle und Philharmonie eine Rolle für die damalige Entscheidung, eben Gutbrod mit dem Kunstgewerbemuseum zu beauftragen. Seine Entwürfe zeigen, dass er sich dessen auch voll bewusst war, dass er eine nüchterne, aber doch elegante und lichte Erwiderung zu Scharoun bauen wollte.
    Und doch wird Gutbrod sich vielleicht sein Leben lang gegrämt haben, diesen Auftrag anzunehmen. Dann was heute an der Stelle seines Kunstgewerbemuseums steht, wurde in einer nachfolgenden Dekade von behördlichen Eingriffen derart verunstaltet, dass das ganze massige Gebäude vielen seither wie ein einziges großes Missverständnis erscheint. Abrissforderungen gab es praktisch vom ersten Moment seit der Eröffnung im Jahr 1987 an. Und natürlich fiel der Vorwurf für das Malheur allein Gutbrod auf die Füße: Wer heute über das Berliner Kulturforum spottet, meint vor allem das Kunstgewerbemuseum, meint Rolf Gutbrod.
    Das sollte man wissen, um zu würdigen, welcher Aufgabe sich das Architekturbüro Kühn-Malvezzi gestellt hat, als es 2003/2004 den Auftrag für den Umbau zu übernehmen. Es ist hochkontaminiertes Terrain, städtebaulich, architektonisch, kulturpolitisch. Der Etat von 4,5 Millionen Euro reichte nur für vergleichsweise bescheidene Eingriffe im Inneren, der problematische Außenbereich und die Fassade blieben unangetastet. Schon das werten manche, die den wiedereröffneten Bau sehen, als ein Scheitern.
    Aber das ist es nicht. Kühn-Malvezzi haben den ursprünglichen Ideen Rolf Gutbrods ihren Respekt gezollt. Sie konnten nicht alle nachträglichen Fehlentscheidungen rückgängig machen, das hätte quasi die Entkernung des Gebäudes und eine viel längere und viel teurere Umbauphase bedeutet. Alle Planungen am Berliner Kulturforum konzentrieren sich auf das neue Museum der Moderne, das Kunstgewerbemuseum muss mit dem Nötigsten auskommen. Nicht einmal für neue Vitrinen oder einen Austausch der kurios hässlichen Deckenverkleidung gab es Geld.
    Allein die Hälfte des Etats ist in die Neuerfindung der Modeabteilung geflossen, die wesentlich auf der 2009 erworbenen Sammlung Kamer/Ruf basiert und jetzt als eine Art Passage im Schaufensterstil der 70er-Jahre präsentiert wird, mit einer notwendig heruntergedimmten 50-Lux-Ausleuchtung, die den vergleichsweise schmalen Gängen eine völlig neue Raumqualität innerhalb des Gebäudes verleiht.
    Ohnehin schaffen Kühn-Malvezzi ein ums andere Mal neue Räume in den alten, nicht immer zum Vorteil der Sammlungen, die dadurch die in die Säle eingestellten Pavillonkuben deutlich an Platz verlieren. Dafür werden Einzelstücke deutlicher akzentuiert und abgegrenzt, eine klarere Gliederung erzeugt gerade für Laien, die eher nur die ästhetische Anmutung suchen. Historisch Interessierte hingegen werden immer wieder die Fülle vermissen, die Kunstgewerbemuseen von Rang eigentlich auszeichnet.
    Dort, wo Kühn-Malvezzi direkt mit der Architektur gearbeitet haben wo sie versucht haben, Gutbrods ursprünglichen Gedanken so gut es geht anzudeuten, fällt gerade diese Reduktion der Räume auf möglichst wenige Flächen auf. Säulen werden hinter eingezogenen Wänden versteckt, das limitiert die Ausstellungsfläche, erleichtert aber die Orientierung. Das ganze Eingangsfoyer wurde durch weiße Verkleidungen der Balustraden vereinheitlicht und wirkt nun großzügig und facettenreich zugleich. Ganze Emporengänge wurden durch weiße Wände eingehaust und damit Sichtachsen reguliert, die zuvor eher eine unterweltliche Anmutung stifteten.
    All dem sieht man die Mühe an, die dieser Bau in seiner nun einmal überkommenen Gestalt Architekten wie Museumsleuten bereitet. Niemand kann wirklich zufrieden sein. Irgendwann wird die Zeit kommen, Gutbrods ursprüngliche Idee noch viel mehr wieder zu ihrem Recht kommen zu lassen. Vielleicht ja beim nächsten Umbau.