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Kunsthalle Karlsruhe
Porträts und Selfies von Künstlern

In der Kunsthalle Karlsruhe werden freche Selbstporträts verschiedener Künstlergenerationen zusammengestellt. Der Besucher darf sich natürlich auch selbst ablichten, was nicht unbedingt ein Segen ist - aber am Ende der Ausstellung zeigt ein Künstler, dass ein Selfie auch eine politische Dimension haben kann.

Von Christian Gampert |
    Zwei Touristen machen am Brandenburger Tor in Berlin ein Selbstporträt mit einem "Selfie-Stick"
    Selfies: Diese Art von Selbstporträt ist in Mode. (picture alliance / dpa)
    Natürlich darf man sich zu Beginn und am Ende der Ausstellung selber ablichten und wird dann per Computertechnologie eingereiht in jene Weltgemeinschaft der bereits Porträtierten, die durchs Netz schwebt. Das heißt aber auch: Man verschwindet in der Anonymität der möglicherweise idiotischen Masse.
    Diese Fotos, die der Besucher der Karlsruher Ausstellung von sich selber fertigt, sind aber gar keine Selfies, sondern eher Passbilder, die mit dem Equipment des Museums hergestellt werden. Das Selfie ist ja eher ein Handybild, auf dem man sich selbst mit Prominenten oder in besonders großartigen Situationen inszeniert. Und wer einmal Asiaten vor dem schiefen Turm von Pisa gesehen hat, die an einer Stange einen Fotoapparat vor sich hertragen, der bekommt gewisse Zweifel am demokratischen Medium der Fotografie, das uns allen ein Selbstbildnis ermöglicht – etwas also, das zumindest den ärmeren Schichten bis vor 150 Jahren verwehrt war.
    Für Jugendliche gibt es eine Selfie-Abteilung
    Auch der Kurator Alexander Eiling empfindet es mittlerweile fast als Fluch, das Wort Selfie in den Untertitel der Ausstellung gehoben zu haben. Das garantiert Publikumsinteresse. Und für Jugendliche gibt es eine eigene Selfie-Abteilung, die sehr geliked wird.
    Aber es führt auch weg von dem eigentlichen Anliegen der Schau, die die Geschichte des Künstlerselbstporträts erzählen will. Die Ausstellung mache einen Vorschlag, wie man das sehen könne, sagen die Kuratoren – und in der Tat: Bei den Abertausenden auch von künstlerisch gestalteten Selbstportraits ist es schon ein sehr spezieller Blick, den die Karlsruher auf das Genre werfen.
    Die Ausstellung ist nämlich eine Zusammenarbeit von drei großen Museen, Karlsruhe, Lyon, Edinburgh, und speist sich aus deren Sammlungen.
    Naturgemäß sind nun die französische und die bei uns weniger bekannte englische und schottische Porträtkunst stark vertreten. Und natürlich lassen sich auf der Zeitschiene gewisse Entwicklungen ausmachen: Der erfolgreiche Künstlerunternehmer des 17. Jahrhunderts wird im 18. abgelöst von einer Figur, die sich selbst als Genie und Aristokraten darstellt; im 19. Jahrhundert kommen dann gewisse Selbstzweifel auf, die sich im 20. verstärken und zur Fragmentierung oder gar zum Verschwinden der Person führen.
    Sehr ernste, sich sehr wichtig nehmende Männer
    Insgesamt werden wir aber über weite Strecken der Schau von sehr ernsten, sich selbst sehr wichtig nehmenden jungen und vor allem älteren Herren angeblickt, frontal und im Halbprofil, mit Pinsel oder ohne, in Brustharnisch oder Denkerpose, in lieblicher Landschaft oder bequemem Sessel.
    Und das kann, trotz manch psychologischer Finesse der Selbstdarstellung, auch ermüdend sein. Es zeigt aber auch etwas Überhistorisch-Eitles in der Selbstwahrnehmung kunstproduzierender Mitmenschen, das erst in der Moderne, mit der Problematisierung des eigenen Körpers, zu Fall kommt.
    Dass die Ausstellung trotzdem lohnt, liegt an ihrer Inszenierung – die eigentlich Unvereinbares schön frech zueinanderstellt. Schon im ersten Saal werden Repliken klassischer Statuen mit bürgerlichen Porträts zusammengebracht. Und das heißt: Die Antike als Ursprung aller Selbstbetrachtung wird konfrontiert etwa mit dem Selbstbildnis der Marie Ellenrieder von 1818, einer der wenigen Frauenfiguren der Schau.
    Kraftstrotzende, affirmative Kaiser- und Götterbilder also gegen die eher bescheidene Selbstwahrnehmung einer katholischen Historienmalerin oder die vergänglichen Körper des englischen Malers Ken Currie.
    Dann gibt es jene niederländischen Vanitas-Stillleben, in denen das Selbstporträt des Malers nur als fahle Spiegelung in einer Kanne aufleuchtet. Gefolgt von der repräsentativen, pompösen Darstellung ganzer Künstlergesellschaften im 19. Jahrhundert.
    Rembrandts psychologisch ausgefeilte Selbstbefragungen, völlig auf das verwitterte Gesicht konzentriert, sind Vergleichsmoment für ganz andere Selbstdarsteller: Der genialisch-entschlossen blickende Anselm Feuerbach wird da mit dem Erotiker Robert Mapplethorpe zusammengehängt, der aber wie sein Zwilling wirkt.
    Mit der Gegenwartskunst kommt immer mehr der Körper ins Blickfeld: Eine sexualisierte Video-Performance von Marina Abramovic steht zwei Foto-Triptychen von John Coplans gegenüber, der seinen alternden, behaarten Rumpf als Symbol der Vergänglichkeit inszeniert.
    Und die Selfies von Ai Wei Wei, die die Schau beschließen, sind dann doch etwas politischer als die Ich-bin-hier-auf-dem-Markusplatz-Girliebilder der Jugendabteilung. Schaut, ich wurde verhaftet und zusammengeschlagen, sagen diese Bilder – aber ich bin noch da.
    Ausstellungsinfos:
    Kunsthalle Karlsruhe: "Ich bin hier - Von Rem¬brandt zum Selfie" vom 31. Ok¬to¬ber 2015 – 31. Ja¬nu¬ar 2016