"Eine gravitätische Erscheinung, einem gehobenen mediterranen Herrentypus entsprechend" – so beschreibt Neo Rauch Arno Rink im Katalog der Kunsthalle Rostock. Viel ist in Rauchs kurzem Text von Haltung, Würde und Respekt die Rede, und das liegt daran, dass Arno Rinks Malerei in den letzten zwanzig Jahren von vielen Kritikern vor allem nur wegen seiner bekannten Schüler an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst als interessant empfunden wurde. Die Rostocker Ausstellung mit über hundert Gemälden und Zeichnungen ist umfassend genug, um dieses in jeder Hinsicht merkwürdige Oeuvre in seiner ganz eigenen Entwicklung zu sehen.
Am Beginn seiner Karriere, Mitte der Sechziger Jahre, als er noch unter anderem bei Werner Tübke und Bernhard Heisig studierte, kopierte Rink zunächst Vorbilder aus der figürlichen Moderne, vor allem Beckmann und Dix, aber auch Walter Womacka. Dessen Bild eines Paares "Am Strand" war damals eine der Ikonen einer Malerei, die sich bewusst nicht den obligatorischen Themen des Bitterfelder Weges mit Szenen aus der Arbeitswelt widmete, und wurde über Kunstkalender und Postkarten oder sogar als Briefmarke millionenfach reproduziert.
Viele Maler in der DDR bezogen sich demonstrativ auf Womackas Bild und lieferten ihre eigene Interpretation. Rinks "Liebespaar"-Version von 1969 ist insofern aufschlussreich für sein späteres Werk. Bei Womacka lag ein sonnengebräunter, athletischer Blondschopf am Strand neben einer voll bekleideten Frau, die aufrecht dasitzt. Beide blicken sich entspannt um und scheinen vom Maler wie im Vorübergehen festgehalten. Das Bild wird vom Goldgelb des Strandes und dem warmen Rot der Kleidung der jungen Frau bestimmt. Rink macht aus dieser an sich optimistischen Szene ein Knäuel zweier monumentaler Körper, die sich in einer Art Liebeskampf befinden. Der muskulöse Mann drückt den drallen Frauenkörper an sich und zugleich mit dem anderen Arm ihre Schenkel auseinander. Das Kleid der Frau ist emporgerutscht und gibt andeutungsweise ihr Geschlecht frei. Von der entspannten Individualität bei Womacka ist hier nichts zu spüren, das Paar gleicht bei Rink zwei Körperskulpturen, die sich einem abstrakten, leicht gewaltsam anmutenden Trieb hingeben.
So entwickelt er in der Folgezeit räumliche Figurenkollagen, die klassische und kunsthistorische Themen und Haltungen vorführen und dabei eher Figurinen sind als Figuren. Irgendwann hier, Anfang der Siebziger Jahre, bricht Rinks Verehrung für die verrätselte Malerei Dalís durch, mit einer fast versessenen Betonung des Erotischen, das unabhängig vom Thema allgegenwärtig wird. Mal ist ein Polizeitrupp zu sehen, der auf einen nackten Frauentorso einprügelt, mal ein Seestillleben mit einer Muschel, die nicht von ungefähr an Courbets berühmtes Bild der weiblichen Geschlechtsorgane erinnert. Immer wieder versucht Rink, eine existenzielle Bedrohung durch weibliche Verführung fixieren zu wollen, so in einer seiner Arbeiten von 1975, in der ein riesiger Vampir in seinem Flug über eine Landschaft eine Wolke hinter sich her zieht, die wie eine himmelweite finstere Vagina aus Stahl erscheint.
Mit seinen delikaten, oft künstlich aufgehellten Farben erschafft Rink unterkühlte Oberflächen, die am Ende merkwürdig wenig preisgeben. Erst in den Achtziger Jahren erfasst ein jäher expressionischer Schub sein Werk. Plötzlich erscheint es unverhofft offen, zugänglich, ausdrucksstark – schon vor, aber auch nach 1989, so als hätte Rink die Phase rund um die Wiedervereinigung als inneren Aufbruch erlebt. Ab den späten Neunziger Jahren kehrt er jedoch wieder zum surrealistischen Epigonenstil der Siebziger Jahre zurück. Es wirkt, als habe sich das Werk erneut in der demonstrativen Rätselhaftigkeit eingeschlossen.
Neo Rauch bezeichnet dies in seinem Text als Würde und Haltung, meint damit vermutlich vor allem Rinks vom Malerstolz durchdrungene Persönlichkeit. Aber an der Welt zu leiden, ist noch keine Kunst, möchte man mit Gottfried Benn erwidern. In der Rostocker Zusammenschau erscheint Rinks Werk als das eines Übergangs. Eines Künstlers, der sich über den Kommunismus definierte und der der DDR gerade deshalb auch künstlerisch mit Skepsis gegenüberstand und offenkundige Ausweichformeln gegenüber der offiziellen Kunstdoktrin suchte; der während der Vor- und Nachwendezeit eine kurze Phase innerer Befreiung und Expressivität zu erleben scheint und anschließend wieder in skeptische Verschlossenheit zurückkehrt. Auch innerer Rückzug kann, wie etwa auch bei Eugen Schönebeck, eine Haltung sein.