"Annie! - Huh? Hey!"
BB, Yuli und Annie sind beste Freundinnen. Die drei sind jung, hübsch und leben in Berlin, wo sie versuchen, sich in einem Kreis aus hippen Jung-Unternehmern und internationalen Künstlern zu behaupten:
"Heute Abend ist Opening by Lacie.- Ich habe George versprochen, dass ich komme. - Ich habe keine Zeit für so was eigentlich. - Ach, komm schon, Annie. - Okay, aber nur aus Solidarität und nicht aus Freude."
Die drei Freundinnen spielen sich selbst. Oder vielmehr überhöhte Spiegelbilder ihrer eigenen Persönlichkeiten: Ein Tick egozentrischer, aber mit den gleichen Sorgen und Träumen wie im echten Leben.
"Wir sind so seit sechs Jahren in Berlin befreundet, sind alles drei Mädels, die vom Land kommen und dann nach Berlin gezogen sind, und wir haben immer gesagt, irgendwann müssen wir eigentlich mal über alle unsere Erlebnisse eine Serie machen."
"Man ist so lost in translation"
Im Rahmen einer digitalen Ausstellungsreihe der Schirn Kunstgalerie hat die Künstlerin Britta Thie diese Idee jetzt als Web-Serie umgesetzt. Darin sind sie und ihre beiden Freundinnen die einzigen Deutschen in einer Gruppe aus internationalen Expats. Dieses Gefühl, sich einerseits fremd zu fühlen, und andererseits längst ein Teil dieser globalisierten Gesellschaft zu sein, begleitet die 27-Jährige in ihrem Alltag in Berlin:
"Man ist so lost in translation. Also ich spreche mehr Englisch als Deutsch hier in Berlin. Mein ganzer Freundeskreis kommt einfach aus Skandinavien, England, Amerika, Südafrika. Man fängt irgendwann an, das Deutsch zu vergessen, und dann entsteht so eine Translantics-Community."
Daher der Titel der Serie "Translantics". Die Wortschöpfung hat aber noch eine andere Bedeutung. Darin enthalten ist auch der Begriff transition, Übergang. Ein weiteres zentrales Thema der Serie:
"Es geht um die digitale Pubertät meiner Generation. (...) Ich habe so das Gefühl, wir sind so parallel zu unserer eigenen hormonellen Pubertät mit pubertiert mit der westlichen Gesellschaft von analog zu digital. (...) Wir sind noch Analog-Kind gewesen und haben uns dann gleichzeitig mit digitalisiert mit unserem Erwachsenwerden."
Eine Generation in between, nicht ganz digital native, aber auch kein digital immigrant. In der Serie spielt Britta Thie mit den verschiedenen Medien. Einige Sequenzen sind komplett mit dem Smartphone gedreht. In anderen setzt die Künstlerin bewusst auf analoge Aufnahmen. Eine Anspielung auf die Technik-Nostalgie ihrer Generation:
"Dieses posten auf Instagram mit Nostalgie-Analogie Fotofiltern drauf. (...) Also man ist nicht nur Kind, sondern man ist auch analog. Man ist das analoge Kind von damals."
Dieses Gefühl, zwischen den Stühlen zu stehen, gilt auch für andere Lebensbereiche:
"Wir sind dazwischen auf ganz vielen Ebenen: zwischen analog und digital. Zwischen Deutsch und Englisch. (...) Und auch zwischen diesem Job-Ding: Unsere Elterngeneration kennt noch so Beamtenstatus-Gehälter; alles ist sicher. Und wir sind die Generation der Freelancer, die sich immer anbiedern müssen, und versuchen müssen, von einem Job zum nächsten zu kommen, und alles ist irgendwie so angetrieben durch Selbstpromotion."
Serie als künstlerische Ausdrucksform unserer Zeit
Eine Galerieeröffnung in Berlin Schöneberg: Die Gäste tragen große Brillen und Vollbart. Die meisten sprechen Englisch.
"Thanks for coming. It's doing great. You look so cute. Stop being so cute."
Auf den ersten Blick könnten solche Dialoge auch aus der Serie "Girls" von Lena Dunham stammen. Doch was "Translantics" davon unterscheidet, ist ihre künstlerische Ästhetik, die Stilmittel und Erzählgegenstand zugleich ist. Im Mittelpunkt steht nicht eine durchgehende Handlung, sondern eine selbstironische Auseinandersetzung mit dem Hyper-Realismus der Neuen Medien, in denen fast jeder täglich seine eigene Serie produziert:
"Alle machen irgendwie einen Big deal aus ihrer Biografie. Das ist natürlich auch so ein bisschen der Spaß da dran, dass ich jetzt dieses Format einer Web-Series gewählt habe."
Zusammen mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt entdeckt Britta Thie die Serie als künstlerische Ausdrucksform unserer Zeit, und sie zeigt, wie Kunst- und Ausstellungskonzepte im Internet weiter gedacht werden können. Das ist hoffentlich erst der Anfang:
"Ich denke einfach, dass das ein kuratorischer Slot ist, der in mehreren Institutionen aufgemacht werden sollte, weil eben sehr viel schneller alles produziert wird online, und dass man einfach da hin schaut, was passiert da eigentlich. (...) Ich glaube, das tut ganz gut."