Archiv

Kunsthistorik
Medizinischer Laser untersucht Gemälde

Chemiker an der Duke University haben ein Lasersystem aus der Hautkrebsdiagnostik zu einem Werkzeug für Kunsthistoriker weiterentwickelt. Damit können Analysen über die Verwendung von Pigementen oder Pinselstrich zerstörungsfrei durchgeführt werden.

Von Dagmar Röhrlich |
    Er gilt als Giottos wichtigster Schüler: Puccio Capanna, ein Maler des 14. Jahrhunderts. Eines seiner Bilder, das die Zeiten überdauert hat, zeigt eine Kreuzigungsszene. Das nicht einmal DIN-A4-große Werk ist um 1330 entstanden und sehr farbenprächtig: Gold, Erdtöne, und vor allem das blaue Gewand der Madonna. Dieses intensive Blau spricht dafür, dass Capanna dafür reinen, gemahlenen Lapislazuli eingesetzt hat:
    "Lapislazuli war damals ein besonders kostbares blaues Pigment, teurer als Gold, denn es kam nur aus wenigen kleinen Minen in Afghanistan",
    erklärt Chemieprofessor Warren S. Warren von der Duke University. Um zu prüfen, welche Pigmente ein Künstler für einen Farbton eingesetzt hat, nehmen Forscher normalerweise eine winzige Probe mit einem Skalpell. Diesmal jedoch sollte das Bild intakt bleiben und wanderte deshalb in ein zimmerfüllendes Lasermikroskop, das dreidimensionale Bilder erzeugt:
    "Wir nutzen Laser, die eigentlich bei der Hautkrebsanalyse eingesetzt werden. Denn als ich vor Jahren in London eine Ausstellung über Methoden zur Aufdeckung von Kunstfälschungen besucht habe, fiel mir auf, dass die meisten Techniken Jahrzehnte alt waren. So entstand die Idee, dass moderne Techniken aus der Medizin auf diesem Gebiet weiterhelfen könnten. Als Erstes fanden wir heraus, dass wir ohne Veränderung der Lasersysteme blaue Pigmente untersuchen können."
    Monatelang tüftelten die Chemiker an dem Verfahren. Als sie ein Kunstwerk für die Erprobung suchten, stellte ihnen das North Carolina Museum of Art Puccio Capannas Kreuzigung zur Verfügung. Im Labor schickten zwei niedrigenergetische Laser Pulse im Abstand von einer Billionstel Sekunde durch eine Serie von Linsen und Spiegeln auf einen Punkt im Gemälde: Der erste Puls regt die Elektronen in den Molekülen des getroffenen Pigments an, der zweite misst die Veränderungen. Jedes Pigment zeigt dabei einen charakteristischen Fingerabdruck. Anschließend zoomten die Forscher in das Bild hinein, untersuchten es Schicht für Schicht. So kam heraus, dass Capanna bei dem Madonnengewand den teuren Lapislazuli verschwenderisch eingesetzt hat:
    "Wir haben mit Lapislazuli begonnen, aber inzwischen besitzen wir eine ganze Bibliothek über die verschiedensten alten und modernen Pigmente. Wir können selbst komplexe Mischungen und Farbschichten analysieren. Es ist sehr viel schwieriger, die Pigmente eines Bildes zu bestimmen als die der Haut: Für die Hautpigmentierung reichen die beiden Moleküle Melanin und Hämoglobin, während in einem Gemälde die Zahl der Moleküle nur von der Vorstellungskraft des Künstlers begrenzt wird."
    Das Einsatzgebiet ihrer Technik sei breit, erklärt Warren. Man könne große Areale scannen, um Unterschiede in der Pinselführung sichtbar zu machen, oder man analysiert die Lichtalterung der Pigmente: Die Laser machen sie sogar in Bereichen sichtbar, die für das bloße Auge noch intakt erscheinen:
    "Wir interessieren uns auch für Töpferei, denn das Eisenoxid in Terrakotta scheint die Temperaturgeschichte des Brennvorgangs wiederzugeben. Wir glauben auch, dass wir sehr gut die originale Farbgebung griechischer Statuen untersuchen können. Die wird bislang analysiert, in dem man mit dem Mikroskop in Ecken und Falten nach Farbresten sucht. Mit den Lasern dringen wir unter die Oberfläche und können die Pigmente dann vielleicht sehr viel besser bestimmen."
    Außerdem entwickelt das Team derzeit eine portable Anlage, damit die Kunstwerke nicht mehr zum Lasermikroskop gebracht werden müssen. Erst dann wird sich wohl herausstellen, wie breit der Einsatzbereich des Verfahrens letztendlich sein wird.