Eine Wiederholung vom 06.09.2020.
Es gibt nicht viele prominente afrikanische Stimmen, die in der westlichen Öffentlichkeit Gehör finden. Eine davon ist die des Philosophen Achille Mbembe. Auch wenn die Ruhrtriennale, die er mit einer Rede hätte eröffnen sollen, coronabedingt ausfallen musste, entspann sich in Deutschland eine intensive Feuilletondebatte um Mbembe.
Achille Mbembe hatte sich für ein neues Nord-Süd-Verhältnis eingesetzt und auch eine Entkolonisierung des Denkens in Europa eingefordert. Antisemitismus-Vorwürfe haben seinen Ruf beschädigt. Kunstkritiker Bonaventure Ndikung glaubt, es habe so ausgesehen, als ob einige Leute darauf aus waren, Mbembe zu vernichten.
"Argumente verdreht und als Afrikaner angegeriffen"
"Man könnte sogar sagen, dass die Diskussion ziemlich rassistisch war. Also, in der Art, wie seine Argumente verdreht wurden und in der Art, wie er als Afrikaner angegriffen wurde. Einige Leute schrieben doch tatsächlich, dass er sich als Afrikaner nicht in deutsche Debatten einmischen sollte. Ich dachte, wem steht die Entscheidung darüber zu, worüber ein Denker vom Rang eines Mbembe schreiben soll oder nicht? Den Politikern? Nein, in welcher Welt leben wir? Achille Mbembe ist doch einer der wichtigsten Denker unserer Zeit."
Achille Mbembe wurde vorgeworfen, dass er den Holocaust relativiere und das Existenzrecht Israels in Frage stelle. Bonaventure Ndikung wehrt sich dagegen, dass man verschiedene Formen des Genozids miteinander vergleicht, es gebe keinen "schlimmeren" und keinen "besseren" Genozid.
Nachholbedarf bei der Aufarbeitung der kolonialen Geschichte
Lange Zeit habe sich Deutschland mit seiner kolonialen Vergangenheit kaum auseinandergesetzt, auch weil die Deutschen in der Nachkriegszeit mit der Aufarbeitung des Holocaust und der NS-Verbrechen beschäftigt waren. Bonaventure Ndikung erkennt an, dass Deutschland in den vergangenen Jahren begonnen hat, seine koloniale Geschichte aufzuarbeiten, dennoch glaubt er, dass es in diesem Bereich noch viel zu tun gibt. Zum Beispiel in der Beziehung zu Kamerun und anderen Ländern in Westafrika. Spuren der Kolonialgeschichte sehe man hierzulande überall, an Straßennamen und Statuen. Ndikung glaubt, dass der Kolonialismus noch nicht vorbei sei. Noch immer habe Europa und die westliche Welt Einfluss auf die Lage in Afrika.
"Ich bin in Kamerun aufgewachsen. Meine Mutter hatte einen Geflügelhof, wo die Hühner frei umherrannten. Plötzlich wurde es für die Kunden teurer, das in Kamerun gezüchtete Geflügel zu kaufen als das aus Europa importierte. Die Europäische Union hatte ein System an Subventionen geschaffen, das den Markt mit Zucker und Fleisch überschwemmte. Das ganze Zeug wurde zu Dumpingpreisen nach Afrika verschickt. Das ist Teil der kolonialen Machtverhältnisse und auch Teil des kolonialen Geschehens. Dieses Kapitel ist überhaupt nicht abgeschlossen. Etwas was Europa nun wirklich tun muss, ist Verantwortung zu übernehmen. Wenn man andere Teile der Welt zerstört, dann kommen die Menschen eben hierher." Der Kolonialismus sei noch immer im Bewusstsein vieler Menschen auf der ganzen Welt vorhanden, meint Bonaventure Ndikung. Er sei ein globales Phänomen.