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Kunstmuseum Bonn
Masken: Das zweite Gesicht

Sie sind grotesk, heilig, geheimnisvoll, schön, furchteinflößend, erschreckend und vieles mehr. Sie verdecken und verändern ein Gesicht, zeigen etwas anderes. Das Kunstmuseum Bonn zeigt Masken in der zeitgenössischen Kunst und fragt nach Geschlechterrollen und Identitäten.

Von Anja Reinhardt |
Mit der Ausstellung Maske. Kunst der Verwandlung befasst sich das Kunstmuseum Bonn mit der Maske in der Kunst: Auf dem Bild sind Maskenkostueme von Wiebke Siem zu sehen. (30.05. - 25.08.2019)
Maskenkostüme ohne Titel von Wiebke Siem in der Ausstellung "Maske. Kunst der Verwandlung" im Kunstmuseum Bonn (imago images / epd / Maike Boeschemeyer)
Frauengesichter in extremer Vergrößerung auf einem Flachbildschirm, Nahaufnahmen beim Film. Ein zweiter Bildschirm zeigt ebenfalls stark herangezoomte, weibliche Gesichter - allerdings von Robotern. Sex-Robotern. Untertitel zeigen die Gefühle der Maschinen an. Die Installation "The Excitement Of Ownership" der spanischen Künstlerin Eli Cortiñas wird komplettiert durch an den Wänden hängende Bilder von zerbrechenden Porzellanpuppen. Die Frau als Geschöpf des Mannes und für den Mann, entweder als Lust-Maschine oder als Leinwandikone - immer aber als Projektionsfläche, als Maske, die ihr von Männern übergestülpt wird.
Stoffpuppen mit riesigen Geschlechtsteilen
Eine Arbeit von Wiebke Siem dreht den Spieß um: Massive, wattierte Anzüge mit babyrosa Brüsten und riesigen Penissen zeichnen ein groteskes Bild von sowohl männlichen als auch weiblichen Projektionsmythen und Geschlechter-Identitäten. "Da wird eigentlich die Person, die das trägt, selber auch zur Skulptur. Klar geht es ja ganz stark in diesen Arbeiten um Sexualität und um dieses Weiterspinnen von Aspekten und Perspektiven, die man den Geschlechtern zuweist."
Kuratorin Barbara Scheuermann stellt in der Ausstellung "Maske. Kunst der Verwandlung" Werke aus dem 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart zusammen. "In den letzten zehn Jahren ist dieses Masken-Thema noch einmal total wichtig geworden in der Gegenwartskunst. Und das hängt sicher damit zusammen, mit dieser Selbstbefragung: Wer bin ich eigentlich und was ist meine Identität und wie setzt sie sich zusammen und wie zeigt sie sich auch nach außen?"
Die Maske erlaubt Rollenwechsel
Gerade die Frage nach der Geschlechter-Identität ist so neu eigentlich nicht. "Das, was uns jetzt so neu vorkommt: Wie viele Geschlechter gibt es eigentlich, und non-binär nehmen wir das Geschlecht jetzt wahr oder fassen wir das Geschlecht auf. Das sind eben Fragestellungen, die gibt es auch in der klassischen Moderne schon, und gibt es aber noch viel länger."
Schon in der Antike spielt die Maske als Werkzeug für Rollenwechsel und Identitätsbefragung eine Rolle. Mit der Maskierung entsteht eine Spannung zwischen dem Träger und dem Betrachter, ein Riss im Kontinuum der Wahrnehmung des Vertrauten, der neue Interpretationen und Sichtweisen ermöglicht. Der gleichzeitig aber auch Unbehagen erzeugt, da vordergründig Identität verschleiert oder verborgen wird. Nur: Ist Identität nicht auch ein Phantasma? Mit dieser Frage beschäftigt sich die amerikanische Künstlerin Cindy Sherman schon seit mehr als 40 Jahren. Sherman hat nahezu die gesamte Palette weiblicher Identifikationsmodelle durchleuchtet - Sexsymbol, Hausfrau, Dramaqueen, Girl Next Door, Businessfrau, Transgender, Society Lady oder Clown. Alles Fake - und alles wahr.
Vielfache Identitäten
"Es gibt ja beispielsweise von Nietzsche dieses Zitat, dass Identität immer auch eine Maske ist, die wir ohne das Bewusstsein für die Maske tragen. Und wenn man das weiterdenkt, dann kommt man eben zu dem Schluss: Es lässt sich gar nicht voneinander trennen.(…) Wir haben eben alle unterschiedliche Gesichter und unterschiedliche Rollen. Und das hängt ganz eng mit der Identität zusammen, in welchem Bild, in welchem Gesicht zeigt sich dann die Identität?"
Nietzsche hat den Begriff der Identität, der einen Wahrheit verneint. Noch weiter geht der französische Theoretiker Jean Baudrillard, der den Realitätsbegriff hinterfragte und von der "Agonie des Realen" sprach, vom Verschwinden der Welt, der Dinge und des Menschen im digitalen Zeitalter. Wir schaffen uns beliebige virtuelle Masken - wenn aber alles Maske ist, dann gibt es keine Maskierung mehr.
Hätte es die Ausstellung im Bonner Kunstmuseum bei diesem Aspekt belassen, wäre sie sicher eindringlicher. Aber die etwas bemühte Kombination mit Werken aus der eigenen Sammlung führt auf andere Pfade. Auch die Öffnung für identitätspolitische Fragen in der Kunst, für die Hinterfragung transkultureller Aneignung, macht ein viel zu großes neues Thema auf. Etwas mehr Schärfe hätte gut getan.