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Kunstmuseum Bonn
Nebel im Wohnzimmer

Das Werk von Andreas Schulze ist "schwer einzuordnen" - so sagte es der Kurator des Kunstmuseums Bonn, das Schulze gerade ausstellt. Unser Kritiker findet andere Worte. Spöttische Fingerzeige auf allerlei Trends und Stile des 20. Jahrhunderts hat er wohl bemerkt. Doch aus seiner Sicht überwiegt ein risikoloser Dauerflirt mit der Banalität.

Von Georg Imdahl |
    Andreas Schulze entstammt einer Generation von Künstlern, denen in den 1980er Jahren die hehre Kunst suspekt geworden war. Ihre Losung lautete in etwa so: Weitermachen in der traditionellen Gattung der Malerei - ja, zugleich aber idealistischen Ballast abwerfen. Transzendenz und Erhabenheit, die Werte eines einstigen Niederkniens vor dem Bild, gingen plötzlich so gar nicht mehr. Anstelle von Pathos und Passion wurden jetzt Ironie und Understatement auf die Tagesordnung gesetzt.
    Flirt mit dem Banalen
    Seit jenen achtziger Jahren flirtet Andreas Schulze heftig mit der Banalität. Er kokettiert mit einer naiven Malerei und hat einen durchaus unverwechselbaren Stil entwickelt: eine Art Biedermeier, bei dem die Dinge wohlige rundliche Formen annehmen. Meißner Porzellan stehe ihm näher als die Brillo-Boxen von Warhol, hat der Künstler einmal zu Protokoll gegeben.
    Nicht fehlen darf in Bonn eines seiner bekanntesten Bilder: ein Sofa in knalligen Farben stellt sich, einigermaßen sinnfrei, vor einer Flusslandschaft in den Blick – womit Schulze die Rheinromantik persifliert. Zum Handwerkszeug der Malerei gehören auch bei ihm die Anspielung und das Zitat.
    "Dreckecke" als Reaktion auf die "Fettecke"
    "Das ist so ein Künstler, den kann man nicht einfach stilistisch oder in einer Schublade einordnen, der aber gleichzeitig unheimlich viele Verknüpfungspunkte zum Kunstgeschehen der letzten Jahrzehnte aufweist. Also zum Beispiel zur Pop Art, zur Farbfeldmalerei, zu realistischen Positionen. Das ist ganz komplex, obwohl es auf den ersten Blick so einfach ausschaut."
    So Stefan Gronert, Kurator am Kunstmuseum Bonn, das sich seit seiner Gründung 1992 programmatisch mit der Malerei der Moderne beschäftigt. Zuletzt hat man sich auch der Postmoderne geöffnet. Ob geometrisch oder biomorph, ob realistisch oder abstrakt, surreal oder sachlich - gefräßig verleibt sich Schulzes Malerei alles an Stilen und Ismen ein, was das 20. Jahrhundert so zu bieten hat.
    Tatsächlich wimmelt es in diesen Bildern vor milde spöttischen Fingerzeigen auf die zeitgenössische Kunst. Wobei die Grenze zwischen Pointe und Kalauer nicht immer erkennbar ist. Die früheste Arbeit der Bonner Ausstellung ist ein bemalter Teppich unter dem Titel "Dreckecke" von 1985, platziert auf dem Fußboden in einer Ecke. Damit reagierte Schulze auf die kurz zuvor entstandene "Fettecke" von Joseph Beuys.
    Kunst und Kalauer
    In jüngeren Bildern trägt Schulze die Farbe in Nebelschwaden mit der Sprühdose auf. Er mokiert sich somit über die wabernde Abstraktion seiner Malerkollegin Katharina Grosse, die wie er an der Kunstakademie Düsseldorf lehrt. Dann verarbeitet er Impressionen der Großstadt wie die Pkw-Scheinwerfer im nächtlichen Verkehr der Nord-Süd-Fahrt in Köln. Flauschiges Licht schmeichelt dem Blick angesichts der hellen Augenpaare auf dunklem Grund. Damit bezieht sich Schulze wiederum auf den Berliner Maler Lesser Ury - der hatte das urbane Leben in der Weimarer Republik zu seiner Domäne gemacht.
    Als Schlusspunkt der Ausstellung zitiert Schulze das berühmte Münchner Freundschaftsbild von Gerhard Richter und Blinky Palermo aus den 60er Jahren. Vor einer großen gelben Wand sind die beiden Köpfe aufgesockelt, die sich gegenseitig anschauen. Doch ersetzt Schulze die Köpfe der Maler durch Porträts seiner selbst. Das fiele dann wieder in die Kategorie Kalauer.
    Eher routinert als originell
    Die künstlerische Ironie war einmal ein Säurebad, in dem die Utopien der Moderne aufgelöst wurden. Solche Kritik aber suchte man im Werk von Andreas Schulze vergeblich. Was in den achtziger Jahren einmal als Provokation gewirkt haben mag, erscheint heute kuschelweich und zahnlos. Auch die jüngeren Ausflüge ins Gebiet der Skulptur muten eher routiniert als originell an. Dieses Werk riskiert in seiner Bespiegelung der Moderne insgesamt wenig. Es eckt nirgends an und tut denn auch niemandem weh. So läuft der Dauerflirt mit der Banalität irgendwann ins Leere.