"Keen on magazine", also in etwa das "Scharf auf Magazin", so heißt eine recht neue und zeitgemäße Seite im Netz, die Lust machen will auf Kunst-, Technologie-, Design- und Architekturthemen. Jede Ausgabe hat einen Schwerpunkt, um den sich herum Beiträge gruppieren, aber auch Soundeffekte und Videos. Das "keen on magazine" ist so etwas wie ein Kulturportal für Digital Natives. Gegründet hat die Seite Kuratorin und Journalistin Sabrina Steinek.
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Adalbert Siniawski: Denken Sie Kultur vom Netz her?
Sabrina Steinek: Ich denke es auf vielen verschiedenen Ebenen. Aber ich denke einfach, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der wir das Digitale sehr viel stärker berücksichtigen müssen und in der sich unser ganzes Konsum- und Nutzungsverhalten verändert – und auch unsere Bildwahrnehmung. Und das gilt es einfach zu berücksichtigen und damit auch zu arbeiten.
Siniawski: Was sind denn für Sie relevante Themen?
Steinek: Das ist ganz unterschiedlich. Man kann es auch sehen an den Themen, mit denen wir uns bisher in den Ausgaben beschäftigt haben, das sind aktuell fünf Ausgaben: Am Beginn ging es um Protest - und natürlich auch, wie das Netz als Mittel des Protests genutzt wird. Dann haben wir uns mit "Attention" beschäftigt – wie generieren wir Aufmerksamkeit, insbesondere im Netz. Wie Sie schon gesagt haben, ist "keen on" ja monothematisch konzipiert, das ist natürlich der Klassiker im Print - und online aber eher eine Seltenheit. Charakteristisch für uns ist, dass wir sehr stark grafisch reagieren auf die Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen. Das heißt, dass das Design mit jeder Ausgabe komplett neu entwickelt wird. Wir reagieren auf die Inhalte der Ausgabe und die Werke der KünstlerInnen. Was wir möchten ist, dass die Themen visuell erlebbar werden. Deswegen arbeiten wir nicht nur mit Videos, Sounds und Fotos, sondern auch mit Animation und Rendering.
Siniawski: Ja, und die Navigation auf Ihrer Seite ist ja auch fast schon selbst ein Erlebnis: Man taucht förmlich in ein Thema ein, scrollt sich immer weiter runter, geht quasi auf Expedition, verliert sich manchmal darin. "Infinitive Scrolling" nennt sich das, habe ich gelesen. Was steckt dahinter?
Steinek: Das ist eigentlich sehr, sehr klassisch und weitverbreitet in den letzten Jahren: Jeder Blog arbeitet eigentlich mit diesem Scrolling, indem man in klassischen Blogs die Beiträge nach den Daten immer sortiert hat und zurückgeht in der Datierung. Mir war es wichtig, da das Magazin so viel Aufmerksamkeit benötigt und wir mit so vielen verschiedenen technischen Tools arbeiten und mit so viel Bewegtbild, dass wir zumindest immer der Bewegung des Users treu bleiben, dass er sich auf das Bild konzentrieren kann und nicht noch überlegen muss: Wo muss ich jetzt eigentlich hin? Und wie bewege ich mich weiter? Das heißt, das ist wirklich ein roter Faden, der sich durch das Magazin zieht und der darüber hinaus sich auch am Mobiltelefon natürlich sehr gut nutzen lässt.
"Wir nutzen nur einen Bruchteil der Möglichkeiten, die das Internet zu bieten hat"
Siniawski: Man könnte aber auch sagen: Diese digitalen Effekte lenken dann doch vielleicht vom Thema ab. Infotainment wird dann ein bisschen wichtiger als Information, oder?
Steinek: Das ist sicherlich ein guter Kritikpunkt. Unsere Bildwahrnehmung und –sprache ist ja längst durch das Internet beeinflusst. Und wir wissen alle, dass in dieser Bilderflut, die aktuell stattfindet, die Aufmerksamkeitsspanne von den Usern immer geringer wird. Aber gerade da gewinnen auch wieder Bewegtbilder immer mehr an Bedeutung. Und ich möchte gerade diese Ästhetik und diesen digitalen Wahnsinn in mein Magazin aufnehmen und als Spiegel unserer Zeit betrachten.
Siniawski: Wird es dann mehr von solchen Magazinen geben? Beziehungsweise, ist "keen on magazine" eine Gegenreaktion auf die gedruckten Zeitschriften, die klassisch daherkommen und schön geordnet und übersichtlich?
Steinek: Ich glaube nicht, dass ich das als eine Gegenreaktion betrachten möchte. Mir ging es vielmehr darum: Ich habe ursprünglich auch einen Blog erarbeitet, der auch relativ gut sortiert war. Ich hatte aber den Eindruck, dass wir nur einen Bruchteil der Möglichkeiten nutzen, die das Internet zu bieten hat und dass wir auch der Netzkunst - die für mich sehr interessant ist als Kunsthistorikerin und mit der ich mich sehr viel auseinandersetze -, einfach nicht gerecht werden können mit solchen Formaten.
Siniawski: Gibt es bei Ihnen vielleicht trotzdem den Gedanken: Könnte ich das in Papierform bringen, wäre es so richtig angekommen? Wäre Print nicht so eine Art Adelung für Sie als Magazinmacherin?
Steinek: Das sollte man meinen – und tatsächlich wird mir die Frage sehr oft gestellt. Ich habe mich aber bewusst gegen das Printformat entschieden, weil ich viel mehr Möglichkeiten in dem Online-Format sehe. Ich kann sehr viel schneller eine sehr viel höhere Reichweite erzielen. Ich kann noch viel stärker mit den Social Media-Kanälen arbeiten. Ich kann dadurch eine sehr viel höhere Interaktion mit Lesern und Followern erzielen. Und für mich wäre es eigentlich ein Fehler, diese Themen in Print zu besprechen. Ich finde, die gehören einfach ins Internet – gerade wenn man sich mit solchen Themen beschäftigt wie "Posthuman Bodies".
"Ich glaube nicht an die Paywall"
Siniawski: Weil es einfach schon in diesem Milieu spielt, sage ich mal. Internet ist schön, aber davon leben können nur wenige. Wie finanzieren Sie sich? Auf Ihrer Seite habe ich gelesen: "Sponsored by 'Bundeskanzleramt Österreich'"?
Steinek: Genau. Ich bin am Beginn sehr idealistisch an das Projekt herangetreten und ich bin auch stolz darauf, dass wir bis heute immer noch so idealistisch arbeiten können. Bezahlte Inhalte gibt es bei uns nicht, Anzeigen sehr, sehr vereinzelt, insofern sie eine sinnvolle Bereicherung für die LeserInnen sein können. Dieser Idealismus, wie Sie schon sagten, führt natürlich dazu, dass so ein aufwendiges und damit auch teures Projekt wirtschaftlich schnell unrentabel wird. Deswegen freuen wir uns, dass wir seit Sommer diesen Jahres vom Österreichischen Bundesministerium für Kunst und Kultur unterstützt werden. Das alleine reicht natürlich nicht aus, um ein solches Format langfristig überleben zu lassen. Nachdem ich nicht an die Paywall glaube, haben wir in diesem Jahr verschiedene Möglichkeiten ausprobiert, wie man dieses Magazin tragen kann, abseits von Anzeigen und Sponsoring. Und dazu gehört zum Beispiel, dass wir parallel zu jeder Ausgabe eine Ausstellung kuratieren in einer Galerie. Dafür erhalten wir beispielsweise ein KuratorInnenhonorar. Das allein wäre natürlich auch nicht genug. Dadurch, dass wir digital ein neues Format entwickelt haben, bekommen wir immer mehr Anfragen, Digitalstrategien für Museen zu entwickeln und eine neue Form digitaler Kunstvermittlung zu etablieren. Und aktuell arbeiten wir dort mit einigen Museen zusammen und entwickeln genau das.
Siniawski: Sie haben 2013 auch das Kunstmagazin "art and signature" gegründet, das ist auch im Netz zu finden. Woher kommt Ihre Leidenschaft, journalistische Formate zu erfinden?
Steinek: Ich sage immer ganz gern, dass das eigentlich ein Unfall war, dieses Magazin zu gründen. Ich habe das während meines Studiums der Kunstgeschichte gegründet, eigentlich mit dem Bestreben, dass ich mich mehr mit Gegenwartskunst und aktueller Kunstproduktion auseinandersetze, was im damaligen Studium und der Konzeption so nicht vorgesehen war. Im Endeffekt waren wir nachher zehn Autoren, die regelmäßig daran gearbeitet haben. Da bin ich aber sehr schnell an die Grenzen gekommen und habe gemerkt: Es muss einfach mehr geben. Das alleine kann es nicht sein. Ich habe das Gefühl gehabt, dass das Format "Blog" an seine Grenzen gekommen ist.
Siniawski: "keen on magazine" - so heißt das Kulturmagazin von Sabrina Steinek, im Netz zu finden unter keenonmag.com. Ihnen vielen Dank für das Gespräch.
Steinek: Ja, vielen Dank für die Anfrage.
Am 11. Januar gibt es im Museum der Bildenden Künste in Leipzig eine Ausstellung zu sehen unter dem Titel "Netzkünstlerinnen 2.0", co-kuratiert von Sabrina Steinek.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.