Stefan Koldehoff: Kaum hatte er heute Morgen begonnen, da war er auch schon wieder beendet – der Prozess in Bukarest gegen sechs Männer, die im Oktober 2012 sieben Kunstwerke von Matisse, Monet, Gauguin, Picasso, Meyer de Hahn und Lucien Freud gestohlen haben sollen. Weniger als drei Minuten brauchten sie dafür: Der Notausgang der Kunsthalle in Rotterdam war nicht gesichert. Die Mutter eines der Angeklagten hatte ausgesagt, nachdem man keinen Käufer gefunden habe, seien die Gemälde und Pastelle in einem Ofen verbrannt worden. Stimmt nicht, erklärte heute Morgen, bevor auf dem 10. September vertagt wurde, ein Anwalt. Sein Mandant sei unter bestimmten Bedingungen bereit und in der Lage, wenigstens einen Teil der Werke zurückzugeben. Bluff oder Deal mit der Anklage – man weiß es nicht. – Karl-Heinz Kind ist im Generalsekretariat von Interpol in Lyon für die Kunstdelikte zuständig. Zu konkreten laufenden Ermittlungen darf er natürlich keine Auskunft geben, aber sagen, ob Interpol die Rotterdamer Bilder denn noch in ihrer Diebstahls-Datenbank führt, oder ob sie schon gelöscht wurden, weil auch die Polizei davon ausgeht, dass die Werke zerstört wurden.
Karl-Heinz Kind: Nein, natürlich sind die Gegenstände nach wie vor bei uns registriert und sie werden auch erst dann aus der Datenbank gelöscht, wenn die ermittelnden Behörden uns dies mitteilen, wenn die Gegenstände sichergestellt worden sind, oder wenn sichere Nachweise dafür vorliegen würden, dass sie tatsächlich vernichtet worden wären.
Koldehoff: So eine Datenbank wie die, die Sie da führen bei Interpol in Lyon, die führt doch mit Sicherheit dazu, dass es für Kunstdiebe schwieriger geworden ist in den letzten Jahren, gestohlene Ware überhaupt wieder los zu werden.
Kind: Das ist mit Sicherheit so. Deshalb haben wir ja auch im August 2009 einen öffentlichen Online-Zugriff auf unsere Kunstdatei ermöglicht, sodass auch Privatleute oder auch Professionelle des Kunsthandels dort abfragen können, wenn dubiose Gegenstände angeboten werden.
Koldehoff: Und trotzdem wird gestohlen, wie nichts Gutes, und zwar mit zunehmender Brutalität, wenn man sich daran erinnert: Überfall auf die Sammlung Bührle in Zürich, vier Bilder von Degas, van Gogh, von Monet gestohlen, mit Waffengewalt während der normalen Öffnungszeiten, dann der Diebstahl in Rotterdam auf die Kunsthalle, die Triton-Sammlung, die dort ausgestellt worden ist – das ist der Prozess, der heute beginnen sollte -, danach dann schon wieder in Belgien Überfall auf ein Museum, Bilder gestohlen. Das muss aber doch heißen, dass die Täter nach wie vor davon ausgehen, dass sie ihre Ware irgendwie wieder los werden.
Kind: Das ist sicherlich die Meinung der Täter, die sie auch dazu motiviert, die Diebstähle mit großem Risiko eigentlich überhaupt nur durchzuführen. Nur alle Fälle, die irgendwann mal geklärt worden sind – und Sie haben ja den Fall aus der Bührle-Kollektion angesprochen -, da war es eben nicht so, dass die Gegenstände verkauft werden konnten, und wenn die Täter genötigt sind, über längere Zeiträume vermehrt Diebesgut anzubieten, ergibt sich natürlich auch für die Polizei die Möglichkeit, davon Kenntnis zu bekommen und die Ermittlungen zielgerecht durchzuführen und die Gegenstände sicherzustellen.
Koldehoff: Was Sie da jetzt erzählt haben, klingt ein bisschen so, als geschehe Kunstdiebstahl vor allen Dingen deswegen, weil er möglich ist, weil es so einfach scheint, weil die Täter den Eindruck haben, da kommen wir gut rein, da kommen wir schnell wieder raus, Bührle wenige Minuten, in Rotterdam waren es auch nur drei Minuten. Ist das der Grund? Glaubt man, da haben wir eine gute Chance und irgendwie können wir das dann hinterher schon zu Geld machen?
Kind: Davon gehe ich aus, und tatsächlich ist es ja auch so, dass zum Beispiel eine Bank oder ein Geldtransportwagen besser geschützt sind oft als ein Museum oder als eine private Kollektion.
Koldehoff: Es ist ja wahrscheinlich für Museen auch nicht leicht, aufgrund der Finanzknappheit die entsprechenden Alarmanlagen zu bezahlen – möglicherweise ist das Bewusstsein nicht vorhanden, bei Raubüberfällen mit Waffengewalt nützt das alles sowieso nichts. In der Presse ist oft die Rede vom großen Unbekannten, vom Auftraggeber, der hinter solchen Diebstählen und Raubüberfällen steckt. Haben Sie so einen großen Unbekannten jemals dingfest machen können? Gibt es den überhaupt, den großen Sammler, der in Auftrag gibt, stellt mir bitte da das, und dann hätte ich von da gerne noch den van Gogh und von da noch den Rembrandt?
Kind: Diesen großen Auftraggeber halten wir für eine Fiktion und in aller Praxis ist es so, dass die Täter versuchen, die Gegenstände zu entwenden und dann mühsam sich einen Käufer suchen müssen. Und alle die gelösten Fälle, die deuten ja auch darauf hin, dass es diesen unbekannten Auftraggeber eben nicht gegeben hat.
Koldehoff: Zum Schluss die Frage: Nach den heutigen Entwicklungen, nach der Aussage des Anwalts, möglicherweise sind Bilder doch nicht zerstört worden, haben Sie die Hoffnung, dass von den sieben Rotterdamer Werken welche wieder auftauchen, oder könnte das alles auch ein gigantischer Bluff sein?
Kind: Ja mit Aussagen, dass diese hochwertigen Gemälde vernichtet worden seien, mit solchen Aussagen bin ich sehr zurückhaltend. Das wäre ja ein Riesenfiasko auch für die Täter, die nicht nur unter großem Risiko die Straftat durchgeführt haben, versucht haben, das Diebesgut abzusetzen, mit der Hoffnung, diese dann zu Geld zu machen, und dann ihre eigene Tat praktisch zunichtemachen. Ich gehe davon aus, dass die große Möglichkeit besteht, dass die Gegenstände nach wie vor vorhanden sind und auch wieder auftauchen.
Koldehoff: … sagt Karl-Heinz Kind vom Interpol-Generalsekretariat in Lyon.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Karl-Heinz Kind: Nein, natürlich sind die Gegenstände nach wie vor bei uns registriert und sie werden auch erst dann aus der Datenbank gelöscht, wenn die ermittelnden Behörden uns dies mitteilen, wenn die Gegenstände sichergestellt worden sind, oder wenn sichere Nachweise dafür vorliegen würden, dass sie tatsächlich vernichtet worden wären.
Koldehoff: So eine Datenbank wie die, die Sie da führen bei Interpol in Lyon, die führt doch mit Sicherheit dazu, dass es für Kunstdiebe schwieriger geworden ist in den letzten Jahren, gestohlene Ware überhaupt wieder los zu werden.
Kind: Das ist mit Sicherheit so. Deshalb haben wir ja auch im August 2009 einen öffentlichen Online-Zugriff auf unsere Kunstdatei ermöglicht, sodass auch Privatleute oder auch Professionelle des Kunsthandels dort abfragen können, wenn dubiose Gegenstände angeboten werden.
Koldehoff: Und trotzdem wird gestohlen, wie nichts Gutes, und zwar mit zunehmender Brutalität, wenn man sich daran erinnert: Überfall auf die Sammlung Bührle in Zürich, vier Bilder von Degas, van Gogh, von Monet gestohlen, mit Waffengewalt während der normalen Öffnungszeiten, dann der Diebstahl in Rotterdam auf die Kunsthalle, die Triton-Sammlung, die dort ausgestellt worden ist – das ist der Prozess, der heute beginnen sollte -, danach dann schon wieder in Belgien Überfall auf ein Museum, Bilder gestohlen. Das muss aber doch heißen, dass die Täter nach wie vor davon ausgehen, dass sie ihre Ware irgendwie wieder los werden.
Kind: Das ist sicherlich die Meinung der Täter, die sie auch dazu motiviert, die Diebstähle mit großem Risiko eigentlich überhaupt nur durchzuführen. Nur alle Fälle, die irgendwann mal geklärt worden sind – und Sie haben ja den Fall aus der Bührle-Kollektion angesprochen -, da war es eben nicht so, dass die Gegenstände verkauft werden konnten, und wenn die Täter genötigt sind, über längere Zeiträume vermehrt Diebesgut anzubieten, ergibt sich natürlich auch für die Polizei die Möglichkeit, davon Kenntnis zu bekommen und die Ermittlungen zielgerecht durchzuführen und die Gegenstände sicherzustellen.
Koldehoff: Was Sie da jetzt erzählt haben, klingt ein bisschen so, als geschehe Kunstdiebstahl vor allen Dingen deswegen, weil er möglich ist, weil es so einfach scheint, weil die Täter den Eindruck haben, da kommen wir gut rein, da kommen wir schnell wieder raus, Bührle wenige Minuten, in Rotterdam waren es auch nur drei Minuten. Ist das der Grund? Glaubt man, da haben wir eine gute Chance und irgendwie können wir das dann hinterher schon zu Geld machen?
Kind: Davon gehe ich aus, und tatsächlich ist es ja auch so, dass zum Beispiel eine Bank oder ein Geldtransportwagen besser geschützt sind oft als ein Museum oder als eine private Kollektion.
Koldehoff: Es ist ja wahrscheinlich für Museen auch nicht leicht, aufgrund der Finanzknappheit die entsprechenden Alarmanlagen zu bezahlen – möglicherweise ist das Bewusstsein nicht vorhanden, bei Raubüberfällen mit Waffengewalt nützt das alles sowieso nichts. In der Presse ist oft die Rede vom großen Unbekannten, vom Auftraggeber, der hinter solchen Diebstählen und Raubüberfällen steckt. Haben Sie so einen großen Unbekannten jemals dingfest machen können? Gibt es den überhaupt, den großen Sammler, der in Auftrag gibt, stellt mir bitte da das, und dann hätte ich von da gerne noch den van Gogh und von da noch den Rembrandt?
Kind: Diesen großen Auftraggeber halten wir für eine Fiktion und in aller Praxis ist es so, dass die Täter versuchen, die Gegenstände zu entwenden und dann mühsam sich einen Käufer suchen müssen. Und alle die gelösten Fälle, die deuten ja auch darauf hin, dass es diesen unbekannten Auftraggeber eben nicht gegeben hat.
Koldehoff: Zum Schluss die Frage: Nach den heutigen Entwicklungen, nach der Aussage des Anwalts, möglicherweise sind Bilder doch nicht zerstört worden, haben Sie die Hoffnung, dass von den sieben Rotterdamer Werken welche wieder auftauchen, oder könnte das alles auch ein gigantischer Bluff sein?
Kind: Ja mit Aussagen, dass diese hochwertigen Gemälde vernichtet worden seien, mit solchen Aussagen bin ich sehr zurückhaltend. Das wäre ja ein Riesenfiasko auch für die Täter, die nicht nur unter großem Risiko die Straftat durchgeführt haben, versucht haben, das Diebesgut abzusetzen, mit der Hoffnung, diese dann zu Geld zu machen, und dann ihre eigene Tat praktisch zunichtemachen. Ich gehe davon aus, dass die große Möglichkeit besteht, dass die Gegenstände nach wie vor vorhanden sind und auch wieder auftauchen.
Koldehoff: … sagt Karl-Heinz Kind vom Interpol-Generalsekretariat in Lyon.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.